Kommentar – Arzneiverordnungsreport 2017

Nicht alle Möglichkeiten ausgeschöpft

Helmut LaschetVon Helmut Laschet Veröffentlicht:

Die Vorstellung des Arzneiverordnungsreports 2017 hat der AOK-Bundesverband am Mittwoch genutzt, um für die neue Wahlperiode arzneimittelpolitische Forderungen zu artikulieren. Das ist nachvollziehbar.

Bemerkenswert ist allerdings, dass auf dem Wunschzettel Instrumente stehen, die längst zum Werkzeugkoffer der Selbstverwaltung zählen.

So zum Beispiel die konsequente Nutzung der Festbeträge. Das ist ein seit fast 30 Jahren bewährtes Mittel und spart jährlich mehr als sieben Milliarden Euro. Aber es gibt noch Lücken, so der Heidelberger Pharmakologe Ulrich Schwabe: für Opioidanalgetika geben die Krankenkassen 813 Millionen Euro aus. Das könnte auf gut die Hälfte reduziert werden, wenn der Gemeinsame Bundesausschuss für diese Arzneimittel eine Festbetragsgruppe beschließen würde und sich der Festbetrag am Preis von Morphin orientieren würde, wie Schwabe vorschlägt. Eine solche Kasseninitiative hat es aber nicht gegeben.

Eine noch neue Chance der Ausgabenbegrenzung ist der Biosimilarwettbewerb. Der Umsatz der Nachahmer ist mit 259 Millionen Euro noch verschwindend gering, aber das Marktpotenzial wächst wegen bedeutender Patentabläufe. Es käme auf die Ärzte an, dieses Potenzial zu nutzen. Medizinisch gebe es keine Bedenken und aufgrund der Erfahrungen der vergangenen zehn Jahre kein erhöhtes Risiko, so der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Ärzteschaft Professor Wolf-Dieter Ludwig. Die Krankenkassen hätten die Option, mit den Kassenärztlichen Vereinigungen Zielvereinbarungen abzuschließen, um Biosimilarquoten zu erhöhen. Regionale Schwankungen zwischen unter zehn bis über 50 Prozent zeigen eine sehr heterogene Vertragslandschaft. Da ist Gestaltungsspielraum.

Eine weitere Möglichkeit ist es – und auch dies fordert die AOK – , die Verordnung von Arzneimitteln , die aufgrund einer beschleunigten Zulassung eine geringe oder gar keine Evidenz für einen Zusatznutzen haben, auf Zentren zu beschränken. Prinzipiell kann der Gemeinsame Bundesausschuss dies in Arzneirichtlinien festlegen. Dann müsste aber auch klar sein, was Zentren sind. Just darüber herrscht Streit zwischen dem Spitzenverband der Gesetzlichen Krankenversicherung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft.

Die jüngst von den Krankenkassen gekündigte Vereinbarung basierte auf einem Schiedsspruch. Es ist kaum realistisch, dass der Gesetzgeber solche Detailarbeit der Selbstverwaltung abnimmt. Es gilt, dem Subsidiaritätsprinzip wieder mehr Beachtung zu schenken. Dazu gehört auch Kompromissfähigkeit.

Lesen Sie dazu auch: Neue Arzneimittel: Arzneireport schießt auf Hochpreispolitik

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Zahlen von vfa und IGES

Krebsmedikamente bleiben innovativ – und teuer

Frühe Nutzenbewertung

G-BA: Geringer Zusatznutzen für Nivolumab bei Ösophaguskrebs

Sparanstrengungen in der GKV

MEZIS: Politik muss Pharmaunternehmen mehr in die Pflicht nehmen

Kommentare
Sonderberichte zum Thema

Ist das AMNOG bereit für HIV-Innovationen?

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Gilead Sciences GmbH, Martinsried
Arzneiforschung: Von Innovationen profitieren nicht nur Patienten, sondern immer auch die Gesellschaft als Ganzes.

© HockleyMedia24 / peopleimages.com / stock.adobe.com

Nutzenbewertung

Arznei-Innovationen: Investition mit doppeltem Nutzen

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Verband der forschenden Pharma-Unternehmen (vfa)
AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

© Springer Medizin Verlag GmbH

AMNOG-Verfahren: Plädoyer für ein Update

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: Roche Pharma AG, Grenzach-Wyhlen
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Sie fragen – Experten antworten

Sollte bei Brustkrebs gegen COVID-19 geimpft werden?

Digitale Gesundheitsanwendungen

Regulierungen machen es den DiGA schwer

Müdigkeit, Schwäche, erhöhtes TSH

Fehldiagnose Hypothyreose bringt Frau in Lebensgefahr

Lesetipps
Eine ältere Frau hält sich die Hand an den Kopf.

© pictworks / stock.adobe.com

Kopfschmerzen

Migräne: Welche Therapie bei älteren Patienten möglich ist