Krankenkassen fürchten, geplündert zu werden

Das Bundesgesundheitsministerium hat den Entwurf zum Versorgungsgesetz modifiziert. Die Kassen warnen dennoch: Die Reform werde eine "Gelddruckmaschine für Ärzte", weil die Budgets teilweise entfallen.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Die Krankenkassen sind nach wie vor unzufrieden mit dem Versorgungsgesetzt, auch nachdem die Bundesregierung es modifiziert hat.

Die Krankenkassen sind nach wie vor unzufrieden mit dem Versorgungsgesetzt, auch nachdem die Bundesregierung es modifiziert hat.

© dpa

BERLIN. "Riesentrick", "Gelddruckmaschine für Ärzte" - der GKV-Spitzenverband hatte empört auf den Arbeitsentwurf zum Versorgungsgesetz reagiert.

Die schwarz-gelbe Koalition hat dem Druck der Kassen nachgegeben und in den aktuellen Referentenentwurf eine Kostenbremse eingebaut.

Dort heißt es nun in der Gesetzesbegründung: Es entstehe kein Anspruch der Kassenärztlichen Vereinigungen "auf Vergütung der jeweils abgerechneten Ist-Leistungsmengen im Sinne einer ungedeckelten Einzelleistungsvergütung". Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) schließt daher "Milliardengeschenke für Ärzte" aus.

GKV-Spitzenverband: Honorarplus "ausgerechnet im Wahljahr 2013"

Zuvor hatte der GKV-Spitzenverband mit der Ankündigung, das Versorgungsgesetz könne die Versicherten mit zusätzlichen Milliarden Euro für Ärzte teuer zu stehen kommen, für viel Wirbel gesorgt. Die Kassen hatten im Arbeitsentwurf zum Versorgungsgesetz das Risiko gesehen, dass Vertragsärzte insgesamt einen Honorarzuwachs von bis zu 2,8 Milliarden Euro erzielen könnten.

An einen Zufall mochten die Kassen nicht glauben. Schließlich würde das Honorarplus "ausgerechnet im Wahljahr 2013" realisiert werden, so Verbands-Vize Johann-Magnus von Stackelberg (wir berichteten).

Ziel des Versorgungsgesetz ist es, Ärzte in unterversorgte Gebiete zu locken. Dafür sollen die bisher geltenden Abstaffelungen der Regelleistungsvolumina wegfallen.

Im Arbeitsentwurf gab es dazu einen Passus, der es aus Sicht der Kassen in sich hatte: Die "IST-Leistungsmengen" sollte zur Grundlage für die Berechnung der Arzthonorare genommen werden. Damit würde die Budgetierung "faktisch fallen", hatte von Stackelberg beklagt.

Es bleibe alles beim Alten

Den Kassen zufolge gibt es aber auch jetzt keinen Grund zur Entwarnung. Die Korrekturen seien lediglich "weiße Salbe", zitiert die "Berliner Zeitung" einen großen Kassenverband. Denn im Kern bleibe ja alles beim Alten.

Die Klarstellung sei nur in der Begründung des Gesetzes erfolgt, nicht aber im Gesetzestext selbst. Das habe rechtlich keinen Wert: Es bleibe dabei, dass das Gesetz eine "Gelddruckmaschine für Ärzte" sei.

Aus Regierungskreisen hieß es hingegen, dass man sich derzeit noch in der Abstimmung mit den Ressorts befinde. Daher werde es noch Änderungen im Entwurf geben. Ein Sprecher des Bundesgesundheitsministeriums betonte, dass es im Gesetz eine Formulierung geben werde, die "nicht interpretierbar" sei.

vdek fordert Abbau der fachärztlichen Überversorgung

Derweil hat der Verband der Ersatzkassen (vdek) gefordert, dass mit dem Versorgungsgesetz der Abbau der fachärztlichen Überversorgung "stärker forciert" werden müsse.

"Nahezu 90 Prozent aller fachärztlichen Planungsbereiche sind überversorgt", betonte vdek-Chef Thomas Ballast. Insbesondere "der Verzicht auf preisbezogene Steuerungselemente" verhindere, dass Geld aus überversorgten Gebieten in Gebiete mit Versorgungsmängeln fließe.

