Sparpaket vor dem Vermittlungsausschuss

Sparen in der GKV, aber wie? Die SPD will Vertragsärzte und Pharma mit im Boot haben

Der Bundesrat zwingt die Koalition in den Vermittlungsausschuss. Gesucht sind zwei Milliarden Euro Einsparvolumen in der GKV. Jetzt beginnen die Taschenrechner-Spiele – und die SPD hat schon Ideen.

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Zwei Milliarden Euro sollen in der Gesetzlichen Krankenversicherung eingespart werden. Taschenrechner und Rotstift sind im Einsatz.

Zwei Milliarden Euro sollen in der Gesetzlichen Krankenversicherung eingespart werden. Taschenrechner und Rotstift sind im Einsatz.

© Gina Sanders / Fotolia

Berlin. Der Bundesrat hat Nein gesagt: Am vergangenen Freitag hat die Länderkammer den Vermittlungsausschuss zum GKV-Sparpaket von Bundesgesundheitsministerin Nina Warken (CDU) angerufen.

Der Schock im politischen Berlin sitzt tief – viele haben eine solche Eskalation wegen eines Zwei-Milliarden-Euro-Pakets nicht erwartet. Die Verunsicherung ist groß: Abhilfe zu schaffen ist allein deshalb dringend, weil die gesetzlichen Krankenkassen eigentlich eine solide Basis für die Aufstellung ihrer Haushalte benötigen – schließlich hatte der Schätzerkreis im Oktober die Summe in seine Prognose schon eingepreist.

Die 2,9 Prozent als durchschnittlicher Zusatzbeitrag für 2026 – ohnehin bereits faktisch überholt durch die nötige Rücklagenbildung der Kassen – wäre damit perdu. Zwei Milliarden Euro entsprechen etwas mehr als 0,1 Beitragspunkten in der GKV. Die Gerüchteküche in Berlin ist groß, und die Rechenspiele haben längst begonnen.

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Daran beteiligt hat sich auch die Arbeitsgruppe Gesundheit der SPD-Bundestagsfraktion. Sie schlägt vor, die Einsparsumme von zwei Milliarden Euro zu verteilen: Krankenhäuser (900 Millionen Euro), Vertragsärzte (400 Millionen Euro), Pharmaindustrie (750 Millionen Euro). Wie konsensfähig ein solcher Vorschlag mit der Unionsfraktion auch immer sein mag – die GKV-Finanzen sind auf dem Verschiebebahnhof gelandet.

„Keine Bereinigung der Gesamtvergütung“

Um einen Sparbeitrag zu Lasten der Vertragsärzte zu mobilisieren, wollen die Sozialdemokraten an sogenannte „Doppelvergütungen“ heran, die im Zuge extrabudgetärer Zuschläge entstehen, wenn Vertragsärzte nach der Vermittlung durch die Terminservicestelle eine rasche Versorgung realisieren.

Die AG Gesundheit zitiert eine von ihr eingeholte Stellungnahme des Bundesgesundheitsministeriums, wonach ein „kontinuierlicher Mengenanstieg der TSS- und Hausarztvermittlungsfälle“ sowie der entsprechenden extrabudgetären Honorarzahlungen zu beobachten sei. Dem stehe aber nach geltender Gesetzeslage „keine Bereinigung der morbiditätsbedingten Gesamtvergütung“ gegenüber.

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Um diese zu vermeiden, war in der vergangenen Legislaturperiode bereits ein fachfremder Änderungsantrag in die Beratungen über das Gesetz zur Stärkung der Gesundheitsversorgung in der Kommune (GVSG) eingebracht worden, der aber nicht umgesetzt wurde.

Jetzt berichtet das BMG den Genossen, es prüfe „derzeit die Aufnahme einer entsprechenden Regelung in ein geeignetes Gesetzgebungsverfahren“. 400 Millionen Euro würde der Einsparbetrag umfassen, mit dem Vertragsärzte zur Kasse gebeten werden sollen.

Sparbetrag wird auf die Hälfte geschrumpft

Bei Krankenhäusern verweist die AG Gesundheit auf eine Kompromissformel, die die Deutsche Krankenhausgesellschaft selbst lanciert haben soll. Demnach könnte der Einsparbetrag durch die Aussetzung der Meistbegünstigungsklausel halbiert werden.

Und zwar dadurch, dass der Mittelwert zwischen der Veränderungsrate (5,17 Prozent) und dem Orientierungswert (2,98 Prozent) als neue Obergrenze eingezogen wird. Statt mit 1,8 Milliarden würden die Krankenhäuser als Folge mit 900 Millionen Euro Sparbeitrag herangezogen.

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Schließlich sollte nach Ansicht der SPD-Gesundheitspolitiker die Pharmaindustrie durch eine befristete Erhöhung des Herstellerabschlags von 7 auf 9,5 Prozent belastet werden. Ein Einsparbetrag von 750 Millionen Euro wäre die Folge. Für die Union, die die Pharmabranche im Medizinforschungsgesetz zur innovativen Leitindustrieindustrie erklärt hat, ein schwer vorstellbarer Schritt. Insgesamt würde das SPD-Spartableau 2,05 Milliarden Euro generieren.

Virchowbund schäumt über „glatte Falschaussagen“

Die ersten Reaktionen – noch vor der Entscheidung des Bundesrats – sprechen Bände, der Virchowbund sieht sich bereits mitten im Verteilungskampf. Dass die SPD von einer „Doppelvergütung“ spreche, sei dreist, befand der Bundesvorsitzende des Virchowbundes, Dr. Dirk Heinrich: „Dies ist eine glatte Falschaussage.“

Es gehe hier um eine bessere Steuerung und schnellere Überweisung von Patienten. „Wer dies abschaffen will, hintertreibt die Ziele der Koalition für eine bessere Patientensteuerung“, so Heinrich.

Baden-Württembergs KV-Vorstandschef Dr. Karsten Braun assistierte und sprach von „Querschüssen, die völlig unnötig sind“. Er fürchtet, die SPD werde auf diesem Wege die Wartezeitenproblematik für Patienten weiter verschärfen. (fst)

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