Nächste Runde im thüringischen Pflegekrieg

Gab es "Geheimverhandlungen" über bessere Löhne für Thüringens Pflegekräfte? Drei Verbände geraten nach Verhandlungen über einen Sondervertrag mit der AOK Plus heftig aneinander.

Von Robert Büssow Veröffentlicht:
Ein Vertrag mit der AOK Plus mischt die Allianz der Pflegeverbände in Thüringen auf. Das Vergütungsniveau soll angehoben werden.

Ein Vertrag mit der AOK Plus mischt die Allianz der Pflegeverbände in Thüringen auf. Das Vergütungsniveau soll angehoben werden.

© erwin Wodicka / panthermedia

ERFURT. Der Streit unter den Pflegeverbänden in Thüringen geht in die nächste Runde. Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste (bpa) hatte zwei Konkurrenzverbänden Profilierungssucht vorgeworfen, weil sie aus den gemeinsamen Verhandlungen mit den Kassen für eine bessere Vergütung ausgestiegen sind. Diese reagieren entrüstet.

Der Arbeitgeber- und Berufsverband Privater Pflege (ABVP) und der Verband Deutscher Alten- und Behindertenhilfe (VDAB) schickten die Kritik in geharnischten Verlautbarungen zurück an den Absender. Von Populismus, Diffamierung, Falschaussagen ist die Rede. Nicht nur hinter vorgehaltener Hand.

Ein "Bärendienst" für die Pflegebranche?

Was bisher geschah: Beide Verbände haben Ende 2011 mit der AOK Plus einen gesonderten Vertrag geschlossen, der eine Steigerung der Vergütung in diesem Jahr von drei Prozent vorsieht. Der bpa gab sich überrumpelt, sprach von "geheimen Verhandlungen", die der gemeinsamen Linie gegenüber den Kassen erheblichen Schaden zugefügt hätten.

Die Anpassung sei viel zu niedrig, nun drohten Insolvenzen und Abwanderung von Fachkräften - ein "Bärendienst" für die Pflegebranche, schimpfte die Vize-bpa-Landesvorsitzende Margit Benkenstein.

Verkehrte Welt, findet VDAB-Bundesgeschäftsführer Thomas Knieling hingegen diese Darstellung. Denn der Alleingang von VDAB und ABVP sei notwendig gewesen, weil der bpa die Verhandlungen torpediert habe.

Konkret geht es um ein gemeinsames Forderungsschreiben aller Verbände an die Pflegekassen, das vom bpa jedoch wochenlang nicht freigegeben wurde, so der ABVP. Die Folge war, dass mehrere Verhandlungstermine mit den Kassen platzten. Daraufhin erst sei es zum eigenständigen Vertrag gekommen.

"Es war aus Sicht des VDAB nicht mehr zu verantworten, einen gemeinsamen Abschluss ausgerechnet durch den größten privaten Interessenverband bpa weiter verschleppen zu lassen", sagt Knieling. Und erst dank und nicht trotz des Vertragsabschlusses sei die Liquidität vieler Einrichtungen gesichert worden. Man habe auch keine "Geheimverhandlungen" geführt, alle Verbände seien informiert gewesen, widerspricht er der Erklärung des bpa.

bpa schiebt schwarzen Peter weiter

"Dieser Verband inszeniert nun einen ,Pflegekrieg‘, der unter Diskriminierung anderer von eigenen Versäumnissen ablenken soll. Der ambulanten Pflege in Thüringen hilft aber kein Populismus", nimmt er kein Blatt vor den Mund. Auch der ABVP wehrt sich.

"Oberstes Ziel war immer eine Erhöhung zu Beginn des Jahres 2012", so Vorstandsmitglied Holger Wilske. Angesichts des niedrigen Vergütungsniveaus sei kurzfristig eine Lösung notwendig gewesen. "Eine kontinuierliche Steigerung ist auf jeden Fall besser als eine Anpassung in einem großen Schritt", beharrt Wilske, man wolle diesen "Weg unbeirrt weiter gehen".

Der bpa schiebt den schwarzen Peter weiter: "Es ist keineswegs so, dass die Verhandlungsführung schuld gewesen ist, sondern das restriktive Verhalten der AOK", sagt der Landesbeauftragte Thomas Engemann. Verzögerungen durch den bpa habe es nicht gegeben.

Verhandlungsergebnis kann nur Zwischenetappe sein

Sowohl VDAB als auch ABVP wollen ihr Vertragsergebnis nur als Zwischenetappe verstanden wissen. Die Vereinbarung ist auf ein Jahr befristet, danach soll der Streit weitergehen - dann möglichst wieder vereint.

Denn das Ziel sei eigentlich identisch, versichert Knieling: Die Schere zwischen den Vergütungsniveaus der Länder soll geschlossen und die Gebührenordnung reformiert werden.

"Ambulante Pflegedienste werden bundesweit durch die Krankenkassen in einem Status chronischer Unterfinanzierung gehalten", sagt VDAB-Geschäftsführer Knieling. "Und in Thüringen ist die Situation besonders prekär."

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