Apotheker vs. Kassen

Schmerzmittel-Streit eskaliert

Aut-idem-Streit um Schmerzmittel: Seit Monaten verhandeln Apotheker und Kassen. Jetzt sind die Verhandlungen gescheitert. Politiker zeigen sich empört.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Aut idem auf einem normalen Rezept: Im Bereich Schmerztherapie sind die Fronten verhärtet.

Aut idem auf einem normalen Rezept: Im Bereich Schmerztherapie sind die Fronten verhärtet.

© Schilddrüsen-Initiative Papillon

BERLIN. Die Verhandlungen zwischen Apothekern und Kassen darüber, wie starke Schmerzmittel vom Präparate-Austausch ausgeschlossen werden können, sind gescheitert.

Deutscher Apothekerverband und GKV-Spitzenverband waren bereits im Juni von allen im Bundestag vertretenen Fraktionen dazu aufgerufen worden, bis zum 1. August 2013 die Ausnahmen von der Austauschregelung festzulegen.

Jetzt haben jedoch die Apotheker die Gespräche abgebrochen. Sie werfen den Kassen vor, Patienten im Regen stehen zu lassen. Schließlich müssten die Schmerzpatienten nun weiterhin auf eine Regelung warten.

"Wir wollen nun die Schiedsstelle anrufen", sagte ein Sprecher der Bundesvereinigung Deutscher Apothekerverbände (ABDA) der "Ärzte Zeitung".

Nach Angaben der Geschäftsstelle der Schiedsstelle ist bis zum Donnerstagmorgen dort allerdings kein Antrag eingegangen.

Der Streit zwischen Apothekern und Kassen hatte sich darüber entfacht, in welcher Weise die Medikamente von einer Substitution ausgeschlossen werden.

Die Apotheker hatten laut ABDA bereits vor Monaten eine Liste mit 20 Wirkstoffen vorgelegt, die von der Austauschpflicht ausgenommen werden sollten. Der GKV-Spitzenverband hingegen wolle keine Austauschliste, sagte eine Verbandssprecherin der "Ärzte Zeitung".

Gemeinsam mit den Apothekern habe man erst Regeln festlegen wollen, nach denen dann Wirkstoffe ausgesucht werden sollten. "Wir wollen die Liste nicht verhindern, sondern verlässlich machen", so die Sprecherin.

Ärzte können Austausch bereits heute ausschließen

Die Deutsche Schmerzliga und die Deutsche Epilepsie-Vereinigung bekräftigten bereits im März erneut ihre Forderung, dass Antiepileptika und opioid-haltige Schmerzmittel von der Substitutionspflicht ausgenommen werden müssten.

Jeder Therapiewechsel - sei es von einem Originalpräparat auf ein Generikum oder vice versa - gefährde den Behandlungserfolg, so die Verbände.

Im Mai 2011 hatten mehr als 72.000 Menschen mit ihrer Unterschrift die Petition der Deutschen Schmerzliga unterstützt, starke Schmerzmittel von der automatischen Austauschpflicht auszuschließen.

Zum Hintergrund: Seit 2007 sind Apotheker verpflichtet, bei Rezepten das verschriebene Medikament durch ein günstigeres Präparat zu ersetzen, das den gleichen Wirkstoff und die gleiche Packungsgröße hat. Durch das Aut-idem-Kreuz können Ärzte den Austausch ausschließen.

Viele trauten sich aber laut Deutscher Schmerzliga aufgrund befürchteter Regresse nicht. Der Präsident der Deutschen Schmerzliga, Michael Überall, warnte zudem bereits vor Monaten.

Gerade bei Epilepsie- und Schmerzpatienten dauere es lange, bis diese eingestellt seien. Eine Umstellung könne zum Wiederauftreten von Schmerzen oder epileptischen Anfällen führen.

