Der Standpunkt

Medizin braucht Wettbewerb

Fehlverhalten von Krankenkassen - in den letzten Monaten ist es häufig in den Schlagzeilen. Doch das rächt sich, und dafür sorgt der Wettbewerb. Schließlich ist die Krankenversicherung das einige Sozialsystem, in dem Versicherte wählen können - zugunsten von Kassen mit einem gutem Image, meint Helmut Laschet.

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Der Autor ist stellv. Chefredakteur und Ressortleiter Gesundheitspolitik bei der der "Ärzte Zeitung". Schreiben Sie ihm: helmut.laschet@springer.com

Das Verhalten nicht weniger Krankenkassen gegenüber Versicherten und Patienten, aber auch gegenüber Ärzten oder Pflegediensten wirft die Frage auf, welches Verständnis sie von ihrer Aufgabe im Gesundheitswesen haben.

Tatsache ist: Die Meldungen über Fehlverhalten häufen sich. Beispiele: sehr schleppende Umsetzung der palliativmedizinischen Versorgung seit nunmehr vier Jahren, Leistungsverweigerung durch fast kategorische Antragsablehnung bei den Mutter-Kind-Kuren, unzulängliche Information über Sonderkündigungsrechte bei Erhebung von Zusatzbeiträgen, Abwimmeln von Versicherten der pleite gegangenen City-BKK. Das Sündenregister ist aktenkundig.

Wahr ist aber auch: Es ist nicht die GKV, sondern es sind einzelne Kassen mit ihren handelnden und verantwortlichen Mitarbeitern, denen Fehlverhalten anzulasten ist.

Mitunter - und nicht eben selten auch von ärztlichen Organisationen - wird der Wettbewerb als Ursache genannt. Das wäre richtig, wenn man als Wettbewerb ausschließlich die Durchsetzung egoistischer Interessen verstehen würde - aber gerade dies entlarvt sich auf längere Sicht bei funktionierendem Wettbewerb als Irrtum, der die Existenz kosten kann.

Ein gutes Beispiel dafür ist die City-BKK, die nicht allein wegen ihrer schlechten Risiken, sondern auch an ihrem miserablen Image kaputt gegangen ist.

Dem stehen positive Beispiele gegenüber: etwa die Langfrist-Strategie der AOK, sich als Gesundheitskasse zu profilieren. Es gibt das Beispiel der AOK Baden-Württemberg, alternative Vertragssysteme mit Vorteilen für Patienten und Ärzte aufzubauen.

Die Techniker Krankenkasse, bei der sehr viele Menschen versichert sind, die zur PKV wechseln könnten, positioniert sich als Premiumkasse, sorgsam um gediegene Verhältnisse zu Leistungserbringern bemüht.

Das entscheidende Element in der Gesundheitsversorgung ist die Wahlfreiheit von Patienten und Versicherten. Sie ist der Grund dafür, dass das Vertrauen in die GKV noch gut ist - anders etwa als bei der Rente.

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Kommentare
Dr. Jürgen Schmidt 16.08.201113:57 Uhr

Mir langt''s

Schade, dass die Debatte zu diesem Thema mit einer Spiegelfechterei zu enden scheint.
Aber was in den Kommentarspalten der Ärztezeitung tot geredet wird, bleibt in der Wirklichkeit höchst lebendig.

Dr. Ralf Schrader 15.08.201120:20 Uhr

Wozu Wettbewerb

Mir ist weder einsichtig, warum man Wettbewerb im Gesundheitswesen braucht, noch wozu es heute noch Kankenkassen gibt, welche nicht Bestandteil des Gesundheitswesens sind. Fürst Bismark hat sich die einmal einfallen lassen, nicht um Kosten von Behandlung zu substituieren, sondern Lohnausfallkosten. Die machten damals 97% der Krankenkassenleistungen aus. Politisch hatte Bismark dabei noch ganz andere Ziele, die kann man in jedem Lehrbuch der deutschen Geschichte nachlesen.
Natürlich muss die Gesellschaft, also der Staat, regulieren, was auf Kosten der Gemeinschaft finanziert werden darf. Ausser Regulierung sehe ich kein notwendiges Prinzip. Deshalb muss und kann der Staat die gesamte Finanzierung übernehmen und damit werden Krankenkassen auch als Wettbewerbsträger überflüssig.
Mittelwege haben nie funktioniert. Das Gesundheitswesen muss verstanden werden als ein kooperierendes System von Leistungserbringern, welches das Ziel verfolgt, dem Individuum ein Höchstmass an Teilnahme am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen, so dieses durch individuelle Krankheit in Gefahr gerät.
Damit muss klar sein, was individuelle Krankheit ist. Zurzeit ist das nicht klar. In dem Punkt liegt Systemversagen der Medizin vor, die sich seit Mitte der 70''er Jahre nur noch pragmatisch im Sinne eines Reparaturbetriebes entwickelt hat, ihre Selbstdefinition vergessen hat und Betriebswirten die Deutungshoheit über den Krankheitsbegriff überlassen haben. Da wurde aus Krankheit erst Behandelbarkeit und später wirtschaftliche Behandelbarkeit. In dem Kontext darf man dann auch Wettbwerb einführen. Nur hat das dann nichts mehr mit Medzin und deren Institutionalisierung Gesundheitswesen zu tun.

Dr. Jürgen Schmidt 13.08.201112:55 Uhr

Auf dem Teppich bleiben!

Es lohnt sich - angesichts der Kommentare und trotz weniger Leser - vielleicht doch, die Debatte noch einmal zu vertiefen und zu historisieren.

