Saarländischer Hausärztetag

Primärärzte gegen das „Coffee-to-go-Syndrom“

Beim saarländischen Hausärztetag wirbt die DEGAM erneut für ein freiwilliges Primärarztsystem. Als Kernproblem wird das Ärzte-Hopping von Jüngeren gesehen: „Wir sind Aldi, die Fachärzte sind Edeka“.

Von Andreas Kindel Veröffentlicht:
Primärarzt, der das Geschehen in der Versorgungskette im Blick hat: Die DEGAM betont die Vorteile einer solchen Versorgungsstruktur.

Primärarzt, der das Geschehen in der Versorgungskette im Blick hat: Die DEGAM betont die Vorteile einer solchen Versorgungsstruktur.

© [M] leremy / Fotolia

Saarbrücken. Der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin (DEGAM), Professor Martin Scherer, hat für einen Ausbau der hausärztlichen Primärarztversorgung geworben – rät von einem Pflichtmodell aber ab.

„Beim freiwilligen Primärarztsystem haben wir sehr gute Evaluationsdaten“, sagte Scherer am vergangenen Samstag beim saarländischen Hausärztetag in Saarbrücken. „Es gibt keinen Grund, von diesem Weg abzuweichen“. Würde man den Zugang zu den Fachärzten nur noch mit hausärztlicher Überweisung erlauben, befürchtet Scherer Widerstände. In der Gesellschaft müsse sich die Überzeugung durchsetzen, dass das Primärarztsystem der richtige Weg ist.

Positive Ergebnisse beir hausarztzentrierter Versorgung

Scherer berichtete in Saarbrücken von positiven Ergebnissen bei der hausarztzentrierten Versorgung (HzV) in Baden-Württemberg: Weniger unkoordinierte Facharzt-Kontakte, geringere Hospitalisierungsrate, weniger Klinikeinweisungen, weniger Komplikationen bei Diabetes.

Über kurz oder lang ist ein Primärarztsystem unausweichlich.

Dr. Michael Kulas, Vorsitzender des saarländischen Hausärzteverbands

Auch das Einsparpotenzial für die Krankenkassen ist nach Scherers Einschätzung hoch, betrage „viele Milliarden Euro“. Auf eine konkrete Zahl wollte er sich aber nicht festlegen.

„Über kurz oder lang ist ein Primärarztsystem unausweichlich“, meinte der Vorsitzende des saarländischen Hausärzteverbandes, Dr. Michael Kulas. Auch er warb aber dafür, den Weg dorthin Schritt für Schritt zu gehen. Einschreibelösungen wie bei der HzV sollten ausgebaut werden. Im Saarland zum Beispiel gebe es noch immer keinen HzV-Vertrag mit der AOK. Immerhin liefen derzeit aber Verhandlungen.

Diskussionsteilnehmer äußerten beim Hausärztetag ihren Unmut über die „Coffee-to-go-Mentalität“ bei vielen Patienten. Die Chipkarte habe diese Einkaufsmentalität noch verstärkt. „Der Patient bedient sich, wie er will“, schimpfte eine Hausärztin. Und ein Kollege pflichtete bei: „Wir sind bloß Aldi, die Fachärzte sind Edeka.“

Unbeliebte Freitagssprechstunden

Besonders unbeliebt, so ein Diskussionsteilnehmer, seien inzwischen die Freitagssprechstunden. Dann kämen die Patienten mit den Befunden von vier Fachärzten und verlangten von ihrem Hausarzt „Erklär‘ mir mal, was ich da habe“.

„Die Älteren gehen ja eher noch zum Hausarzt“, meinte Landeshausärzte-Chef Kulas. Jüngere Patienten dagegen suchten oft zuerst einen Facharzt auf. Sein Vorschlag: Die Krankenkassen sollten bei ihren Bonus-Heften auch diejenigen belohnen, die regelmäßig zum Hausarzt gehen. Gäbe es dafür eine Belohnung, ist sich Kulas sicher, „dann kommen auch die Jüngeren“.

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