Regierung fordert rasche Einigung

Das Bundesgesundheitsministerium drängt derweil auf eine schnelle Einigung: "Der Ball liegt im Spielfeld der Selbstverwaltung. Wir hoffen, dass es schnell zu einer Einigung kommt", sagte ein Ministeriumssprecher der "Ärzte Zeitung". Leidtragende seien schließlich die Patienten.

Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Jens Spahn, sagte der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung": Wenn die Selbstverwaltung nicht willens oder in der Lage sei, gesetzliche Aufträge umzusetzen, führe sie sich selbst ad absurdum.

"Wir sollten das nach der Wahl schnell gesetzlich regeln, denn solange das nicht geregelt ist, werden Patienten und Ärzte unnötig verunsichert."

Bislang handelt es sich um eine "Kann"-Regelung. Im Paragrafen 129 SGB V heißt es: "Im Rahmenvertrag [...] kann vereinbart werden, in welchen Fällen Arzneimittel nicht [...] ersetzt werden dürfen."

In Deutschland sind der Deutschen Schmerzliga und der Deutschen Epilepsie-Vereinigung zufolge 500.000 Patienten mit Epilepsie und 600.000 Schmerzpatienten betroffen. (Mitarbeit: jvb)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 26.07.201311:49 Uhr

Verhandelt der Bäcker mit seinem Steuerberater über Musik?

Na, da haben sich aber auch zwei Gehörlose über das Musik machen unterhalten und wollten gleichzeitig bei Beethovens Neunter im Chor mitsingen. Was natürlich n i c h t bedeutet, dass ein fasst ertaubter Meister nicht immer noch komponieren könnte. Denn w e d e r der Deutsche Apothekerverband (ABDA) n o c h der GKV-Spitzenverband (SpiBu) verfügen über die notwendige Heilkunde-Erlaubnis n i c h t nur in der Schmerztherapie.

Und hier beginnt der eigentliche Skandal: Es war und ist der Politik, den Gesetzlichen Krankenkassen und auch manchen Apotheken-Funktionären eigentlich vollkommen egal, w i e unsere Patienten ärztlich-medizinisch-pharmakotherapeutisch versorgt werden - Hauptsache billig, verbunden mit maximaler Demontage des Arztberufs!

Diese "Geiz-ist-Geil"-Nummer der beliebigen Generika-(und auch Originalpräparate)-Austauschmöglichkeiten fängt schon damit an, dass jeder Kassenpatient sein in der Apotheke quittiertes Rezept nicht zur belegbaren Qualitätssicherung seiner Arzneimittelversorgung z u r ü c k erhält, z. B. um Preis, Präparate-Namen, Hersteller und Dosierangaben besser überprüfen zu können. Er wüsste dann im ärztlichen Notdienst oder bei der Urlaubsvertretung sogar den N a m e n seines Medikaments und müsste nicht mit Beschreibungen wie rund, klein, weiß und mit einem länglichen Schlitz auf der Rückseite, je nachdem wie die "Pille" gehalten wird, Rätsel aufgeben.

Zum zweiten sollte die Bedeutungs-U m k e h r des Aut-idem-Kreuz, mit dem Ärzte früher semiotisch korrekt den Präparate- und Wirkstoff-Austausch erlaubten, jetzt aber a u s s c h l i e ß e n sollen, zusätzliche Verwirrung schaffen.

Zum dritten sollten ausgerechnet diejenigen, die als Experten für Applikationsformen, Galenik, Pharmakokinetik, Bioverfügbarkeit und pharmakologische Reinheits- bzw. Vergleichbarkeitsprüfungen gelten, sich mit den unsere Patienten/-innen g e m e i n s a m versorgenden Ä r z t e n zusammensetzen. Und nicht mit Medizin-bildungsfernen Schichten der GKV-Funktionärs- und Verwaltungsebenen groß angekündigte Verhandlungen platzen lassen.

Grob zusammengefasst, der Bäcker trifft sich nicht mit seinem Steuerberater, um mit diesem qualifiziert über substanzielle Verbesserungen seiner Brotback-Rezepte zu verhandeln.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund (z. Zt. Gorges du Cians/F)

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