Hintergrund

Konkurrenz im BKK-System - Spalten oder fusionieren?

In Wolfsburg liefern sich zwei Betriebskrankenkassen einen harten Kampf um Volkswagen-Mitarbeiter.

Christian BenekerVon Christian Beneker Veröffentlicht:

Die Entscheidung von Volkswagen, wieder Träger einer eigenen Betriebskrankenkasse für seine Mitglieder zu sein, führt in Niedersachsen zu einem skurrilen Wettbewerb zwischen der Deutschen BKK und der BKK FTE. Sogar die IG Metall und Verdi sind in den Konflikt geschliddert. Nach fünf Jahren hatte sich VW im Juni 2008 aus der Deutschen BKK gelöst und setzt seither wieder auf eine eigene Betriebskrankenkasse, die BKK FTE. "Eine VW-Kasse kann besser auf die speziellen Bedürfnisse von VW-Mitarbeitern eingehen", so Tomas Borm, Chef der BKK FTE zur "Ärzte Zeitung".

VW-Betriebsrat macht für BKK FTE mobil

Mit der neuen Kasse setzen die Autobauer auf die Strukturen der kleinen BKK Fahrzeugtechnik Ebern (FTE) auf und bauen sie aus als neues Auffangbecken für Mitarbeiter von VW, die VW-Rentner und die Angestellten anderer Träger-Unternehmen, wie etwa der VW-Bank. "Derzeit haben wir je nach VW-Standort einen Anteil zwischen sieben und 26 Prozent", sagt Borm. Laut Borm wechseln pro Woche 200 Mitglieder von der Deutschen BKK zur FTE. Ende des Jahres will die BKK FTE bei den VW-Mitarbeitern einen Anteil von 25 Prozent erreicht haben. Lydia Krüger, Sprecherin der Deutschen BKK, sagt dagegen: "Bei den Mitgliedern nimmt der Schwund ab." 20 bis 30 Prozent der Wechselwilligen könnten telefonisch umgestimmt werden. Von den 84 000 VW-Versicherten "sind noch 75 000 bei uns."

Die Kassen kämpfen zäh. Im Oktober vergangenen Jahren eröffnete die BKK FTE in Wolfsburg ein eigenes Kundencenter in Sichtweite zum Büro der Deutschen BKK. Kassen-Mitarbeiter fuhren mit Info-Mobilen auf die Werksgelände und warben für die BKK FTE. Phillip Drinkut, Sprecher der BKK FTE tritt der Aussage entgegen, die neue Kasse habe sich durch die Abspaltung eine günstigere Risikostruktur ihrer Mitglieder verschaffen wollen.

Deutsche BKK sucht ihr Heil in Fusionen

Der VW-Betriebsrat unterstützt die BKK FTE und bietet den Autobauern etwa das "Gesundheitspaket 2009" an. Die IG-Metall Wolfsburg ist ebenso auf Seiten der Kasse. Verwaltungsrats-Chef der BKK FTE ist Jürgen Hennemann, vom Betriebsrat der FTE automotive - und Beiratsmitglied der IG Metall. Für die Arbeitgeberseite steht Jochen Schumm, Personalleiter bei VW, zur Verfügung.

Jede Woche wechseln 200 Mitarbeiter.

Nun hat auch Verdi reagiert, hat sich zur Tarifrunde 2009 aus der gemeinsamen Tarifkommission mit der IG Metall zurückgezogen und wirbt aktiv um die IGM-Mitglieder unter den Beschäftigten der Deutschen BKK: "Verdi steht für einen fairen Wettbewerb innerhalb der GKV. Das Werben für eine bestimmte Kasse gehört von daher nicht zu unseren Aufgaben", heißt es in einem Flugblatt. Die Deutsche BKK indes muss ihr Wachstum anderes organisieren - sie fusioniert. Im Oktober kamen mit der Gothaer BKK mit Sitz in Göttingen viele Kunden dazu. "Wir zählen im Jahr 2008 genau 9782 Mitglieder mehr", so Krüger, "das ist für uns ein Super-Ergebnis." Schwieriger dürfte es bei den Mitarbeitern gewesen sein. Die BKK FTE hatte 105 Fachkräfte der Deutschen BKK abgeworben, um den eigenen Stamm an Personal mit mehr Kompetenz zu versehen. "Wir haben in der Tat Mitarbeiter zum Teil aus wichtigen Positionen und damit Know-how verloren", so Krüger. Wegen "rigoroser Headhunting-Methoden" hatte sich die Deutsche BKK gegen die FTE mit einer einstweiligen Verfügung gewehrt. Seitdem herrscht Ruhe.

Tomas Borm: "Auf dem schwierigen Kassenmarkt macht man es entweder wie die Deutsche BKK und sucht zu fusionieren. Oder man macht es wie wir, Daimler, Ford oder BMW und konzentriert sich auf einen Konzern. Was sich dazwischen bewegt, hat wenig Chancen." Den Chancen der FTE konnte offenbar von außen ein wenig nachgeholfen werden. VW unterstütze die Kasse finanziell nicht, es gebe auch keine andere rechtliche Verbindung zu VW, betonte zwar Borm. Aber sein Sprecher Drinkut bestätigte der "Ärzte Zeitung", dass eine ganze Reihe von Mitarbeitern der BKK FTE "bis zum Jahreswechsel" von der VW-Tochterfirma Autovision bezahlt wurden.

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