Geschäfte mit Toten

Peter LeinerVon Peter Leiner Veröffentlicht:
Peter Leiner © Ärzte Zeitung

Peter Leiner © Ärzte Zeitung

© Ärzte Zeitung

In diesem Jahr tourt der Heidelberger Anatom Dr. Gunther von Hagens wieder mit seiner heftig diskutierten Ausstellung plastinierter menschlicher und tierischer Körper und Körperteile durch Deutschland. Derzeit ist die Ausstellung "Körperwelten & Der Zyklus des Lebens" in Offenbach am Main zu sehen, und hier treiben es die Macher in zweifacher Hinsicht auf die Spitze. Zum einen hat von Hagens‘ Ehefrau, die Anatomin Dr. Angelina Whalley - sie hat die Ausstellung konzipiert - plastinierte Paare in die Sammlung aufgenommen, die in der Position wie bei einem Geschlechtsakt gezeigt werden. Zum anderen wurde gleich ein ganzes Kaufhaus für die Werbung in Beschlag genommen, das durch einen Gang mit der Ausstellung direkt verbunden ist.

"Das oberste Ziel der Ausstellung Körperwelten ist die gesundheitliche Aufklärung", heißt es auf der Internetseite der Gubener Plastinate GmbH. Aber was hat das mit gesundheitlicher Aufklärung zu tun, wenn tote, präparierte Menschen enthäutet beim Geschlechtsakt, beim Eiskunstlaufen, beim Skateboarden präsentiert werden oder gar in Hälften zersägt in einer grüßenden Pose? Was kann man als angehender Arzt oder interessierter Laie über Phasen im Zyklus des Lebens an menschlichen plastinierten Körpern lernen, die etwa in sportlichen Posen als Läufer beim Start oder als Hochspringer im Flug gezeigt werden? Nichts, was nicht etwa mit Hilfe moderner Diagnoseverfahren oder Moulagen viel besser gelingt. Gerade Moulagen sind hier überlegen, weil auch pathologische Veränderungen der Haut gezeigt werden können.

Die Nähe zum Kaufhaus, dessen Manager unumwunden bekunden, dass "wir Werbung für die machen und die Werbung für uns" - wie ein Sprecher des Center-Managements sagt - legt sehr nahe, dass es hier um ein Geschäft geht. Nach dem Motto: "Vor dem Besuch der Ausstellung schnell noch ein Fischbrötchen, danach können wir uns ja noch einen Kaffee bei Starbucks gönnen."

Die Menschen der Ausstellung sind - auch wenn sie sich mit der Plastination ihres Körpers einverstanden erklärt haben - vieler Dinge beraubt, vor allem ihres Antlitzes und nicht zuletzt der Totenruhe.

Schreiben Sie dem Autor: peter.leiner@aerztezeitung.de

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

EvidenzUpdate-Podcast

Prävention und der Koalitionsvertrag – Ignoranz oder Feigheit?

Transplantationsmedizin

Ein Jahr Organspende-Register – und viel Luft nach oben

Schutz vor Leukämien

Blutspenden fördert wohl klonale Hämatopoese

Kommentare
Peter Leiner 07.05.201012:55 Uhr

Bedenken des Bundesverfassungsrichters von Behörden nie aufgegriffen

Folgender Kommentar zum Standpunkt über die Ausstellung "Körperwelten" erreichte uns per E-Mail:

Dr.Harold Woetzel

Ihr Artikel über die Leichen-Schauen des Dr. Gunther v. Hagens (ehem. Gunther Liebchen) spricht mir aus der Seele.
Wir haben als SWR-Wissenschaftsredaktion 4 lange Dokumentarfilme gemacht, die von Mal zu Mal kritischer gegenüber dem Macher von Hagens wurden.
Von Anfang an haben wir uns zum Beispiel über die Provenienz der Leichen Gedanken gemacht, über die keiner wirklich etwas weiß: mit Hinweis auf den Datenschutz wurden jegliche Anfragen um Einblick in Körperspenden-Verfügungen abgelehnt. Kollegen vom russischen Fernsehen und vom MDR konnten dann ja nachweisen, dass von Hagens jeden Monat Hunderte von Leichen aus Sibirien, Kirgisien, der Mongolei und China erhält, von denen keiner ein wirklicher "freiwilliger Körperspender" war, vielmehr meist Obdachlose, deren Körper von anatomischen Instituten abgekauft wurden, aber auch von hingerichteten Regimegegnern.

