Grundregeln der Handhygiene sind das A & O

Sind feste Regeln für die Hygiene eine Selbstverständlichkeit in Klinik und Praxis? Die Antwort von Experten bei einer Tagung der KV Nordrhein lautete: Nein. Unterdessen halten Kassen wenig von einem präventiven, umfassenden MRSA-Screening.

Ilse SchlingensiepenVon Ilse Schlingensiepen Veröffentlicht:
Neun von zehn nosokomialen Infektionen werden über Hände übertragen, sagen Hygieniker.

Neun von zehn nosokomialen Infektionen werden über Hände übertragen, sagen Hygieniker.

© Peter Atkins / fotolia.com

DÜSSELDORF. Jeder Klinikdirektor würde wohl die Behauptung zurückweisen, dass in seinem Haus chaotische Zustände herrschen. In den allermeisten deutschen Krankenhäusern ist aber genau das der Fall - zumindest wenn es um die Grundregeln der Hygiene geht und man die Industrie als Vorbild nimmt. Das betonte der Hygieneexperte Dr. Roland Schulze-Röbbecke bei der Fortbildung "Hygiene und Infektionen" der KV Nordrhein.

Bei der industriellen Produktion gelten Prozesse mit einer Fehlerquote von 20 Prozent als chaotisch. Mit Blick auf die Standardhygiene liegen die Kliniken klar darüber, sagte Schulze-Röbbecke. "Nur bei Blutbanken und in der Anästhesiologie werden so niedrige Fehlerraten erzielt, dass sie in der Industrie als akzeptabel gelten würden."

Handhygiene steht in der Wichtigkeit ganz oben an

Standardhygiene seien die Maßnahmen, die Ärzte im Umgang mit allen Patienten beachten sollten. "An allererster Stelle steht die Handhygiene, und dann kommt erst mal lange nichts." Neun von zehn nosokomialen Infektionen würden über die Hände übertragen, sagte der Krankenhaushygieniker an der Universitätsklinik Düsseldorf.

RKI bereitet Daten zur Resistenz auf

Ärzte, die sich über die Resistenz eines Erregers gegen Antibiotika informieren wollen, können dies auf den Internetseiten des Robert Koch Instituts (RKI) tun. Unter https://ars.rki.de finden sie eine interaktive Datenbank.

Das RKI versuche, in ganz Deutschland Resistenzdaten zu erfassen und den Ärzten widerzuspiegeln, berichtete Dr. Tim Eckmanns vom RKI.

In der Datenbank können Ärzte sich einen Überblick über die Resistenzlage verschiedener Erregergruppen in der ambulanten und stationären Versorgung und die Resistenzlage eines Erregers gegenüber den relevanten Antibiotika verschaffen oder sehen, wie sich die Resistenz eines Erregers gegenüber einem Antibiotikum im Zeitverlauf entwickelt hat.

Schulze-Röbbecke nannte fünf Indikationen für die Händedesinfektion: vor Patientenkontakt, vor aseptischen Tätigkeiten, nach Kontakt mit potenziell infektiösen Materialien, nach Patientenkontakt und nach Kontakt mit der unmittelbaren Patientenumgebung. Darauf sollten Ärzte immer achten. "Das gilt nicht nur beim MRSA-Patienten, das gilt auch bei einem Patienten mit Kopfschmerzen oder mit einer Verletzung."

Der nächste wichtige Faktor sei das Tragen von persönlicher Schutzkleidung. Der Arzt müsse bei jedem Patienten abwägen, ob er Handschuhe oder einen Kittel benötigt. Entscheidend sei die richtige Anwendung. "Der häufigste Fehler ist, dass die Handschuhe nicht sofort nach Gebrauch ausgezogen werden und dass nicht sofort nach dem Ausziehen eine Händedesinfektion durchgeführt wird."

Trotz vieler Schnittstellenprobleme und ungelöster Honorierungsfragen stehen auch die niedergelassenen Ärzte in der Verantwortung, etwas gegen die Verbreitung multiresistenter Erreger zu tun. Davon geht der Mönchengladbacher Gefäßmediziner Dr. Ulrich Kamphausen aus. "Ohne die Einbindung der ambulanten Medizin ist eine sichere Bekämpfung multiresistenter Erreger mittel- und langfristig nicht erreichbar", sagte er.

Alle Patienten werden vor der Einweisung gescreent

Kamphausen screent in seiner Praxis alle Patienten, die ins Krankenhaus müssen und alle Wundpatienten. Im Jahr 2010 hat er 1254 Abstriche gemacht und bei 67 MRSA nachgewiesen, das entspricht einer Quote von 5,34 Prozent.

Der Arzt hält feste Regeln für den Umgang mit solchen Patienten für sinnvoll. Dazu zählt er die Implementierung von Hygieneplänen und die Schulung des Praxispersonals. Für verdächtige Patienten sollten Sondertermine am Ende der Sprechstunde reserviert sein. "Das hat sich bei uns bewährt." Die niedergelassenen Ärzte müssten ihre Antibiotikatherapie auf den Prüfstand stellen, forderte er.

Kamphausen engagiert sich im "EurSafety Health-net", einem grenzüberschreitenden Netz für Patientensicherheit und Infektionsschutz. "Jeder von uns sollte sich an vorhandenen Netzwerkstrukturen beteiligen", empfahl er.

Günter van Aalst, Leiter der nordrhein-westfälischen Landesvertretung der Techniker Krankenkasse, forderte, dass Screenings auf Risikopatienten begrenzt werden sollten. "Ein präventives, flächendeckendes Screening ist nicht zielführend und verursacht hohe Kosten für die Solidargemeinschaft", sagte van Aalst. Notwendig sei eine klare Definition von Risikopatienten, sagte er.

Die Leistungsinhalte der notwendigen Behandlung von MRSA-Patienten würden durch den EBM erfasst. "Eine Abbildung als Einzelleistung würde eine Bereinigung der Versicherten- beziehungsweise Grundpauschalen um die entsprechenden Leistungsanteile zur Vermeidung von Doppelvergütungen voraussetzen", sagte van Aalst.

Damit gehe van Aalst am eigentlichen Problem vorbei, ärgerten sich Ärzte im Publikum: Die Behandlung von kolonisierten, aber nicht erkrankten Patienten wird nicht vergütet. "Es macht für uns keinen Sinn, Patienten nur zu diagnostizieren, sie aber nicht behandeln zu können", sagte ein niedergelassener Arzt.

Mehr zum Thema

Wenige Genehmigungen entzogen

KBV veröffentlicht Qualitätsbericht für 2022

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kommunikation und Datenschutz

Neue Perspektiven für IT in der Praxis

Lesetipps
Ulrike Elsner

© Rolf Schulten

Interview

vdek-Chefin Elsner: „Es werden munter weiter Lasten auf die GKV verlagert!“