Pflegereport

Sehnsucht nach dem Sterben zu Hause

Wunsch und Wirklichkeit variieren stark: Die Mehrheit der Deutschen möchte zu Hause sterben – nur bei 30 Prozent ist dies aber letztlich der Fall, ergibt der aktuelle DAK-Pflegereport zur Palliativversorgung.

Von Martina Merten Veröffentlicht:
Die meisten Menschen sterben immer noch im Krankenhaus.

Die meisten Menschen sterben immer noch im Krankenhaus.

© ArVis / fotolia.com

BERLIN. Sterben ohne Maschinen um sie herum – das wünschen sich 60 Prozent der Deutschen. Tatsächlich sterben jedoch etwa 75 Prozent der Deutschen in Institutionen, sei es im Krankenhaus oder im Pflegeheim, nur eine Minderheit stirbt zu Hause, ergibt der DAK-Pflegereport zur Palliativversorgung, dessen Ergebnisse Professor Thomas Klie vom AGP Institut Sozialforschung an der Evangelischen Hochschule Freiburg am Rande eines DAK-Symposiums in Berlin vorstellte.

Das AGP-Institut, dessen Leiter Klie ist, hat für den Report im Auftrag der DAK erstmals untersucht, welche Wünsche, Vorstellungen und Erfahrungen Menschen haben, wenn es um das Thema Sterben geht.

Die Analyse umfasst die Befragung von 1466 Personen zum Thema, Auswertungen von DAK-Statistiken sowie qualitative Interviews mit Menschen, die sterbende Angehörige begleitet haben.

Lediglich sechs Prozent der Befragten möchten demnach im Krankenhaus oder Pflegeheim sterben. 73 Prozent glauben, zu Hause am ehesten in Würde ihre letzten Stunden verbringen zu können, innerhalb des Personenkreises, der schon einmal Sterbende zu Hause betreut hat, sehen dies 88 Prozent so, heißt es im Bericht.

Pflege bis zum Tod

Mehr als jeder Dritte der Befragten traut sich zu, einen nahen Angehörigen bis zum Tod zu pflegen. Bei Menschen, die bereits Angehörige pflegen, sind es sogar 64 Prozent.

"Die Botschaft ist klar: Die Menschen wollen leben und sterben, wo sie hingehören", sagte Klie. DAK-Chef Professor Herbert Rebscher sieht in den Ergebnissen eine "ausgeprägte Skepsis der Menschen gegenüber der palliativen Versorgung in Kliniken und Heimen".

Zu allem Überfluss verschlinge die stationäre Versorgung mit Hochleistungsmedizin auch noch viel Geld, ergänzte Rebscher. In Zahlen: 64 Prozent der Sterbenden waren im letzten Quartal vor ihrem Tod im Krankenhaus.

Krankenhausaufenthalte in dieser Zeitspanne kosten durchschnittlich 9000 Euro, mit Rettungstransport 11150 Euro, ergaben Berechnungen der OptiMedis AG auf der Grundlage von DAK-Daten aus 2015. Der Anteil von Klinikaufenthalten an den Gesamtkosten in den letzten drei Monaten des Lebens beträgt 83 Prozent.

Kasse kalkuliert 1150 Euro

Das Sterben im häuslichen Umfeld kostet die Krankenkasse dagegen nur etwa 1150 Euro. "Die große Zahl von prämortalen Krankenhauseinweisungen widerspricht dem Grundsatz ‚ambulant vor stationär‘ der Pflegeversicherung", unterstrich Rebscher. Man könne davon ausgehen, dass viele dieser Einweisungen vermeidbar seien.

Um unnötige Krankenhauseinweisungen zu verhindern, müssen alle Beteiligten schlichtweg besser kooperieren, glaubt Klie. Auch sollten pflegende Angehörige noch stärker fachlich unterstützt werden.

Rebscher verwies in dem Zusammenhang auf den DAK-Pflegeguide, eine App, die pflegenden Angehörigen Antworten auf Fragen des Pflegealltags zu geben versucht. Sie enthält Hinweise zur richtigen Pflege anhand von Videos, Infos zu Leistungen, die Angehörigen zustehen, sowie Infos zur Vernetzung mit anderen Betroffenen.

