Psychisch Kranke warten lange auf einen Therapieplatz

Mehr als zwei Monate dauert es, bis ein psychisch kranker Mensch ein Erstgespräch beim Psychotherapeuten erhält. Das belegt eine aktuelle Studie.

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BERLIN (sun). Psychisch kranke Menschen müssen durchschnittlich mehr als zwei Monate auf einen Therapieplatz warten. Das belegt eine Studie des Lehrstuhls für Medizinmanagement der Universität Duisburg in Zusammenarbeit mit der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV).

Demnach können nur knapp fünf Prozent der 2500 befragten Psychotherapeuten sofort einen Therapieplatz anbieten. Etwa 52 Prozent aller Psychotherapeuten führen eine Warteliste.

Studienleiter Professor Jürgen Wasem kritisierte vor allem die Versorgungssituation in ländlichen Regionen. Diese sei "unzureichender" als in Großstädten. In ländlichen Gebieten warteten psychisch kranke Menschen 68,8 Tage auf ein Erstgespräch mit einem Psychotherapeuten - in einer Großstadt betrage die Wartezeit 62,3 Tage.

Unterschiede in der Versorgung gebe es auch bei Alter und Geschlecht: Vor allem Männer, ältere Menschen und Menschen aus niedrigeren sozialen Schichten erhielten seltener eine Psychotherapie. "Es wäre sinnvoll, die Hemmschwellen dieser Menschen zu untersuchen", so Wasem.

Nach Ansicht des DPtV-Vorsitzenden Dieter Best belegt die Studie eine Unter- und Fehlversorgung in der Psychotherapie. "Wir werden daher zeitnah Vorschläge zur Verbesserung der psychotherapeutischen Versorgung einbringen. Die Vorschläge sollen in das von Bundesgesundheitsminister Philipp Rösler (FDP) geplante Versorgungsgesetz einfließen.

Die Bundespsychotherapeutenkammer hatte erst kürzlich ein Konzept zur Reform der Bedarfsplanung bei Psychotherapeuten vorgelegt (wir berichteten). Kassen verneinen eine psychotherapeutische "Mangelversorgung". Dem GKV-Spitzenverband zufolge sind 98,7 Prozent aller Planungsbereiche überversorgt.

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Kommentare
Dr. Jürgen Thorwart 17.02.201113:38 Uhr

Hauptsache Polemik

Es ist erstaunlich, daß auch Angehörige akademischer Berufe im Gefühl eigener Benachteiligung in den Sog der Polemisierung, des Schwar-weiß-Denkens und der Vereinfachung geraten. Der Kommentar von Dr. Dieter Wettig ist ein schönes Beispiel dafür. Einige Begriffe werden in die Welt gesetzt (Psychologisierung, Pathologisierung und Abhängigkeit von der/m Therapeutin/en)und schon ist die ambulante Psychotherapie - wie sie von einigen tausend ärztlichen und nichtärztlichen PsychotherapeutInnen (PP und KJP) bei psychischen Erkrabkungen durchgeführt wird - diskreditiert.

Ob es nicht doch sinnvoller wäre etwas genauer hinzuschauen?

Dr. Jürgen Thorwart
(PP, Psychoanalytiker DGPT/Freie Institute)
Marktplatz 13
85375 Neufahrn
www.thorwart-online.de
www.schweigepflicht-online.de

Dr. Dieter Wettig 16.02.201107:14 Uhr

Die Psychologisierung der Gesellschaft: Mer Schaden als Nutzen.

Angeblich warten psychisch Kranke mehr als zwei Monate auf einen Therapieplatz, so eine in Zusammenarbeit mit der Deutschen Psychotherapeutenvereinigung (DPtV) erstellte Studie. Man wird der Untersuchung schwerlich Neutralität nachsagen könnnen, denn die DPtV fördert ausnahmslos die Interesse niedergelassener Psychotherapeuten.

Wer so schwer krank ist, daß sofort geholfen werden muss, bekommt aber in Deutschland immer noch sofort Hilfe: Im stationären Bereich.
Die Kassen halten dagegen, daß 98,7 % aller ambulanten Planungsbereiche überversorgt seien.

Wohin die Reise gehen soll, zeigt der Beitrag „Hilft Psychotherapie zu wenig? - Verbände und Kasse im Streit“ aus der ÄZ vom 20.2.2008: Roland Deister vom bvvp: "Es fällt dabei unter den Tisch, dass dies nur ein Zuwachs von 0,33 Punkten, nämlich von 0,55 Prozent auf 0,88 Prozent der gesamten Versicherten bedeutet." Der nachgewiesene Bedarf in der Bevölkerung liege aber mindestens bei sieben Prozent.

Mit anderen Worten: Um diese sieben Prozent zu erreichen, muss das Therapieangebot auf das Achtfache erhöht werden.
Die Psychologisierung und Pathologisierung der Gesellschaft soll also weiter voran schreiten. Das wird nicht nur enorme Summen verschlingen, für die andere schwer arbeiten gehen müssen, sondern den Menschen Schaden zufügen: Sie werden immer mehr abhängig von Profis und 50 stündigen Sitzungen, ohne die kein Problem mehr zu lösen sein wird.

Die Hausärzte aber gucken in die Röhre, obwohl sie am nächsten an den Menschen dran sind: 80 Cent pro Patient pro Quartal für die Psychosomatische Grundversorgung (KVH).

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