Gastbeitrag
Privatisierung des Pflegerisikos: Irrweg mit Ansage
Wie bleibt Pflege im Alter für die Menschen bezahlbar? Die Privatversicherer setzen auf mehr Vorsorge aus eigener Tasche. Dabei zeigt der „Pflege-Bahr“, wie limitiert das Modell ist. Nötig sind inhaltliche Reformen.
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Noch bezahlbar? Für Bewohner in Pflegeheimen sind selbst zu zahlende Anteile zuletzt noch weiter gestiegen.
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Der Verband der privaten Krankenversicherer (PKV) hat in seinem „10-Punkte-Plan“ wichtige Punkte für eine Pflegereform benannt – wie die bessere Orchestrierung der Pflegeberatung oder die Stärkung der Prävention.
Die Einführung einer verpflichtenden privaten Pflegeversicherung mit dem Pflege+ Modell steht ebenso auf dem Wunschzettel des Verbandes. Getarnt als Rettungskonzept für die Pflege werden dabei klar marktwirtschaftliche Eigeninteressen vertreten.
Zur Erinnerung: Der „Pflege-Bahr“ sollte einst den Durchbruch für die private Pflegevorsorge bringen – staatlich subventioniert mit monatlich fünf Euro. Die Bilanz ist ernüchternd.
Bis Ende 2022 wurden gerade einmal 900.000 solcher Verträge abgeschlossen. Nur rund 1,1 Prozent aller hierzulande Versicherten verfügen über derartige Policen. Und viele der Verträge ruhen.
Pflege+ Modell: Teure Symbolpolitik

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Auffällig bei allen privaten Pflegeversicherungen ist, dass sich die Beiträge über die Zeit deutlich erhöhen. Allein von 2019 bis 2023 waren Steigerungen von 35 Prozent zu beobachten, so die Verbraucherzentralen. Dem Pflege+ Modell könnte das gleiche Schicksal drohen.
Zudem stellt sich die Frage: Wenn die Versicherten verpflichtend, mit Sozialklausel und für die Unternehmen mit Kontrahierungszwang versehen zusätzlich für Zusatzpolicen zahlen sollen, was ist der Mehrwert im Vergleich zu einer (zusätzlichen) Einzahlung in die soziale Pflegeversicherung?
Das Modell lässt aber noch weitere Punkte offen: Bislang würde die Zusatzversicherung nur für Zuzahlungen im Pflegeheim aufkommen. Damit würde der Anreiz, ins Heim zu gehen, stark steigen und sich folglich die Beiträge exorbitant erhöhen.
Ungeklärt ist auch, wie mit alternativen Wohnformen umzugehen ist, die sich nicht mehr eindeutig einem Pflegeheim zuordnen lassen. Schließlich fokussiert das Pflege+ Modell ja ausschließlich auf die stationäre Versorgung. Entsteht dann ein gesetzlicher Anspruch auf einen Heimplatz – aufgrund der Versicherung?
Ein großes Risiko von Pflege+ besteht außerdem darin, dass die Babyboomer, die in den kommenden Jahren in Rente gehen, nur einen reduzierten Versicherungsbeitrag leisten müssen. Sie sind aber die wahre Herausforderung für die Pflegeversicherung.
Besonders defizitär an der Pflege+ Versicherung ist, dass all jene leer ausgehen, die zu Hause gepflegt werden – derzeit 86 Prozent aller Pflegebedürftigen hierzulande. Sie zahlen lange in die Zusatzversicherung ein, profitieren davon aber nicht.
Doch die Kosten für die Pflege zu Hause steigen aufgrund der guten tariflichen Entlohnung der Pflegekräfte ebenso. Nur offenbart sich dieser Umstand nicht an der steigenden Anzahl von Hilfe-zur-Pflege-Empfängern. Viele Betroffene verzichten nämlich lieber auf Leistungen, als Hilfe beim Sozialamt zu beantragen.
Der Stein des Weisen ist das Pflege+ Modell also nicht. Der Fokus sollte daher auf der inhaltlichen Reform der sozialen Pflegeversicherung liegen. Da gäbe es genug Möglichkeiten, um die Versicherten zu entlasten.
Anne-Kathrin Klemm ist seit 1. Juli 2025 Vorstandsvorsitzende des Dachverbandes der Betriebskrankenkassen (BKK).