Hintergrund

Mehr als 70 Prozent der Frankfurter sterben nicht zu Hause

Wie sterben die Menschen in Deutschlands Großstädten? Das zeigte eine Vorlesungsreihe am Beispiel der Stadt Frankfurt.

Von Pete Smith Veröffentlicht:

Sterben die Menschen in der Großstadt anders als auf dem Land? Wo wird gestorben? Und wer begleitet die Sterbenden auf ihrem letzten Weg? Diesen Fragen ist eine vom Stadtgesundheitsamt Frankfurt am Main veranstaltete Vortragsreihe nachgegangen, deren Referate jetzt gebündelt in einem Buch vorliegen: "Sterben in der Großstadt".

Frankfurt ist mit 660 000 Einwohnern die fünftgrößte Stadt Deutschlands. Sie ist Bankenmetropole und internationale Verkehrsdrehscheibe und hat im Vergleich der deutschen Großstädte den höchsten Anteil an Ein-Personen-Haushalten (52 Prozent); gut ein Drittel der Einwohner haben einen Migrationshintergrund.

Der hohe Ausländeranteil hat einen unmittelbaren Einfluss auf die Sterbestatistik, wie die Frankfurter Soziologin Professor Marianne Rodenstein in ihrem Referat ausführt. Denn hier lebende Ausländer sind im Durchschnitt deutlich jünger als Deutsche, weshalb ihr Anteil an den Sterbenden nur fünf Prozent beträgt. Etwa 38 Prozent der Sterbenden in Frankfurt sind verheiratet, darunter 31 Prozent Frauen und 69 Prozent Männer, weshalb mehr als doppelt so viele Witwen in der Großstadt zurückbleiben wie Witwer.

Viele Notgemeinschaften auf den Dörfern.

Frankfurt gilt als "alte" Stadt, weil hier relativ mehr alte Menschen leben als im Bundesdurchschnitt. Das liegt vor allem daran, dass die jüngere Bevölkerung hoch mobil ist, dass ebenso viele Menschen nach Frankfurt und aus Frankfurt weg ziehen. Wegen der großen Zahl alter Menschen, der hohen Zahl von Drogentoten und der Kriminalitätsrate sterben in Frankfurt prozentual gesehen mehr Menschen als in anderen Großstädten. Trotzdem nimmt die Zahl der jährlich in Frankfurt Sterbenden seit den 1980er Jahren absolut gesehen ab, was vor allem auf die gestiegene Lebenserwartung der Frauen zurückzuführen sei, wie Marianne Rodenstein erläutert. Die Lebenserwartung der Frankfurter Männer dagegen ist in den vergangenen 25 Jahren nahezu konstant geblieben. Als Gründe vermutet die Soziologin die große Zahl der männlichen Drogentoten, die hohe Arbeitslosigkeit, von der in Frankfurt mehr Männer als Frauen betroffen sind, sowie den Wechsel traditioneller Geschlechterrollen, der alte Männer zusätzlich unter Druck setze.

"Wer arm ist, muss früher sterben", konstatiert Rodenstein und belegt dies anhand der Feststellung, dass in ärmeren Stadtteilen Frankfurts häufiger gestorben wird als in jenen, in denen mehr wohl situierte Bürger leben. Insgesamt sterben etwa 30 Prozent der Bürger daheim, gut 60 Prozent im Krankenhaus und zehn Prozent in Pflegeheimen. "Der Tod im Krankenhaus ist in der Großstadt bei der Zunahme der allein lebenden Personen, die keine Angehörigen am Ort haben, sehr wahrscheinlich", so Rodenstein. Davon könne man aber nicht ableiten, dass es "auf dem Dorf noch die Idylle des Sterbens im Kreise der Familie" gebe.

Zwar stürben dort tatsächlich über die Hälfte der Menschen zu Hause. Doch die Pflege der Sterbenskranken werde auf dem Land meist eher als Pflicht angesehen, wodurch sich besondere gesundheitliche Belastungen vor allem für die Töchter der Hochbetagten ergäben. Häufig würden die Angehörigen auch nur deshalb in der Familie gepflegt, weil der Platz im Altersheim nur durch den Verkauf des Anwesens zu bezahlen wäre und so das Erbe der Jüngeren gefährdet. In dieser Zwangssituation, so Rodensteins Fazit, sei eine liebevolle Pflege keineswegs garantiert.

Die Idee, Sterbende bis in den Tod zu begleiten, ist in den vergangenen Jahrzehnten immer wichtiger geworden. Die erste Palliativstation in Deutschland nahm ihre Arbeit 1983 in Köln auf, 1985 wurde in München der Christopherus Hospiz Verein gegründet, 1986 in Aachen das erste stationäre Hospiz. In Frankfurt am Main ist die Geschichte der Hospizbewegung eng mit der Ausbreitung von Aids verbunden. Die Palliativversorgung übernehmen hier im Wesentlichen die Krankenhäuser, von denen einige entsprechende Stationen aufgebaut haben. Darüber hinaus gibt es ehrenamtliche Begleiter, die den Sterbenden sowie deren Angehörigen eine psycho-soziale Unterstützung anbieten.

Renate Bautsch: Sterben in der Großstadt. Ein Beitrag zur Hospizgeschichte in Frankfurt am Main. Mabuse-Verlag. Frankfurt/Main 2008. 150 Seiten. 20 Euro. ISBN 978-3-938304-91-4.

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