Wettbewerb im Gesundheitswesen muss nicht erzeugt werden, sondern ist bereits vorhanden. Die Debatte - von Helmut Laschet am Beispiel der Krankenkassen aktualisiert - ließe sich auf zahlreiche Bereiche ausdehnen(wo auch ein selbstkritisches Wort aus der Ärzteschaft angebracht wäre).

Dass Wettbewerb ohne Steuerung - schon die Belohnung ist ja eine solche -nicht funktioniert, ist seit der Zeit des Moralphilosophen Adam Smith, der den Wettbewerb als unsichtbare Hand zum höheren Wohl der Allgemeinheit postuliert hat, bis zu den Vätern der sozialen Marktwirtschaft bis hin zu Attac kaum umstritten. Umstritten sind Ausmaß und Mittel.

Der vom Kommentator Schrader zitierte Volkswirt Binswanger, der inszenierten und überregulierten Wettbewerb und entstehende allokative Fehlsteuerung anprangert, sagt da überhaupt nichts Neues, produziert damit allerdings in zahlreichen Medien eine intellektuelle Kulissenschieberei, die - bezogen auf die Publikationsgewohnheiten im Wissenschaftsbertrieb - genau dem entspricht, was er bei Anderen verurteilt.

Es geht doch schlicht um folgendes: Zwischen fehlender Steuerung einerseits und Fehlsteuerung und Überregulierung andererseits ist der Mittelweg zu finden.

Zu Zeiten des Gesundheitsministers Blüm bekam die Selbstverwaltung Freiraum, zugleich Beschränkungen durch die Ausgabendeckelung, die deshalb zum Leitkriterium für die weitere sozialgesetzliche Ausgestaltung wurde, weil die Selbstverwaltung versagte (woran die Ärzteschaft nicht ganz unschuldig war).
Seehofer war ein konsequenter Regulierer unter dem das Gesundheitswesen mehr gelitten als profitiert hat. Aber auch der Staat hat sich zutiefst in einen Bereich verstrickt, den er nur unvollkommen beherrscht. Aus dieser Regulierungsfalle könnte sich der Sozialstaat nur retten, wenn er sich auch aus der Finanzierung des Gesundheitswesens zurück zöge und die GKV wieder zu einer Versicherung machen würde. Dies steht nicht zu erwarten.

Nun erleben wir jedoch etwas seltsames: Wo der neue liberale Gesundheitsminister Bahr in seinem Gesetzesentwurf mit auslegungsfähigen Regelungen Freiräume für die Selbstverwaltung eröffnet, wird nach stringenter gesetzlicher Ausformung, sprich Regulierung gerufen.
Die - für manche vergoldete - Fesselung ist zur Gewohnheit geworden.
Das darf nicht so bleiben!

Zurück zum Thema Krankenkassen: Hier auf Leistungswettbewerb zu hoffen, würde flexible Beiträge und Wahlfreiheit der Tarife oder Kostenerstattung voraussetzen und Mehrklassenmedizin zur Folge haben. Diese Entwicklung ließe sich nur im Verbund mit einer ausreichenden medizischen Grundsicherung erzeugen, die staatlich finanziert werden müsste, wenn man die Bürger aus der Zwangsversicherung entlassen würde.
Dieses Wagnis wird zur Zeit niemand eingehen wollen.-

Also suchen wir besser weiter nach Mittelwegen, durch Gestrüpp und über Stock und Stein.

Dr. Ralf Schrader 13.08.201104:09 Uhr

Text und Titel

Was hat der Titel mit dem Text zu tun? Selbst wenn Wettbewerb zwischen Krankenkassen sinnvoll wäre, Krankenkassen sind nicht Medizin. Wettbewerb in der Medizin, allgemein als Heilkunst verstanden, hat keinen Sinn. Da sollte kooperiert werden.
Auch im Gesundheitswesen hat Wettbewerb keinen Sinn, denn erstens gehören Krankenkasen auch nicht zum Gesundheitswesen und sind zweitens völlig überflüssig für die Medizin und das Gesundheitswesen. Drittens sollten auch Gesundheitseinrichtungen miteinander kooperieren und nicht in einem Pseudowettbewerb gegeneinander antreten. Dazu empfehle ich das entsprechende Kapitel in Mathias Binswangers: "Sinnlose Wettbewerbe" zu lesen.
Diese Art der Argumentation, möchte immer wieder unterstellen, dass der gesetzlich erzwungene Kommerz um das Gesundheitswesen herum auch nur einen geringsten Bezug zu dem Bedürfnis nach Gesundheit und der Befriedigung dieses Bedürfnisses durch Personen und Einrichtungen des Gesundheitswesen hat.

Dr. Jürgen Schmidt 12.08.201113:17 Uhr

Wettbewerb ist kein Wert an sich

Autor und Kommentator weisen einmal wieder zu Recht und dankenswerterweise darauf hin, dass Wettberwerb kein Wert an sich sei, sondern sich durch die Ergebnisse beweisen muss.

Wahlfreiheit für einen Anbieter ist nur für das Individumm ein Wert an sich, ob die Allgemeinheit etwas davon hat, ist eine ganz andere Frage.

Bei der GKV - halten hunderte fast identisch aufgebauter Einrichtungen mit fast identischen Leistungen kostenträchtige parallele Strukturen vor.

Bei den Krankenkassen nennt man diese Strukturen Wettbewerb, bei Ärzten Überversorgung!

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