TV-Kritik

Skandalmache auf dünner Datenbasis

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BERLIN. Zur besten Sendezeit, unmittelbar nach dem "heute-Spezial" zum Flüchtlingsstreit in der Union um 19.40 Uhr, hat das ZDF seinen Zuschauern mit dem Format "Patienten im Visier" einen Dauerskandal auf den Abendbrottisch gekübelt: den angeblichen Sumpf aus Korruption und Betrug im Gesundheitswesen.

Das Machwerk stach durch Pauschalierungen, immens große Zahlen und immer wieder kehrende Verdächtigungen wie die von Transparency hervor. Pi mal Daumen werden da immer wieder die zehn Prozent vom Gesamtvolumen der Gesundheitsleistungen genannt, die durch Betrug und Korruption erwirtschaftet werden sollen. Schon die Basiszahl – 350 Milliarden Euro – wird nicht präzise definiert. Sie enthält nämlich auch Transferleistungen wie Krankengeld, überdies alle privat bezahlten Güter und Dienstleistungen.

Gern hätte man erfahren, was der Frankfurter Staatsanwalt Alexander Badle, der eine der wenigen in Deutschland existierenden Schwerpunktermittlungsbehörden in Sachen Betrug in der Medizin leitet, tatsächlich ermitteln konnte: Gibt es aufgrund der vor drei Jahren neu geschaffenen Straftatbestände der Korruption im Gesundheitswesen vermehrt Ermittlungsverfahren? Wie viele diese Verfahren wurden inzwischen mit einer rechtskräftigen Verurteilung beendet? Gibt es eine Dunkelziffer-Forschung?

Doch statt Fakten und Evidenz blieb der ganze Report bei unpräzisen und pauschalen Behauptungen. Und natürlich der Warnung, dass Ärzte mit Fehlverhalten das Vertrauen ihrer Patienten aufs Spiel setzen.

Aperçu am Rande: Die werbende Industrie scheint das nicht weiter zu stören. Schätzungsweise zwei Drittel der Spots warben für rezeptfreie Medikamente und andere Gesundheitsprodukte. (HL)

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