Hilfsmittel

Regierung will prüfen, nicht sofort handeln

Bundesgesundheitsministerium und Gesundheitspolitiker nehmen Probleme bei der Hilfsmittelversorgung unterschiedlich wahr. Oppositions- und Regierungsfraktionen klagen, der Preiswettbewerb in Folge von Ausschreibungen sei aus dem Ruder gelaufen.

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BERLIN. Bundesgesundheitsministerium (BMG) und Gesundheitspolitiker nehmen Probleme bei der Hilfsmittelversorgung unterschiedlich wahr. Oppositions- und Regierungsfraktionen machten bei einer Anhörung im Gesundheitsausschuss dringenden Änderungsbedarf geltend - der Preiswettbewerb in Folge von Ausschreibungen sei aus dem Ruder gelaufen.

Das BMG hingegen sieht keinen Grund zur Aufregung. Die Ausgabenentwicklung in der GKV "deutet nicht auf eine restriktive Genehmigungspraxis durch die Krankenkassen hin", schreibt BMG-Staatssekretärin Annette Widmann-Mauz (CDU) in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen-Fraktion.

Ausgaben rasant gestiegen

Binnen zwei Jahren seien die Ausgaben um fast eine Milliarde auf 7,44 Milliarden Euro gestiegen. Man müsse das Augenmerk auf die "Ergebnisqualität der Hilfsmittelversorgung legen. Ob gesetzgeberischer Handlungsbedarf bestehe, "wird die Bundesregierung prüfen".

Die SPD geht indes weiter und hat in einem Positionspapier sieben konkrete Forderungen aufgestellt. Krankenkassen müssten festgenagelt werden, dass eine qualitätsgesicherte Versorgung mit Hilfsmitteln ohne Aufzahlung sichergestellt ist. Die Regierung hat nach eigener Darstellung keine "validen Erkenntnisse", ob Versicherte häufiger als früher aufzahlen müssen.

Keine Daten gebe es auch zur Frage, wie häufig Kassen Hilfsmittelanträge ablehnen. Die Regierung verweist als Beleg ihrer Position auf Beschwerden von Versicherten beim Bundesversicherungsamt (BVA).

Seit 2011 liegt die Zahl der Eingaben bei der Bonner Behörde zwischen 200 bis 300 pro Jahr. Das entspricht relativ konstant sieben bis acht Prozent aller Beschwerden.

Einzig beim Einsatz externer Hilfsmittelberater durch die Kassen zieht die Regierung eine rote Linie: Man spreche sich "gegen den Aufbau einer Parallelstruktur neben dem MDK aus". Denn dieser könne bei komplexen Fällen externe Gutachter einbeziehen.

Viele Klagen von Versicherten gehen auf die Versorgung mit minderwertigen Inkontinenzhilfen zurück. Die dazugehörigen Qualitätskriterien stammen aus dem Jahr 1993.

Hier ist Besserung in Sicht: Seit März liegt eine neue nationale Norm für Inkontinenzprodukte vor. Sie sehe eine neue Prüfmethode vor, mit der "die Lebenswirklichkeit der Versicherten besser berücksichtigt" werde, so das BMG.

Neue Qualitätskriterien geplant

Bis Jahresende würden neue Qualitätskriterien für diese Produktgruppe festgeschrieben. Pro Monat gebe es durchschnittlich drei neue Ausschreibungen im Hilfsmittelsektor. Sie beträfen insbesondere die Produktgruppen Elektrostimulationsgeräte, Inhalations- und Atemtherapiegeräte sowie Inkontinenzhilfen.

Im AOK-System und bei den Ersatzkassen betrage der Umfang der Ausschreibungen zwischen fünf bis zehn Prozent des gesamten Ausgabevolumens für Hilfsmittel, berichtet das BMG.

Es sei immer "erklärte Absicht des Gesetzgebers" gewesen, "dass die mit dem Vertragsprinzip und den Ausschreibungen verbundenen Kosteneinsparungen nicht zulasten der Versorgungsqualität gehen", beteuert die Regierung.

Die Grünen-Fraktion ist mit der Antwort nicht zufrieden. Die Beschwerdezahlen beim BVA "bilden nur die Spitze des Eisbergs ab", erklärt Maria Klein-Schmeink, gesundheitspolitische Sprecherin ihrer Fraktion. "Allen Versicherten muss die notwendige Hilfsmittelversorgung ohne Mehrkosten zugänglich sein", forderte sie.

Dringend müsse Transparenz über Aufzahlungen der Versicherten hergestellt werden. Nötig sei zudem eine regelmäßige Aktualisierung der Qualitätskriterien für das Hilfsmittelverzeichnis sowie eine kontinuierliche Evaluation der Hilfsmittelversorgung durch die Befragung von Patienten. (fst)

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