NICE-Bewertungen interessieren in Schottland nicht

Die Evaluierung neuer Arzneimittel ist in Schottland anders geregelt als in England. Das ärgert nicht nur Ärzte, sondern immer häufiger auch Patienten.

Arndt StrieglerVon Arndt Striegler Veröffentlicht:

LONDON. In Großbritannien kommt es offenbar immer öfter vor, dass die Arzneimittelzulassung von Evaluierungsstellen wie dem National Institute of Clinical Excellence (NICE) ernsthaft behindert wird. Das sorgt sowohl die Ärzte als auch Patienten, die eine "Behinderung des Therapiefortschritts durch Bürokraten" befürchten.

© moonrun / fotolia.com

© moonrun / fotolia.com

© moonrun / fotolia.com

Jüngstes Beispiel für die Probleme bei der Zulassung ethischer Arzneimittel im Königreich ist ein neues und innovatives Medikament: Ro-Actemra®) mit dem Wirkstoff Tocilizumab zur Therapie von rheumatoider Arthritis.

Während das Medikament in Schottland von den Ärzten des dortigen staatlichen Gesundheitsdienstes (National Health Service, NHS) frei verordnet werden kann, dürfen Ärzte in England und Wales das Medikament nicht auf NHS-Kosten verschreiben. Das entschied NICE. Begründung: Der Hersteller des Arzneimittels habe es bislang versäumt, die Kosteneffizienz des Wirkstoffs zu belegen. Laut NICE kostet die Therapie mit dem Wirkstoff pro Patient und Jahr rund 9000 Pfund (umgerechnet rund 11 000 Euro). In England und Wales könnten nach Schätzungen von Experten rund 37 000 Patienten von dem Arzneimittel profitieren.

"Das kuriose an dem Fall ist, dass das Präparat in Schottland frei verordnet werden darf", so ein Sprecher des Arzneimittelherstellerverbandes (Association of British Pharmaceutical Industry, ABPI) im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung" in London. Die Evaluierung neuer Arzneimittel ist in Schottland anders geregelt als in England, NICE hat in Schottland nichts zu sagen. Das ärgert Ärzte und Patienten.

Ein Sprecher des englischen Patientenverbandes (Patients Association, PA) sprach von "Arzneimittel-Apartheid". "Es ist ungerecht und unlogisch, dass ein Patient in England das neue Medikament nicht erhalten kann, während ein Patient in Schottland in den Genuss des Mittels kommt." Die PA verlangt, dass NICE seine Entscheidung nochmals überprüft und revidiert. Ähnlich die Reaktionen innerhalb der britischen Ärzteschaft. Ärzte berichten, dass Patienten inzwischen nach Schottland umzögen, damit sie dort mit Ro-Actemra® therapiert werden können. Gesundheitsverwaltungen in England sind gesetzlich nicht verpflichtet, Arzneimittel mit negativer NICE-Bewertung auf Staatskosten zu verschreiben.

Auch in anderen Therapiebereichen gibt es Unterschiede: Viele onkologische Präparate sind in Schottland auf Staatskosten erhältlich, in England aber nicht.

Jetzt abonnieren
Schlagworte:
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Befragung in 22 Ländern

STADA-Report: Anteil der Vorsorge-Muffel ist gestiegen

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Gegen unerwartete Gesprächssituationen gewappnet

Tipps für MFA: Schlagfertigkeit im Praxisalltag

Lesetipps
HSK im Fokus: Der Hauptstadtkongress 2024 findet von 26. bis 28. Juni in Berlin statt.

© Rolf Schulten

Themenseite

Hauptstadtkongress: Unsere Berichte im Überblick

Die Hand eines Labortechnikers mit einem Blutröhrchen und einem Regal mit anderen Proben.

© angellodeco / stock.adobe.com

Morbus Crohn und Colitis ulcerosa

Chronisch entzündliche Darmerkrankung noch vor Ausbruch identifizieren

Bei Leberzirrhose liegt das Risiko für eine Dekompensation im ersten Jahr nach Diagnosestellung bei bis zu 30 Prozent; eine der häufigsten Formen der Dekompensation, Aszites, entwickelt sich im Laufe des Lebens bei bis zu 40 Prozent der Personen mit Leberzirrhose.

© Dr_Microbe / stock.adobe.com

Studie mit über 10.000 Personen

Leberzirrhose: Niedrigere Komplikationsrate unter SGLT-2-Inhibitoren