Fachübergreifende Versorgung

Hausarzt ist der Lotse für MS-Patienten

Die ambulante Versorgung von Patienten mit Multipler Sklerose zeigt, dass Hausärzte ihre Vermittlerfunktion bereits gut ausfüllen. Laut einer aktuellen Zi-Analyse werden MS-Patienten vorrangig vom Hausarzt betreut.

Rebekka HöhlVon Rebekka Höhl Veröffentlicht:
Fester Ansprechpartner in der Versorgung – für MS-Patienten, mit ihren multiplen Begleiterkrankungen unverzichtbar.

Fester Ansprechpartner in der Versorgung – für MS-Patienten, mit ihren multiplen Begleiterkrankungen unverzichtbar.

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BERLIN. Multiple-Sklerose (MS) gehört zu den Erkrankungen, bei denen es ohne eine gut koordinierte fachübergreifende Versorgung nicht läuft. Doch wie sieht die vertragsärztliche Inanspruchnahme der Patienten tatsächlich aus? Immerhin waren im Jahr 2015 rund 0,3 Prozent der gesetzlich Versicherten von MS betroffen, in absoluten Zahlen sind das 223.000 Versicherte.

Je nach Region kommen pro Jahr 15 bis 22 Neuerkrankungen pro 100.000 Versicherte hinzu, hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung (Zi) ermittelt. – Das Institut hat daher in einer bundesweiten Studie die ambulante Versorgung von MS-Patienten genauer untersucht.

Dabei zeigt sich, dass noch vor den Neurologen vor allem die Hausärzte wichtigster Ansprechpartner für die Patienten sind. Im Jahr 2015 wurden demnach 94 Prozent der MS-Patienten in mindestens einem Quartal hausärztlich und 72 Prozent neurologisch versorgt.

Langzeitbetreuung läuft

Für die Studie im Rahmen des Zi-Versorgungsatlasses hat das Institut die vertragsärztlichen Abrechnungsdaten von über 142.200 MS-Patienten der Jahre 2010 bis 2015 ausgewertet und einer Vergleichsgruppe gegenübergestellt.

Dabei zeigen sich deutliche Hinweise auf eine gelebte Steuerungsfunktion durch die Hausärzte: Denn während die Kontrollgruppe ohne MS auch zu 93 Prozent mindestens in einem Quartal pro Jahr hausärztlich versorgt wurde, lag der Anteil der MS-Patienten mit dauerhafter hausärztlicher Betreuung in allen vier Quartalen mit 60 Prozent deutlich über jener der Vergleichspatienten (45 Prozent).

Es gibt aber noch ein Indiz für gelebte Koordination: Die MS-Patienten hatten auch höhere Inanspruchnahmequoten bei Fachärzten – und das gleich in sieben Fachrichtungen, berichtet das Zi. Der deutlichste Unterschied mit einer fast siebenfach höheren Inanspruchnahmequote findet sich in der Neurologie (72 Prozent versus 11 Prozent), was aus dem Krankheitsbild resultieren dürfte. Auffallend sei aber auch, dass die Quote bei der Urologie (20 Prozent versus acht Prozent) und bei psychiatrisch oder psychotherapeutisch tätigen Leistungserbringern (13 Prozent versus sieben Prozent) um einiges höher liegt als bei den Vergleichspatienten.

Krankheit schlägt auf die Psyche

Hier gebe es zwei fachärztliche Versorgungsbereiche, die neben der Neurologie besonders wichtig in der Gesamtversorgung der MS-Patienten seien, so das Institut. Das Zi unterfüttert dies mit weiteren Daten: Der Anteil der urologisch versorgten Patienten habe von 2010 bis 2015 von Jahr zu Jahr um vier Prozent zugenommen. Insbesondere Frauen mit MS waren von Krankheiten des Harnsystems betroffen, sie machten bei ihnen über 22 Prozent der gestellten ärztlichen Diagnosen aus.

Bei den Männern waren es rund 14 Prozent. Aber auch psychische Begleit-Erkrankungen sind bei MS-Patienten ein Problem: Die Wahrscheinlichkeit für eine psychische Erkrankung liegt bei diesen Patienten um 42 Prozent höher als bei den Vergleichspatienten. Dabei führen depressive Episoden und Anpassungsstörungen die Liste bei beiden Diagnosen an.

Neben der Koordination der fachärztlichen Weiterversorgung spricht aber noch ein Punkt für die Lotsenfunktion des Hausarztes: Die neurologische Versorgung findet hauptsächlich in urbanen Regionen statt. Das zeigt sich an der Inanspruchnahme von Neurologen für die städtischen KV-Bezirke Hamburg, Berlin und Bremen durch MS-Patienten mit Wohnsitz in den benachbarten KV-Regionen. So wurden nach den Daten des Zi im Jahr 2015 in Hamburg 279 MS-Patienten aus Niedersachsen und 1072 MS-Patienten aus Schleswig-Holstein neurologisch versorgt.

In Berlin nahmen 766 MS-Patienten mit Wohnsitz in Brandenburg die neurologische Versorgung in Anspruch. In Bremen wurden 670 MS-Patienten aus Niedersachsen neurologisch betreut. Umgekehrt fanden aber etwa nur 41 Hamburger MS-Patienten den Weg in neurologische Praxen in Niedersachsen und 46 Berliner MS-Patienten in Praxen in Brandeburg.

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