SARS-CoV-2 und die Bundesländer

Scholz drängt auf Vollzug der Corona-Teil-Impfpflicht

Der Streit um die Umsetzung der Corona-Impfpflicht für Praxen, Kliniken und Altenheime wird schärfer: Kanzler Olaf Scholz sieht die Länder in der Pflicht. Pflege- und Kliniklobby halten die Debatte für schräg.

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„Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden. Das ist einer der Vorzüge des deutschen Rechtssystems“: Bundeskanzler Olaf Scholz zur Diskussion über die Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.

„Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden. Das ist einer der Vorzüge des deutschen Rechtssystems“: Bundeskanzler Olaf Scholz zur Diskussion über die Aussetzung der einrichtungsbezogenen Impfpflicht.

© Michael Kappeler/dpa

Berlin. In der Debatte um die Corona-Impfpflicht für Arztpraxen, Kliniken und Pflegeheime pocht die Bundesregierung auf die Umsetzung des Gesetzes. „Wir gehen davon aus, dass Gesetze eingehalten werden. Das ist einer der Vorzüge des deutschen Rechtssystems“, zitierte der stellvertretende Regierungssprecher Wolfgang Büchner am Mittwoch Kanzler Olaf Scholz (SPD).

Zur einrichtungsbezogenen Impfpflicht gebe es eine „gültige“ Gesetzgebung, so Büchner. Diese sei im Dezember von Bundestag und Bundesrat verabschiedet worden. Es seien „explizit“ die Länder gewesen, die den Bund gebeten hätten, eine Teil-Impfpflicht einzuführen. Die Begründung sei stets gewesen, vulnerable Gruppen wie Pflegebedürftige vor Infektion zu schützen.

BMG: Bei Klärungsbedarf offen für Gespräche

Die Länder seien daher am Zug, das Gesetz umzusetzen, sagte Büchner. Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) stehe mit den Ländervertretern im Gespräch, „um eine einheitliche und pragmatische Vorgehensweise sicherzustellen“.

Ein Sprecher von Gesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (SPD) sagte, sollten die Länder noch Abstimmungs- und Klärungsbedarf haben, werde sich der Bund dem nicht verschließen. Auf welcher Ebene solche Gespräche geführt werden könnten, ließ der Sprecher offen.

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Auslöser des Streits um die Teil-Impfpflicht ist die Ankündigung Bayerns, das Gesetz vorerst nicht umsetzen zu wollen. Auch aus der CDU kommen Rufe, das Vorhaben auszusetzen. Die Bundesregierung müsse einsehen, dass die einrichtungsbezogene Impfpflicht momentan kaum „umsetzbar und zielführend“ wäre, teilte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, via Kurznachrichtendienst Twitter mit.

Pflegekammer: „Zickzackkurs“ führt zu Verdrossenheit

Laut Infektionsschutzgesetz müssen Beschäftigte in Krankenhäusern, Pflegeheimen und Praxen bis 15. März vollständig gegen das Coronavirus geimpft sein. Pflegekräfte etwa müssen dem Arbeitgeber dann einen Impfnachweis oder alternativ einen Genesenennachweis oder ein Attest vorlegen, dass sie nicht geimpft werden können. Gegenstand dürfte die einrichtungsbezogene Impfpflicht auch bei der nächsten Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzler Scholz sein. Die Runde will am 16. Februar zusammenkommen.

Scharfe Kritik am Kurs der Union übte der Präsident der Pflegekammer Rheinland-Pfalz, Dr. Markus Mai. Die Debatte sei „unsäglich und schräg“, sagte Mai am Mittwoch. Der „Zickzackkurs der Politik“ schüre „Misstrauen, sodass am Ende das ganze politische System immer mehr in Frage gestellt wird“, warnte Mai.

DKG-Chef Gaß: Es droht maximale Konfusion

Auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Dr. Gerald Gaß, zeigte sich „höchst irritiert“. Es sei allen schon in dem Moment klar gewesen, als das Gesetz formuliert worden sei, dass die Pflicht für die Gesundheitsämter eine Herausforderung sein würde, sagte Gaß am Mittwoch in Berlin. Die DKG sei davon ausgegangen, dass die Bundesländer auf der Fachebene zusammenarbeiteten und auftretende Fragen miteinander klärten.

Dass sich nun einzelne Länder via Pressekonferenz aus der Umsetzung des Gesetzes verabschiedeten, führe zu maximaler Konfusion und dazu, dass die Anstrengungen der Arbeitgeber im Gesundheitswesen, die noch Ungeimpften jetzt noch zur Impfung zu bewegen, maximal konterkariert würden, sagte Gaß. „Wenn ich jetzt Arbeitgeber wäre, wüsste ich nicht, wie ich in Bayern Leute davon überzeugen sollte, sich doch bis zum 15. März idealerweise noch gegen Corona impfen zu lassen, damit man keinen Kontakt zum Gesundheitsamt aufnehmen müsse. Dieses Werben kann man im Prinzip ab heute in Bayern einstellen“, sagte Gaß.

Gewerkschaften: 3G-Regeln wären sinnvoller

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) brachte dagegen einen Alternativvorschlag ins Rennen. „Wir sind nach wie vor für 3G-Regelungen, und auch bei 3G-Regelungen gehen wir davon aus, dass die Sicherheit für die Patienten und für die Beschäftigten gewährleistet wird“, sagte DGB-Chef Reiner Hoffmann am Mittwoch.

„Wenn der Staat eine allgemeine oder eine einrichtungsbezogene Impfpflicht durchführt, kann es nicht sein, dass in diesen Einrichtungen oder Betrieben die Kontrolle erfolgt, dass die Einrichtungen, die Arbeitgeber, quasi Erfüllungsgehilfe des Gesetzgebers werden und damit betriebliche Konflikte entstehen, arbeitsrechtliche Konsequenzen entstehen zulasten der Beschäftigten“, warnte Hoffmann. (hom/af/dpa)

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