Zukunft der Pflege

"Geschicke selbst in die Hand nehmen"

Fachkräftemangel bei gleichzeitiger Zunahme der Pflegebedürftigen: Wie können Pflegekräfte die Herausforderungen der Zukunft bewältigen? Politiker, Kassenvertreter und Pflegeverbände suchten beim "Kongress Pflege 2013" nach Antworten.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Diskutierten bei der Eröffnungsveranstaltung des Kongresses von Springer Medizin über die Zukunft der Pflege: Präsident des Pflegerates, Andreas Westerfellhaus (links), und Gesundheitsstaatssekretär Thomas Ilka.

Diskutierten bei der Eröffnungsveranstaltung des Kongresses von Springer Medizin über die Zukunft der Pflege: Präsident des Pflegerates, Andreas Westerfellhaus (links), und Gesundheitsstaatssekretär Thomas Ilka.

© Stephanie Pilick

BERLIN. Bis 2030 werden etwa 500.000 Pflegekräfte fehlen, gleichzeitig wird die Zahl pflegebedürftiger Menschen weiter steigen - stehen Pflegekräfte in Deutschland angesichts dieser Entwicklung mit dem Rücken zur Wand?

Nein, meint der Präsident des Pflegerates, Andreas Westerfellhaus. Er hielt vor den etwa 600 Besuchern der Eröffnungsveranstaltung beim Kongress Pflege 2013 von Springer Medizin ein leidenschaftliches Plädoyer dafür, dass die Pflegenden ihr berufspolitisches Schicksal selbst in die Hand nehmen sollten: "Die Expertise liegt allein in unserer Profession. Wir dürfen nicht allein auf politisches Handeln setzen."

In seiner Bilanz zeigte er sich von der Pflegepolitik der schwarz-.gelben Koalition enttäuscht: Das dringend erwartete Pflegeberufsgesetz, mit dem die Ausbildung der Pflegeberufe reformiert werden soll, lasse auf sich warten.

Auch beim Pflegebedürftigkeitsbegriff - künftig sollen fünf Bedarfsgrade statt drei Pflegestufen gelten - gebe es nur Ankündigungen.

Gesundheitsstaatssekretär Thomas Ilka konterte: Trotz der Vorarbeiten anderer Regierungen sei ein neuer Pflegebedürftigkeitsbegriff nicht von einem Tag auf den anderen umsetzbar.

Der eigens dafür eingerichtete Expertenbeirat arbeite weiterhin daran, den Pflegebedürftigkeitsbegriff neu zu definieren.

Im Vordergrund stehe vor allem, dass der Grad der Selbstständigkeit pflegebedürftiger Menschen künftig mehr berücksichtigt werden soll. Der Expertenbeirat arbeite zudem an Fragen der Umsetzung.

Auch die Reform der Pflegeausbildung sei weiter auf der Agenda der schwarz-gelben Koalition. "Wir arbeiten mit Hochdruck an einem neuen Pflegeberufe-Gesetz", so Ilka. Ziel sei es, die bisherigen Ausbildungen in der Krankenpflege, Kinderkrankenpflege und Altenpflege zusammenzuführen.

Angesichts des Fachkräftemangels müsse es darüber hinaus Ziel sein, die Attraktivität des Pflegeberufes zu erhöhen, sagte Mario Czaja (CDU), Senator für Gesundheit der Stadt Berlin.

Als wichtiges Ziel bezeichnete er auch, in den Ländern Pflegekammern einzurichten. Bislang hat lediglich das Land Schleswig-Holstein beschlossen, eine solche Kammer aufzubauen.

Die Attraktivität des Pflegeberufes hänge auch mit dem Verdienst zusammen, betonte Gabriele Gröschl-Bahr von der Gewerkschaft verdi: Pflegekräfte verdienten trotz des vor zwei Jahren eingeführten Mindestlohns immer noch zu wenig, kritisierte sie.

Professor Michael Simon von der Fakultät Diakonie, Gesundheit und Soziales der Hochschule Hannover erläuterte, dass sich die Arbeitsbelastung der Pflegekräfte zudem immer weiter verdichte.

Vor allem in Krankenhäusern seien in den letzten Jahren aus wirtschaftlichen Gründen Stellen abgebaut worden. Viele Pflegekräfte reduzierten darüber hinaus ihre Stellen auf Teilzeit, da sie die Belastung einer Vollzeitstelle nicht mehr aushalten könnten.

Pflegekräfte würden inzwischen wie Zitronen ausgepresst, räumte Dr. Bernd Metzinger von der Deutschen Krankenhausgesellschaft ein. Die künftigen Herausforderungen in der Versorgung, wie zum Beispiel eine steigende Zahl Pflegebedürftiger, seien nur zu bewältigen, wenn die Aufgaben zwischen den Berufsgruppen neu geordnet werden.

"Künftig sollte jeder das machen, was er am besten kann. Und nicht das, was sein Berufsverband als Aufgabe definiert", sagte Metzinger.

AOK-Vorstand Uwe Deh sprach sich dafür aus, dass alle Berufsgruppen eng zusammenarbeiten: Nur dann könnten die Ergebnisse in der Versorgung gut werden.

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