Studie in Suhl

Kammer-Präsident machte bei DDR-Arzneitest mit

An den Arzneitest von Westfirmen in der DDR hat auch Thüringens Kammerchef Mathias Wesser teilgenommen. Er war Chef einer Studie in Suhl, sagt er selbst - und wehrt sich gegen das Bild "dunkler Machenschaften". An Rücktritt denkt er "im Moment noch nicht".

Von Robert Büssow Veröffentlicht:
In den Wendejahren leitete Thüringens Kammerpräsident Mathias Wesser Arzneimittelstudien.

In den Wendejahren leitete Thüringens Kammerpräsident Mathias Wesser Arzneimittelstudien.

© Landesärztekammer

ERFURT. Der Präsident der Thüringer Landesärztekammer, Dr. Mathias Wesser, ist an den umstrittenen Medikamententests in der DDR beteiligt gewesen.

Wesser, 70 Jahre alt, bestätigte der "Ärzte Zeitung" einen Bericht, demzufolge er 1989/90 als kardiologischer Oberarzt am Klinikum Suhl die Prüfleitung für ein Herzmedikament übernommen hatte.

Nach Angaben des Fernsehsenders MDR fehlte in vielen Fällen das Einverständnis der Patienten. Wesser weist die Vorwürfe zurück: "Ich weiß nicht mehr, ob die Patienten selbst ihr Einverständnis schriftlich oder unter Zeugen gegeben haben. Aber aufgeklärt wurden sie in jedem Fall."

Wesser ist noch heute im Suhl Klinikum tätig und als Landespräsident auch im Vorstand der Bundesärztekammer.

Der "Ärzte Zeitung" sagte er, es habe sich um eine "ganz normale Studie" gehandelt - doppelblind, randomisiert und prospektiv. "Wir haben keine dunklen Machenschaften betrieben. Ich sehe es nicht so, dass wir unsere Patienten verraten und verkauft haben."

Etwa 20 Personen hätten an der Studie für den Blutdrucksenker Ramipril damals teilgenommen. "Das war schon damals ja kein dubioses Medikament. Die ACE-Hemmer waren vom Wirkprinzip bereits bekannt. Im Gegenteil, wir haben es sogar positiv gesehen, dass wir es unseren Patienten zur Verfügung stellen konnten."

Taubert fordert gesamtdeutsche Aufklärung

Es habe damals in der Wendezeit eine gewisse Offenheit für solche Studien mit Westfirmen gegeben. Nach seinen Angaben war er von der damaligen Klinikleitung beauftragt worden, den Versuch zu leiten.

Er habe sich regelmäßig mit anderen an dem Versuch beteiligten Thüringer Kollegen getroffen. Dabei seien auch Todesfälle diskutiert worden.

An Rücktritt denke er "im Moment noch nicht". Dafür sehe er derzeit keinen Anlass. Die Kammer werde sich an der Aufklärung beteiligen.

Die derzeitige Stimmung sei nach seinen Erfahrungen jedoch "überzogen". Straf- und arbeitsrechtlich können die damals beteiligten Ärzte nicht mehr zur Rechenschaft gezogen werden.

Thüringens Gesundheitsministerin Heike Taubert (SPD) forderte eine gesamtdeutsche Aufklärung, bei der auch die Mitverantwortung der Pharmaindustrie thematisiert werden müsse. "Es wäre schon gut, wenn der Bund den Hut aufsetzte und das unabhängig steuert", so Taubert.

Sie begrüßte die Einrichtung eines eigenen Prüfgremiums an der Universitätsklinik Jena. Dies erwarte sie auch von anderen betroffenen Krankenhäusern. "Die Vorgänge machen für mich deutlich, dass in der DDR mitnichten der Mensch im Mittelpunkt stand. Das SED-Regime hat seine Bürger für Devisen verkauft", sagte Taubert.

Keine aktuelle Debatte im Parlament

In Thüringen waren mindestens sechs Hochschulen und Krankenhäuser an den Versuchen beteiligt. Die meisten Tests fanden in verschiedenen Uni-Kliniken in Jena und an der Medizinischen Akademie Erfurt statt.

Außerdem gab es neben Suhl auch Versuche in Gera, Arnstadt und Bad Berka. Der MDR beruft sich dabei auf Recherchen den Medizinhistoriker Rainer Erices von der Universität Erlangen.

Der Medikamentenversuch wurde an insgesamt zwölf ostdeutschen Kliniken durchgeführt. Nach Aktenlage kamen während der Tests zehn Menschen zu Tode. Ob es einen Zusammenhang mit der Versuchsreihe gab, ist unklar.

Eine Debatte im Bundestag über das Thema wird es in dieser Woche nicht geben, teilte die Grünen-Fraktion am Dienstag mit. Die Grünen hatten am Montag dazu eine "Aktuelle Stunde" beantragt, konnten sich damit als kleinste Fraktion im Bundestag aber nicht durchsetzen.

Der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen-Fraktion, Volker Beck, hatte gefordert, das mutmaßliche "Outsourcing von Medizinversuchen muss gesellschaftlich geächtet werden."

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