Praxisgebühr - Ausweichmanöver im Bundestag

Debatte im Bundestag ohne große Auswirkungen: Die Praxisgebühr bleibt wie sie ist - auch, weil die Koalition es nicht zur Nagelprobe kommen lassen will.

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Streit um zehn Euro - auch im Bundestag.

Streit um zehn Euro - auch im Bundestag.

© Iurii Konoval / shutterstock.com

BERLIN (fst). Die Praxisgebühr wird entgegen dem Willen von SPD, Grünen und Linksfraktion nicht abgeschafft. Die Koalitionsmehrheit im Bundestag hat am Freitag nach kontroverser Debatte beschlossen, die Oppositionsanträge an den Gesundheitsausschuss zu überweisen.

Damit vermieden Union und FDP, dass es zur Nagelprobe im Streit über die Praxisgebühr kommt. CDU und CSU wollen - in veränderter Form - an diesem Instrument festhalten.

Die FDP dagegen wirbt, vor allem mit Blick auf die Landtagswahlkämpfe in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen, für die Abschaffung der Gebühr.

Die SPD möchte der Praxisgebühr am liebsten einen "Rote-Hand-Brief" ausstellen, machte der gesundheitspolitische Sprecher Karl Lauterbach in der Debatte klar: "Die Praxisgebühr hat versagt und gehört abgeschafft."

Weder sei die Zahl der Arztbesuche gesunken, noch habe sich ein höheres Kostenbewusstsein der Patienten eingestellt. Auch die dritte Hoffnung, eine Stärkung der Hausärzte als erste Anlaufstation in der Versorgungskette, habe sich nicht erfüllt.

Nun müsse man aus gemachten Fehlern lernen, forderte Lauterbach. Er bezeichnete das Festhalten der Union am 10-Euro-Obolus als "Ideologie".

Jens Spahn, gesundheitspolitischer Sprecher der Union, zieh Lauterbach daraufhin des "Klamauks". Vor zwei Jahren habe die Opposition noch kräftiges Sparen bei allen Ausgabenposten gefordert, nun könne es ihr mit dem Geldausgeben nicht schnell genug gehen, kritisierte Spahn.

Er bezeichnete die Praxisgebühr und andere Formen der Eigenbeteiligung als "Zeichen der Solidarität" im "besten Gesundheitssystem der Welt".

Die Linksfraktion rügte die Haltung der FDP: Die Liberalen lehnten die Praxisgebühr ab, höben im Bundestag aber nicht die Hand, wenn es zum Schwur kommt, kritisierte der Linksabgeordnete Klaus Ernst.

Doppelter Rittberger gegen Schaufenster-Anträge

Mit diesem "doppelten Rittberger" versuche die FDP, die Bürger vor den Landtagswahlen "hinter die Fichte zu führen".

Genüsslich erinnerte die FDP daran, dass die Praxisgebühr seinerzeit vom Sachverständigenrat für die Konzertierte Aktion im Gesundheitswesen empfohlen worden ist. Einer der damaligen Ratsmitglieder: Professor Dr. Karl Lauterbach.

Christine Aschenberg-Dugnus (FDP) bezeichnet die Vorlagen der Opposition als "Schaufenster-Anträge", da sie eigentlich das Ziel verfolgten, der Bürgerversicherung das Feld zu bereiten.

Die Praxisgebühr sei zuletzt 156 Millionen mal in Arztpraxen erhoben worden; der Aufwand dafür addiere sich auf rund zehn Millionen Arbeitsstunden, rechnete Aschenberg-Dugnus vor.

Darüber hinaus mussten gegen säumige Versicherte 1,4 Millionen Mahnverfahren eingeleitet werden. Das habe Verwaltungskosten von 360 Millionen Euro nach sich gezogen, rechnete die FDP-Abgeordnete vor.

Wie eine bürokratieärmere Variante der Gebühr aussehen könnte, sagte sie nicht. Darüber wolle man sich mit dem "geschätzten Koalitionspartner" unterhalten.

Für die Grünen beklagte die Abgeordnete Maria Klein-Schmeink, die Koalitionsfraktionen hätten keine Debatte über die Anträge im Gesundheitsausschuss zugelassen. Es sei selbstverständlich, dass die Abschaffung der Praxisgebühr gegenfinanziert werden müsse.

Diesen Job überlasse die FDP aber ihrem Koalitionspartner, merkte Klein-Schmeink an. Sie vermutete bei der Union ein Spiel über Bande: Man halte an der Praxisgebühr fest, um nicht in Gefahr zu geraten, dass Versicherte durch die unbeliebten Zusatzbeiträge belastet werden.

Nach 90 Minuten stimmte der Bundestag ab und votierte für Überweisung: Im Gesundheitsausschuss könnte demnächst eine Neuauflage der Debatte anstehen.

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