[http://www.tagesspiegel.de/berlin/koerperwelten-leichen-aus-nowosibirsk-fuer-praeparator-gunther-von-hagens/210276.html]

Genau das aber hat Herr von Hagens in unseren Filmen jedesmal kategorisch behauptet: dass ALLEN gezeigten Exponaten eine unterschriebene Verfügungserklärung zugrunde läge...

Auch die Tatsache, dass der deutsche Zoll und der deutsche Grenzschutz/die Polizei die mittlerweile Tausende Leichen, die in großen LKW-Containern in Heidelberg usw. angeliefert werden, als "tote Tiere, zum Verzehr ungeeignet" klassifiziert hat und bedenkenlos als anatomische Exponate durchgehen lässt (wo doch jeder tote Pagagei oder jede Krokodilsledertasche eine komplizierte Herkunftsbescheinigung und Ausfuhrgenehmigung benötigt...!), hat uns damals mehr als verwundert.
Der mittlerweile gestorbene Bundesverfassungsrichter a.D. Ernst Benda hatte uns ein Interview gegeben, in dem er nicht nur moralische, sondern auch gewichtige rechtliche Bedenken gegen diese ausstellung(en) geäußert hatte.
[http://www.presseportal.de/pm/7169/101019/swr_suedwestrundfunk]

Seltsamerweise wurden diese Bedenken von den Behörden nie aufgegriffen; auch Anzeigen von Bürgern, die sich auf diese Bedenken gründeten, sind von den Strafverfolgungsbehörden jedesmal im Eilverfahren eingestellt worden.
Wir haben es deshalb irgendwann auch aufgegeben, mit weiteren Filmen diese Ausstellung kritisch zu kommentieren.
Umso mehr freut uns heute Ihr Artikel.

Peter Leiner 04.05.201009:14 Uhr

Entwürdigung von Verstorbenen

Folgender Kommentar zum Standpunkt über die Ausstellung "Körperwelten" erreichte uns per E-Mail:


Frank Ulrich

Grundsätzlich schließe ich mich Ihrem Artikel über die Geschäfte des Herrn von Hagens an.

Ich finde es geradezu als Menschen- und Lebenverachtung eines übermäßig geldgierigen Herrn, der seine medizinischen Kenntnisse nicht für das Wohl der Menschen einsetzt, sondern nur bemüht ist sein Konto gut zu füllen.

Ich selbst kenne diese „Schaustellung plastifizierter Leichen“ nicht und würde eine derartige entwürdigende Darstellung von Körpern menschlichen oder tierischen Ursprungs auch nie aufsuchen, im Gegenteil, ich rate allen, die derartiges vorhaben, davon strikt ab. Kein auch nur annähernd vernünftig denkende Mensch kann mir einen einzigen Grund nennen, der eine derartige Entwürdigung eines Verstorbenen rechtfertigen könnte. Geldgier und Selbstverherrlichung sind jedenfalls keine Gründe und dürfen es auch nie werden. Der wissenschaftliche Wert geht gegen Null, hier wird doch nur durch skrupellose Werbung mit scheinheiligen Rechtfertigungen die natürliche Neugier von Menschen ausgenutzt.

Ich bin der Meinung, hier ist ganz einfach die Legislative gefordert. Derartige Schauveranstaltungen sollten ganz einfach verboten werden.

Ich bin im Deutschen Diabetiker Bund Landesverband Hessen e.V. als Pressesprecher tätig und werde meine Meinung über die „Körperwelten des Herrn von Hagens“ auch an einen größeren Leserkreis vermitteln. Mir fehlte bisher eigentlich nur der Initialzünder, den ich jetzt in Ihrem Artikel fand, ganz herzlichen Dank dafür.

Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Tipps beim DGIM-Kongress

Urinteststreifen und Harnwegsinfektion: Achtung, Fallstricke!

Lesetipps
Es dreht sich.

© visualpower / stock.adobe.com

Neue transsektorale S3-Leitlinie

Diagnose und Management des Delirs – so geht’s!

Der 131. Internistenkongress findet vom 3. bis 6. Mail statt. Das Motto lautet „Resilienz – sich und andere stärken“.

© Sophie Schüler

Übersichtsseite

DGIM-Kongress: Unsere aktuellen Beiträge im Überblick