Psychisch krank

Menschen wieder ins Berufsleben bringen

Für manche Menschen wird der Arbeitsdruck zu viel - sie werden psychisch krank. Diese Schicksale belasten die Volkswirtschaft. Bei der Wiedereingliederung sollten Betriebsärzte eine wichtige Rolle übernehmen.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Frau an der Wand: Psychisch kranke Menschen sollten so schnell wie möglich wieder in das Berufsleben integriert werden.

Frau an der Wand: Psychisch kranke Menschen sollten so schnell wie möglich wieder in das Berufsleben integriert werden.

© Getty Images / iStockphoto

BERLIN. Hoher Arbeitsdruck, mangelnde Wertschätzung: Für psychisch Kranke kann der Arbeitsalltag zur Dauerbelastung werden. Sie fühlen sich den täglichen Anforderungen nicht mehr gewachsen.

"Depressive Erkrankungen führen zu signifikanten Beeinträchtigungen bei den Betroffenen und zu enormen Kosten für die Gesellschaft", betonte Professor Detlef Dietrich, Repräsentant der European Depression Association in Deutschland (EDA) am Mittwoch in Berlin.

Die EDA ruft gemeinsam mit zahlreichen anderen Organisationen zum 9. Europäischen Depressionstag auf, der am 1. Oktober stattfindet.

Auch bei einem Symposium der Bundesärztekammer und des Aktionsbündnisses Seelische Gesundheit vergangene Woche in Berlin waren psychische Erkrankungen im Berufsalltag Thema.

Aufgrund der demografischen Entwicklung in Deutschland sei es äußert wichtig, Ressourcen zu erhalten, erklärte dort die Neurologin Dr. Annette Haver.

Inzwischen seien psychische Erkrankungen die Hauptursache für vorzeitige Verrentungen. Auch die Zahl der Arbeitsunfähigkeitstage aufgrund einer psychischen Erkrankung hat in den vergangenen Jahren zugenommen.

Der Gesundheitsreport 2012 der Barmer GEK berichtet von einem Plus von 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Die Kosten für die Volkswirtschaft aufgrund der Ausfälle belaufen sich Kassen-Schätzungen zufolge auf mehr als 100 Milliarden Euro pro Jahr.

Experten rechnen damit, dass psychische Erkrankungen bis zum Jahr 2030 zusammen mit Herz-Kreislauf-Beschwerden zu den häufigsten Krankheiten in industrialisierten Ländern werden könnten.

Wiedereingliederung engmaschig betreuuen

Wie aber sollte mit den Betroffenen umgegangen werden? In den Urlaub schicken, damit sie sich entspannen? Davon sei sogar dringend abzuraten, warnen Experten. Schließlich reise die Depression mit.

Zudem habe der Arbeitsplatz auch eine wichtige Bedeutung für die psychische Gesundheit, so Dietrich diesen Mittwoch in Berlin.

Die Wiedereingliederung - der Fachausdruck für die schrittweise Rückkehr an den Arbeitsplatz - sollte so früh wie möglich erfolgen, so Neurologin Haver: "Je länger die Arbeitsunfähigkeitszeit dauert, desto schwieriger wird sowohl aus Sicht des Patienten als auch aus Sicht des Arbeitgebers ein Wiedereinstieg in die Arbeit."

Der Prozess, wenn der Betroffene seine Arbeit wieder aufnimmt, sollte engmaschig vom behandelnden Neurologen oder Psychiater begleitet werden. Aber auch im Unternehmen selbst könnten Betriebsärzte oder der Vorgesetzte Ansprechpartner sein.

Experten nennen hier häufig das sogenannte Hamburger Modell, ein Beispielprojekt, mit dem die stufenweise Wiedereingliederung der Menschen mit psychischer Erkrankung möglich gemacht wird.

Das sei auch deswegen sinnvoll, da psychische Erkrankungen teilweise erhebliche soziale Folgen mit sich zögen, betonte der Arbeitsmediziner, Professor Andreas Weber. Häufig frühre eine Depression auch in die Arbeitslosigkeit.

Aus diesen Gründen sollte auf die Prävention sowie eine frühzeitige Diagnose der psychischen Erkrankung gesetzt werden, forderte Dietrich.

Die schwarz-gelbe Koalition will in diesem Herbst eine Nationale Präventionsstrategie vorlegen. Ein Schwerpunkt soll die betriebliche Gesundheitsförderung sein.

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Kommentare
Gerhard Leinz 27.09.201207:33 Uhr

Einfach nur irrsinnig

Es ist verwunderlich, die Betriebsmedizin klagt über extremen Nachwuchsmangel. Nun sollen Betriebsärzte noch zustätzlich eine komplizierte Aufgabe übernehmen für die sie nicht ausgebildet sind. Nicht nur arbeitsunfähigen psychisch Kranken wird die Fachtherapeutenbehandlung verweigert. Das eigentlich Problem sind die Wartenzeiten für psychisch Kranke. Gerade bei den arbeitsunfähig Kranken zeigt sich wie irrsinnig die Weigerung der Krankenkassen ist zusätzliches Geld zum Abbau der Wartezeiten für diese Gruppe von Betroffenen bereit zu stellen. Lieber Krankengeld zahlen als Psychotherapeuten für die bevorzugte Behandlung dieser Problemgruppe durch Leistungsanreize (Geld) zu motivieren! Es ist erschreckend, das u. a. auch die Bunsesärztekammer sich nicht für Gerechtigkeit (Anrecht auf Fachterapeutenbehandlung !) für psychisch Kranke vehement einsetzt.
Gerhard Leinz
Facharzt für Psychosomatische Medizin und Psychotherapie
Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie

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