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Kommentare
Robert Herrlich 20.06.201118:46 Uhr

Gelddruckmaschine vs. Budgetierung

Es gehört zu den Urängsten der Krankenkassen, alle erbrachten Leistungen ohne jeglichen Deckel vergüten zu müssen. Dies ist verständlich, denn immerhin handelt es sich bei den Gesundheitsleistungen nicht um einen Markt wie jeden anderen, geprägt von Angebot und Nachfrage. Bei medizinischen Leistungen - insbesondere bei ärztlicher Behandlung - gibt es nun mal eher eine angebotsinduzierte Nachfrage. Soll heißen: Der Patient kann in der Regel nicht frei entscheiden, was er nachfragt, sondern er fragt automatisch diejenigen Leistungen nach, die der Arzt ihm im Rahmen der ärztlichen Kunst anbietet und das ist ein weites Feld. Letztlich wird es auch weiterhin nicht ganz ohne "Deckel" gehen, es sei denn, man geht von einer hundertprozentigen Vernunft und Wirtschaftlichkeit der Leistungserbringer aus. An diesen Idealismus dürfte doch wohl keiner glauben. Einen weiteren Spielraum für die Vergütung der ärztlichen Leistungen brächte eine generelle Versicherungsreform: Bürgerversicherung unter Einbeziehung aller Einkommensarten. Das brächte insgesamt mehr, als die jetzige GKV plus PKV leisten. Aber dann müssten ja auch alle Politiker, Spitzenverdiener und Superreiche mit einbezogen werden. Weil das nicht klappt, wird wohl das normale Kassenmitglied alle weiteren Ausgabensteigerungen über Zusatzbeiträge finanzieren müssen. Mal sehen, wie lange sich das die Menschen gefallen lassen.

Karl-Georg Vaith 20.06.201117:23 Uhr

Krankenkassen waren 2010 im Plus !

Was passiert eigentlich mit den Praxisgebühren pro Quartal und mit den Zuzahlungen für Arzneimittel die den Pat. belasten ?

Warum muß der Kranke für die Arzneimittel die er braucht noch
19% MWSt.bezahlen ?

Sogar Hundefutter ist kostengünstiger zu haben !

Warum wird der Arzt für seine Leistungen nicht fair bezahlt ?

Warum bekommt man darauf keine Antwort der Politiker ?

Maximilian Micka 20.06.201107:10 Uhr

Lieber Leser aufgepaßt!

Hier hat jemand eine recht überstürzte Aussage gemacht und dadurch seine tiefsten Beweggründe preisgegeben:

Die Furcht davor den Ärzten für ihre Leistungen angemessenes Honorar zu bezahlen.
Der Hintergedanke, zwar immer mehr Leistung vom Motor zu wollen, aber nicht den Willen oder die Erkenntnis zu haben, daß dies nur durch mehr Sprit oder Öl im Auto von heute zu machen ist. Auch die fehlende Einsicht, daß offensichtlich zu viel Energie in Strukturen verloren geht, die mit medizinischer Versorgung nichts zu tun hat; die Rede ist hier von diversen Verteilerkappen und Kontrollämpchen, um beim Beispiel zu bleiben.

"Gelddruckmaschine für Ärzte"

Diese Äußerung an sich ist eigentlich schon eine Beleidigung! Als ob uns Kassenärzte nichts anderes antriebe, als das übermäßige und vor allem ungerechtfertigte Berechnen von Leistungen. (Legaler?) Betrug ist es, der uns hier untergeschoben und vorgeworfen wird, völlig ignorierend, daß genau die heutigen Abrechnungsmodi Kollegen in diese Situation treiben, um die Praxis und damit Arbeitsplätze und medizinische Versorgung zu erhalten. Morbi-RSA, AKR & Co. werden zu nichts anderem führen, als daß die tatsächlich geleistete Arbeit nichts mehr mit dem zu tun hat, was medizinisch wirklich gerade gefragt und notwendig wäre sondern was sich in Geld auf dem Abrechnungsschein abbilden läßt.

"... fachärztliche Überversorgung..."

Ein geradezu lachhafter Ausdruck, angesichts heutiger Problematiken wie "wochenlanges Warten auf Facharzttermine". Gott sei Dank reguliert sich der Markt gerade selber und läßt etwas Luft aus der "Überversorgung durch Krankenkassen". Auch hier wäre übrigens ein forcierter Abbau begrüßenswert.

"ausgerechnet im Wahljahr..."

Keinen Monat zu früh, möchte ich meinen, eher 3 Jahre zu spät, aber wir Ärzte sind ja für unseren Langmut bekannt.

Liebe Kassen, argumentiert nur so weiter, dann brauchen wir in deutschen Landen nicht mehr nach über- und unterversorgten Gebieten suchen, dann ist alles gleichmäßig unterversorgt.

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