Niedergelassene Ärzte wichtig

Für wichtig hält Klie auch die stärkere Einbindung von niedergelassenen Ärzten in die palliativmedizinische Versorgung. Das Gesetz zur Verbesserung der Hospiz- und Palliativversorgung, das seit Januar in Kraft ist, sieht Verbesserungen für Ärzte vor.

Beteiligen sich niedergelassene Ärzte an der Begleitung Sterbender, gibt es mehr Geld. Grundsätzlich können die Selbstverwaltungspartner im vertragsärztlichen Bereich zusätzlich vergütete Leistungen vereinbaren – zur Steigerung der Qualität der Palliativversorgung, zur Zusatzqualifikation der Haus- und Fachärzte sowie zur Förderung der Netzwerkarbeit.

"Wir müssen das Gesetz jetzt gemeinsam mit Leben erfüllen", betonte der Staatssekretär im Bundesministerium für Gesundheit, Lutz Stroppe.

Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema
Das könnte Sie auch interessieren
Glasglobus und Stethoskop, eingebettet in grünes Laub, als Symbol für Umweltgesundheit und ökologisch-medizinisches Bewusstsein

© AspctStyle / Generiert mit KI / stock.adobe.com

Klimawandel und Gesundheitswesen

Klimaschutz und Gesundheit: Herausforderungen und Lösungen

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein MRT verbraucht viel Energie, auch die Datenspeicherung ist energieintensiv.

© Marijan Murat / dpa / picture alliance

Klimawandel und Gesundheitswesen

Forderungen nach Verhaltensänderungen und Verhältnisprävention

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

© Frankfurter Forum für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen e. V.

Das Frankfurter Forum stellt sich vor

Ein Dialogforum von Fachleuten aus Gesellschaft, Gesundheitspolitik und Wissenschaft

Kooperation | In Kooperation mit: Frankfurter Forum
Kommentare
Sonderberichte zum Thema
Detailansicht eines Windrades: Bringt eine ökologisch nachhaltige Geldanlage auch gute Rendite? Anleger sollten auf jeden Fall genau hinschauen.

© Himmelssturm / stock.adobe.com

Verantwortungsbewusstes Investment

„Nachhaltig – das heißt nicht, weniger Rendite bei der Geldanlage!“

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: der Deutschen Apotheker- und Ärztebank (apoBank)
Protest vor dem Bundestag: Die Aktionsgruppe „NichtGenesen“ positionierte im Juli auf dem Gelände vor dem Reichstagsgebäude Rollstühle und machte darauf aufmerksam, dass es in Deutschland über drei Millionen Menschen gebe, dievon einem Post-COVID-Syndrom oder Post-Vac betroffen sind.

© picture alliance / Panama Pictures | Christoph Hardt

Symposium in Berlin

Post-COVID: Das Rätsel für Ärzte und Forscher

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

© HL

Herbstsymposium der Paul-Martini-Stiftung

Krisenkommunikation war Schwachpunkt in der Pandemie

Sonderbericht | Mit freundlicher Unterstützung von: vfa und Paul-Martini-Stiftung
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Jetzt neu jeden Montag: Der Newsletter „Allgemeinmedizin“ mit praxisnahen Berichten, Tipps und relevanten Neuigkeiten aus dem Spektrum der internistischen und hausärztlichen Medizin.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Übersichtsarbeit zu Grippeimpfstoffen

Influenza-Vakzinen im Vergleich: Nutzen und Risiken

Lesetipps
Sieht lecker aus und schmeckt — doch die in Fertigprodukten oft enthaltenen Emulgatoren wirken proinflammatorisch. Ein No-Go für Patienten mit chronisch-entzündlichen Darmerkrankungen.

© mit KI generiert / manazil / stock.adobe.com

Emulgatoren in Fertigprodukten

Hilfreich bei Morbus Crohn: Speiseeis & Co. raus aus dem Speiseplan!