Öffentlicher Gesundheitsdienst

Initiative will IT-Aufrüstung im ÖGD beschleunigen

Der Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit legt ein Zehn-Punkte-Programm vor. Das Ziel: Mehr Zeit für Patienten, weniger für organisatorische Täigkeiten.

Veröffentlicht:
Eingang zum Gesundheitsamt. In Deutschland arbeiten nicht alle Ämter mit der gleichen Software. Ein Initiativverbund will den bundeseinheitlichen Einsatz der Software SORMAS vorantreiben.

Eingang zum Gesundheitsamt. In Deutschland arbeiten nicht alle Ämter mit der gleichen Software. Ein Initiativverbund will den bundeseinheitlichen Einsatz der Software SORMAS vorantreiben.

© Stefan Sauer / dpa

Köln. Die Digitalisierung des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD) ist ein wichtiger Baustein in der Bekämpfung der Corona-Pandemie. Eine neue Initiative hat sich zum Ziel gesetzt, Gesundheitsämter dabei zu unterstützen. Gelingen soll das durch die Bündelung von Ressourcen und Know-how.

Der „Innovationsverbund Öffentliche Gesundheit“ (InÖG) hat ein Zehn-Punkte-Programm zur Entlastung der Gesundheitsämter entwickelt. Im Mittelpunkt steht die flächendeckende Einführung der vom Helmholtz-Zentrum für Infektionsforschung entwickelten SORMAS-Software zur Kontaktnachverfolgung.

Der InÖG ist aus dem Hackathon der Bundesregierung #WirVsVirus hervorgegangen, bei dem digitale Lösungen zur Bewältigung der Krise entwickelt wurden. In dem Verbund werde das Fachwissen aus der IT und dem Gesundheitswesen zusammengeführt, sagte einer der Gründer Dr. Tobias Opialla bei einer digitalen Pressekonferenz.

„Wir möchten, dass die Gesundheitsversorgung einfacher und effizienter wird.“ Wesentliche Ziele des Vorstoßes seien die kreis- und länderübergreifende Kontaktnachverfolgung und Ausbruchsermittlung, eine verstärkte der Interoperabilität im ÖGD und die Schaffung einer umfassenden und aktuellen Datengrundlage, um das Lagebild zu verbessern.

Ehrenamtliches Projekt

Das Projekt sei rein ehrenamtlich, es gebe keine kommerziellen Interessen, betonte die Bankerin Dr. Anke Sax von der Initiative CIO Corporate Citizens. CIO steht für Chief Information Officer, also für diejenigen, die in Unternehmen die IT verantworten. CIO Corporate Citizens kooperiert ebenso wie die Björn Steiger Stiftung mit dem InÖG. „Uns treibt das ehrenamtliche Engagement und der Frust, was alles gehen könnte“, erläuterte sie.

Es geht nicht nur um die Infrastruktur in den Ämtern, sondern auch um die Einbindung engagierter Bürger, ergänzte Joachim von Beesten, Geschäftsführer der Björn Steiger Stiftung. „Wir wollen eine Plattform sein, um Best Practice von einem Bundesland ins andere zu übertragen.“

Es gehe nicht darum, die Mitarbeiter aus dem ÖGD zu bevormunden, sagte Achim Löbke vom InÖG. „Wir bieten dem ÖGD eine Hilfe.“ Das werde auch so verstanden.

Plädoyer für den Einsatz von SORMAS

Er sieht es als Erfolg, dass bereits 151 Gesundheitsämter mit SORMAS arbeiten. Die Lösungen, mit denen die anderen Ämter arbeiten, seien nicht per se schlechter, stellte er klar. Aber SORMAS schaffe die notwendige bundesweite Einheitlichkeit und die Möglichkeit des Austausches zwischen den Ämtern. Das müsse den Mitarbeitern in den Gesundheitsämtern erklärt werden.

Mit Hilfe der Software kann das externe Personal, das die Gesundheitsämter bei der Kontaktverfolgung unterstützt, flexibler eingesetzt werden, nannte Opialla einen weiteren Vorteil. „SORMAS ist Homeoffice-fähig.“ Ein weiterer Vorteil des Systems sei, dass es mit offenen Schnittstellen arbeitet.

Die Initiatoren des InÖG setzen auf die praktische Unterstützung der Gesundheitsämter bei der Implementierung von SORMAS. Das reicht von Handreichungen für die Umstellung der Software bis zur Vermittlung von IT-Experten. Gemeinsam mit der Implementierung weiterer digitaler Lösungen ermögliche das die Verlagerung der Dateneingabe hin zu den Bürgern.

Europaweite Vernetzung ist das Ziel

„Man gibt den Gesundheitsämtern damit wieder mehr Zeit, sich wirklich um die Patienten zu kümmern und weniger, um die Administration“, sagte Opialla. Trotz aller Unterstützung wird das ehrgeizige Ziel, SORMAS bis Ende Februar in allen Gesundheitsämtern zu implementieren, wohl kaum zu schaffen sein, erwartet Sax. Dennoch sollte der Druck aufrechterhalten werden, findet Löbke.

Jedes Bundesland, jede Kreisstadt müsse sich dem Ziel der kompletten Digitalisierung verschreiben. Man sollte nach seiner Überzeugung ohnehin nicht nur Deutschland im Blick haben. Die nächste Etappe bis zum Herbst sollte die europaweite Vernetzung sein.

Immerhin arbeiteten in Frankreich schon zwei Drittel der Regionen mit SORMAS und in der Schweiz 90 Prozent der Kantone. „Wenn man die Software Stück für Stück verbessert, hat sie ein Riesenpotenzial. Das ist wirklich eine einmalige Chance“, betonte Löbke. (iss)

Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

© Janssen-Cilag GmbH

Video

Wie patientenzentriert ist unser Gesundheitssystem?

Höhen- oder Sturzflug?

© oatawa / stock.adobe.com

Zukunft Gesundheitswesen

Höhen- oder Sturzflug?

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

© MQ-Illustrations / stock.adobe.com

Digitalisierung

Patientenzentrierte Versorgung dank ePA & Co?

Verschiedene Gesichter

© Robert Kneschke / stock.adobe.com / generated with AI

Seltene Erkrankungen

GestaltMatcher – Per Gesichtsanalyse zur Orphan Disease-Diagnose

Künstliche Intelligenz gilt auch in der Medizin als Schlüsseltechnologie, mit deren Hilfe zum Beispiel onkologische Erkrankungen stärker personalisiert adressiert werden könnten.

© Kanisorn / stock.adobe.com

EFI-Jahresgutachten 2024 übergeben

KI: Harter Wettbewerb auch in der Medizin

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Umstellung auf Living Guideline

S3-Leitlinie zu Pankreaskrebs aktualisiert

Lesetipps
Gefangen in der Gedankenspirale: Personen mit Depressionen und übertriebenen Ängsten profitieren von Entropie-steigernden Wirkstoffen wie Psychedelika.

© Jacqueline Weber / stock.adobe.com

Jahrestagung Amerikanische Neurologen

Eine Frage der Entropie: Wie Psychedelika bei Depressionen wirken

Gesundheitsminister Lauterbach hat angekündigt, den Entwurf für die Klinikreform am 8. Mai im Kabinett beraten lassen zu wollen. 

© picture alliance / Geisler-Fotopress

Großes Reformpuzzle

So will Lauterbach den Krankenhaus-Sektor umbauen