Gesprächslandkarten zeigen, wie Diabetes wirkt

Lange Vorträge über die Folgen einer Diabetes-Erkrankung - das ist keine wirksame Methode, um Migranten mit nicht so guten Deutschkenntnissen den Ernst der Lage zu erklären. Aber es gibt alternative Methoden.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Diätassistentin Dilek Öz (li.) erklärt mit Hilfe der Diabetes-Landkarte ihren Patienten, was auf sie zukommt, wenn sie die Therapie nicht Ernst nehmen.

Diätassistentin Dilek Öz (li.) erklärt mit Hilfe der Diabetes-Landkarte ihren Patienten, was auf sie zukommt, wenn sie die Therapie nicht Ernst nehmen.

© acg

DUISBURG. Zu Beginn des Kurses legt Diätassistentin Dilek Öz vor den Teilnehmern eine große, farbig bebilderte Karte auf den Tisch. "Diyabet Nasil Etki Gösterir" steht ganz oben darauf, zu deutsch: "Was bei Diabetes passiert". Die Zahl der Teilnehmer ist gering. Jeweils drei bis zehn Personen machen mit, die alle zwei Gemeinsamkeiten haben: Sie sind türkischstämmig, und sie sind an Diabetes mellitus erkrankt.

Auf der Karte ist anschaulich und mit Bildern erklärt, was bei Diabetikern im Körper vorgeht: Die Zellen sind als Türme dargestellt, deren Türen verschlossen sind, weil die Schlüssel der kleinen Insulinarbeiter nicht passen. Das Blut, dargestellt als kleine Arbeiter mit Schubkarren voller Zucker, kann nicht in die Zelle gelangen und deswegen häufen sie die Würfel rund um den Turm auf.

Was auf den ersten Blick wirkt wie ein Bilderbuch für Kinder, ist Teil des Schulungsprogramms "Diabetes gemeinsam verstehen", das die BKK Novitas Duisburg in Zusammenarbeit mit dem Pharmahersteller Lilly Deutschland ins Leben gerufen hat.

"Gerade Menschen mit Migrationshintergrund haben im Vergleich zur übrigen Bevölkerung einen schlechteren Zugang zum Gesundheitssystem", sagt der Duisburger Bürgermeister Erkan Kocalar beim Forum "Diabetes und Migration". Das Projekt für türkische Diabetiker leiste einen Beitrag zur Integration, sagt er.

Bei "Diabetes gemeinsam verstehen" sollen Betroffene mit Hilfe eines neuen Didaktikprogramms mehr über ihre Krankheit erfahren und lernen, mit ihr besser umzugehen. "Im Mittelpunkt stehen nicht Monologe eines Lehrers, der vorne steht und doziert, sondern Themenkarten, die den Betroffenen auf einfache Weise veranschaulichen, worauf sie achten müssen", sagt Diätassistentin Öz, die die Schulungen in einem ersten Pilotprojekt geleitet hat. Textintensive Vorträge, wie sie für deutsche Patienten angeboten würden, seien für Migranten häufig nicht sinnvoll, weil sie übersetzt werden müssten. Außerdem kämen die Zuhörer oft inhaltlich nicht mit.

Bei "Diabetes gemeinsam verstehen" lernen Patienten anhand der Gesprächslandkarten, wie sie sich gesund ernähren, dass sie sich ausreichend bewegen sollen und wie die Insulintherapie funktioniert. Während der Schulung diskutieren sie über ihre Erfahrungen und tauschen sich aus.

"So bleibt vom Stoff viel mehr hängen", sagt Öz. 70 türkische Diabetiker haben an der Pilotschulung teilgenommen und keiner sei abgesprungen. In vielen deutschen Schulungen seien kulturelle Besonderheiten anderer Nationen nicht berücksichtigt. "Krank sein bedeutet bei uns Türken: Schmerzen haben", sagt sie. "Wer keine Schmerzen hat, ist nicht krank."

Das sei das Hauptproblem bei der Behandlung von türkischstämmigen Diabetes-Patienten, auf das gesondert eingegangen werden müsse. Auch Ernährungstipps sind wichtig. Diabetiker sollten nicht fasten, auch nicht zu Ramadan, vermittelt Öz in ihren Kursen. Das Pilotprojekt ist zwar beendet, soll aber weitergeführt werden.

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