Kassen fehlen 2010 rund vier Milliarden Euro

Das Defizit des Gesundheitsfonds dürfte 2010 noch etwas größer werden als bislang prognostiziert.

Von Bülent Erdogan Veröffentlicht:
Geld ist knapp im Gesundheitsfonds.

Geld ist knapp im Gesundheitsfonds.

© Foto: Reinhold Fögerwww.fotolia.de

BERLIN. Den Kassen fehlen im kommenden Jahr rund 400 Millionen Euro mehr als im Oktober prognostiziert. Am Mittwochabend legte der Schätzerkreis von Bundesregierung und Kassen eine revidierte Prognose für 2010 vor. Danach dürften die Aufwendungen der GKV bei 174,3 Milliarden Euro liegen. Die Einnahmen betragen voraussichtlich 171,1 Milliarden Euro. In dieser Rechnung enthalten ist der reguläre Bundeszuschuss von 11,7 Milliarden Euro sowie der kürzlich zugesagte zusätzliche Zuschuss von 3,9 Milliarden Euro. Von den Staatsgeldern fließen allerdings 800 Millionen Euro direkt in die gesetzlich vorgeschriebene Liquiditätsreserve der GKV. Effektiv stünden im Gesundheitsfonds damit also 170,3 Milliarden Euro zur Verfügung. Die Ausgaben der GKV dürften damit also um etwa vier Milliarden Euro höher liegen als die Einnahmen. Im Oktober war der Schätzerkreis noch von einem Defizit von rund 3,6 Milliarden Euro ausgegangen. Kleiner Lichtblick: Für 2009 hoffen die Kassen noch auf in der Prognose nicht veranschlagte Einnahmen von mehreren hundert Millionen Euro aus Zinsen oder von Beiträgen von vor 2009. Zudem ist nicht auszuschließen, dass es auch bei den Beitragseinnahmen 2010 zu positiven Überraschungen kommen könnte. Zudem verfügen die Kassen noch über Rücklagen von circa fünf Milliarden Euro. Dennoch forderte die Chefin des GKV-Spitzenverbandes, Dr. Doris Pfeiffer, Bundesgesundheitsminister Dr. Philipp Rösler auf, die Ausgaben für Ärzte, Kliniken und Arzneimittel zu senken."Es ist gut und richtig, dass die Politik den Steuerzuschuss um 3,9 Milliarden Euro auf dann insgesamt 15,6 Milliarden Euro im kommenden Jahr erhöhen will. Sich allein auf die Einnahmenseite zu konzentrieren, wird jedoch nicht reichen. In den für Beitragszahler wirtschaftlich schwierigen Zeiten kann es nicht sein, dass die Einnahmen von Pharmaindustrie, Ärzten und Krankenhäusern ungebremst steigen", so Pfeiffer. Gelinge es nicht, die Ausgaben bei gleichbleibender Versorgungsqualität zu senken, müssten viele Krankenkassen die erwartete Milliardenlücke durch Zusatzbeiträge schließen. Auch die SPD-Politikerin Elke Ferner forderte konkrete Schritte zur Kostendämpfung. "Vor dem Hintergrund der größten Wirtschaftskrise aller Zeiten und damit verbunden einem Defizit bei den Krankenkassen von vier Milliarden Euro müssen Minister Rösler und die schwarz-gelbe Koalition handeln - anstatt die Hände in den Schoß zu legen." Die Entwicklung für 2010 sei bereits im Oktober absehbar gewesen, so Ferner. "Aber die schwarz-gelbe Koalition inszeniert lieber ideologische Grabenkriege um die unsoziale Kopfprämie, die ohnehin nicht zu finanzieren ist." Die gesundheitspolitische Sprecherin der FDP, Ulrike Flach, dagegen sieht ihre Partei in der Forderung nach einem Systemumstieg bestätigt. "Wer den Beitragssatz der Krankenkassen festschreibt und damit die Möglichkeiten zu kreativen Verträgen drastisch verengt, wer gleichzeitig mehr Geld für Krankenhäuser und Ärzte zubilligt, um eine gute Versorgung aufrecht zu erhalten, darf sich nicht wundern, wenn dabei ein Defizit herauskommt." Es sei deshalb Zeit für einen Systemwechsel, der den Krankenkassen ihre Beitragsautonomie zurückgebe und der die staatliche Unterstützung auf diejenigen konzentriere, die sie dringend für einen guten Krankenversicherungsschutz benötigten. "Mit diesem Umbau muss so schnell wie möglich begonnen werden. Deshalb wird Anfang des nächsten Jahres die beschlossene Regierungskommission ihre Arbeit aufnehmen", so Flach. Mit ihrer Forderung schüttet Flach Wasser auf die Mühlen der Grünen. "Dass im Gesundheitsfonds nächstes Jahr vier Milliarden Euro fehlen werden, ist Gesundheitsminister Rösler sehr recht", kommentierte die gesundheitspolitische Sprecherin der Grünen im Bundestag, Birgitt Bender, die neuen Zahlen. "Um die Gesundheitsversorgung sicherzustellen, werden die Krankenkassen gezwungen sein, Zusatzbeiträge zu nehmen. Doch diese sind nichts anderes als der erste Schritt zu dem Kopfpauschalensystem, das Rösler anstrebt." Der nächste Schritt stehe 2011 an, so die Grünen-Politikerin. Dann würden sich Rösler und die Koalition daran machen, die Bremsen aus dem Gesundheitsfonds auszubauen, die bisher noch der "freien Fahrt in ein Kopfpauschalensystem" entgegenstünden. "Im Zuge der nächsten Gesundheitsreform will sich die Koalition an der Überforderungsklausel für die Zusatzbeiträge zu schaffen machen und auch an der Regelung, dass die Zusatzbeiträge nicht mehr als fünf Prozent der Finanzmittel des Gesundheitsfonds ausmachen dürfen." Äußerungen des Ministers und anderer Koalitionsvertreter, dass die Kassen erst einmal ihre vermeintlichen Reserven aufbrauchen sollten, bevor sie Zusatzbeiträge verlangen, dürfe man nicht zu ernst nehmen. "Die Zusatzbeiträge sind politisch gewollt."

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