Implantatskandal: Politik will alle Register ziehen

Aus dem Skandal um schadhafte Brustimplantate will die Politik Konsequenzen ziehen. Jetzt sollen Register her - und unangemeldete Kontrollen bei Ärzten und in Kliniken.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Ein Chirurg entnimmt ein Implantat. Schadhafte Silikonkissen haben eine politische Debatte ausgelöst.

Ein Chirurg entnimmt ein Implantat. Schadhafte Silikonkissen haben eine politische Debatte ausgelöst.

© dpa

BERLIN. Zwischen Regierungsfraktionen und Teilen der Opposition ist umstritten, ob die Sicherheit von künstlichen Gelenken, Stents und anderen Implantaten eher in die Hände der europäischen oder der nationalen Gesetzgeber gelegt werden solle.

Die Gesundheitspolitiker der Union und der SPD setzen vor allem auf Europa. Das geht aus im Vorfeld einer Ausschusssitzung am Mittwoch verbreiteten Anträgen hervor.

Die deutsche Seite solle in Brüssel darauf dringen, dass TÜV, Dekra oder vergleichbare Stellen in den Mitgliedsländern unangekündigt in den Produktionsstätten der Hersteller, aber auch im Medizinproduktehandel, Arztpraxen und Kliniken auftauchen dürfen.

Dort sollen sie Stichproben entnehmen, um diese zu testen. So solle vermieden werden, dass unseriöse Hersteller oder Anwender von Medizinprodukten das ihnen entgegengebrachte Vertrauen ausnutzten.

Grüne wollen Zulassung wie bei Arzneien

Bislang unterliegen Medizinprodukte in der Europäischen Union keinen behördlichen Zulassungsverfahren.

Die SPD schlägt daher in ihrem Antrag zusätzlich ein europaweites amtliches Zulassungsverfahren vor.

"Ziel muss es sein, dass nur solche Medizinprodukte zugelassen werden, für die der Patientennutzen im Verhältnis zu den Risiken nachgewiesen und vertretbar ist."

Beides ist den Grünen zu wenig. Ihre Fraktion hat das Thema auf die Tagesordnung des Gesundheitsausschusses gesetzt, der am Mittwoch dazu Experten anhörte.

An die völlig unzureichenden Zulassungsverfahren und die fehlenden Studien zum Einsatz riskanter Medizinprodukte wage sich die Union nicht heran, kritisierte der Grünen-Politiker Dr. Harald Terpe.

Die Grünen fordern stattdessen, die Zulassung für Medizinprodukte europaweit ähnlich streng wie die von Arzneien zu regeln.

Register als Frühwarnsystem

In Deutschland müsste dies, so die Grünen-Forderung für die nationale Gesetzgebung, zu einer frühen Nutzenbewertung von Neuen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden und den darin verwendeten implantierbaren Medizinprodukten führen.

Einig sind sich Fraktionen, Ärzte und Hersteller darin, dass Register, auch europaweite, die Langzeitüberwachung stärken und "Ausreißer in der Versorgung" identifizieren können.

Für die Deutsche Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) ist das von Fachgesellschaften, von Kassen und dem Herstellerverband getragene Endoprothesenregister ein Frühwarnsystem, das eine Art früher Nutzenbewertung ermögliche. Das Register soll im zweiten Halbjahr 2012 endgültig eingeführt werden.

Die Christdemokraten regen ferner an, das Risikomanagement unter die Lupe zu nehmen und Mängel bei den Meldepflichten künftig zu sanktionieren.

Dieser Wink mit dem Zaunpfahl geht in Richtung der Länder und Regierungspräsidien. Das Gesundheitsministerium hatte deren Informationspolitik im PIP-Skandal bereits im Januar scharf kritisiert.

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