Pflegekräfte umgehen deutschen Arbeitsmarkt

Ab 1. Mai sind die Grenzen Europas ein Stück weit offener für Arbeitnehmer aus den östlichen Mitgliedsländern. Die Probleme der Pflege in Deutschland sind damit nicht gelöst, sagen Fachleute.

Von Petra Spielberg Veröffentlicht:
Deutschland wird kein Haupt-Einwanderungsziel sein.

Deutschland wird kein Haupt-Einwanderungsziel sein.

© Franz Pfluegl / Fotolia.com

BRÜSSEL. Am 1. Mai entfallen die Zugangsbeschränkungen für Arbeitnehmer aus den im Jahr 2004 der EU beigetretenen acht osteuropäischen Staaten zum deutschen Arbeitsmarkt.

Fortan können somit auch Fachkräfte aus Estland, Lettland, Litauen, Polen, Slowenien, Slowakei, Tschechien und Ungarn hierzulande zu denselben Bedingungen arbeiten wie deutsche Arbeitnehmer. Bislang benötigten sie hierfür eine spezielle Arbeitserlaubnis.

Auf den Arbeitsmarkt für Ärzte wird die Neuregelung keine spürbaren Auswirkungen haben. Davon geht jedenfalls die Zentrale Auslands- und Fachvermittlung (ZAV) der Bundesagentur für Arbeit in Bonn aus.

Der Grund: Ärzte aus anderen EU-Staaten einschließlich Osteuropa haben über die EU-Richtlinie zur Anerkennung der Berufsqualifikationen längst Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt.

Demnach erkennen die Landesärztekammern im europäischen Ausland erworbene Facharztdiplome in der Regel automatisch an. Diese Möglichkeit haben in der Vergangenheit vor allem Ärzte aus Österreich, Griechenland und Polen genutzt. Die erforderliche Arbeitserlaubnis sei bislang kein Zugangshemmnis gewesen, so Dr. Beate Raabe, Sprecherin der ZAV.

Abrechnung bei EWR-Patienten

Kommen Patienten aus Staaten des europäischen Wirtschaftsraums (EWR) oder der Schweiz in die Praxen, bleiben Ärzte nicht auf den Behandlungskosten sitzen. Ärzte sollten - bei medizinisch notwendigen Leistungen, der fortlaufenden Versorgung von Chronikern und nicht verschiebbaren Früherkennungsuntersuchungen - wie folgt vorgehen: Die Praxis muss eine gültige Europäische Krankenversichertenkarte (EHIC) oder eine Ersatzbescheinigung (PEB) sowie Reisepass oder Personalausweis des Patienten zweimal kopieren. Eine Kopie sowie das vom Patienten ausgefüllte Muster 81 (Erklärung des Patienten) wird an eine - vom Patienten beliebig gewählte - deutsche Krankenkasse gesendet. Die andere Kopie bewahrt der Arzt zwei Jahre auf. Die Kosten für die Behandlung werden dann über die KV nach den Regelungen des Ersatzverfahrens abgerechnet. Der Arzt stellt dazu einen Abrechnungsschein (Muster 5) aus. Ins Adressfeld werden nur Name, Vorname und Geburtsdatum sowie die gewählte Krankenkasse eingetragen. In das Feld "Status" muss der Arzt die Ziffer "10007" einfügen. Zusätzlich sind laut KBV für die Fotokopien die EBM-Ziffer 40144 und für die Versendung der Unterlagen die EBM-Ziffer 40120 berechnungsfähig. Verordnungen von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln erfolgen auf den üblichen Formularen. Hier tragen Ärzte im Adressfeld tragen unter "Status" die Ziffer "10007" ein. Auch bei Überweisungen wird im Statusfeld die Nummer "10007" eingefügt. (reh)

Eine Checkliste finden Sie unter: www.kbv.de (Mediathek)

Ob es ab Mai in der Pflegebranche dagegen zu einem verstärkten Zuzug von ausländischen Fachkräften kommen wird, lässt sich derzeit nur schwer vorhersehen. Der CDU-Europaabgeordnete und Allgemeinarzt Dr. Thomas Ulmer geht davon aus, dass qualifizierte Pflegekräfte andere westeuropäische Länder Deutschland als Arbeitsort vorziehen werden, da diese attraktivere Arbeitsbedingungen böten.

"Da können wir nur spekulieren", meint auch Gisela Bahr-Gaebel, Präsidiumsmitglied des Deutschen Pflegerats. Ein vermehrter Abzug von Personal aus anderen Ländern würde zudem nur schwer vertretbare Löcher in die Versorgung der Heimatländer der Pflegekräfte reißen.

Der Bundesverband Europäischer Betreuungs- und Pflegekräfte (BEBP) weist zudem darauf hin, dass mit der Arbeitnehmerfreizügigkeit die Probleme in der heimischen Pflege und Betreuung keineswegs gelöst würden.

"Woran es in Deutschland wirklich fehlt, ist die Möglichkeit einer bezahlbaren und praktikablen Rund-um-die-Uhr-Betreuung in den eigenen vier Wänden", so Larisa Dauer, Rechtsanwältin und zweite Vorsitzende des BEBP. Der Verband warnt zugleich vor einer möglichen unkontrollierbaren Ausbreitung der Schwarzarbeit in Deutschland.

Für eine umfangreiche oder gar für eine Rund-um-die-Uhr-Betreuung durch eine ausländische Pflegekraft könne sich der Lohn schnell auf mehrere tausend Euro pro Monat summieren. "Die Versuchung, hier mit einem pseudo-legalen Arbeitsverhältnis die hohen Abgaben zu umgehen, ist sehr hoch", sagt Dauer.

Die Arbeitnehmerfreizügigkeit gehört zu den vier Grundfreiheiten der EU für Personen, Waren, Dienstleistungen sowie den Kapital- und Zahlungsverkehr. Beim EU-Beitritt von zehn neuen Mitgliedsstaaten im Jahr 2004 hatte Deutschland von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, den Arbeitsmarkt für Zuwanderer aus Osteuropa befristet abzuschotten.

Diese Übergangsregelungen fallen nun zum 1. Mai weg. Für Rumänien und Bulgarien, die der EU 2007 beigetreten sind, gelten die Übergangsregelungen noch bis 2014 weiter.

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