Der Standpunkt

Sparpaket - unpopulär, aber realistisch

Wolfgang van den BerghVon Wolfgang van den Bergh Veröffentlicht:

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80 Milliarden Euro sollen bis zum Jahre 2014 im Bund eingespart werden. Damit will sich Deutschland ein Stück von seinen gigantischen Schulden befreien. Dieser jetzt vom Bundeskabinett beschlossene Schritt ist richtig, will man künftigen Generationen nicht noch größere Lasten aufbürden, als sie jetzt schon über die Sozialversicherungen zu tragen haben. Doch die Frage ist: Wie stark wird jeder einzelne zur Kasse gebeten?

Verfolgt man die Diskussion der letzten drei Monate, gewinnt man den Eindruck, dass es eine Schieflage gibt: Den vermeintlich Schwächeren wird offenbar mehr zugemutet als den Stärkeren. Einsparungen von 4,3 Milliarden Euro werden aus dem Arbeits- und Sozialministerium erwartet. Und dabei setzt man vor allem den Rotstift bei den Beziehern staatlicher Unterstützungsleistungen an.

Die Ausgaben reduzieren, um so das prognostizierte Elf-Milliarden-Defizit in der GKV zu verringern, will auch der Bundesgesundheitsminister - selbst auf die Gefahr hin, dass liberale Grundprinzipien über Bord geworfen werden. Das Geschrei darüber ist groß. Kaum vernehmbar sind solche Töne, wie sie etwa vom Chef der KBV angeschlagen werden. Denn Andreas Köhler zeigt Verständnis dafür, dass Honorarträume angesichts der gesamten Schuldenlage der Nation nicht erfüllt werden können. Ausdrücklich verweist er darauf, dass es im Entwurf für ein GKV-Finanzierungsgesetz nicht um eine Honorarkürzung geht, sondern um eine Begrenzung des Honorarwachstums.

Das wird vielen Ärzten nicht schmecken. Denn immer noch gibt es den Vorwurf, dass das Honorarplus der letzten Jahre kaum die Defizite der Vorjahre kompensiert hat. Das macht die Situation für Köhler nicht komfortabler. Denn: Wer garantiert ihm, dass die Budgetierung nur für zwei Jahre festgeschrieben wird? Er vertraut auf das Wort des Ministers. Ob das ausreicht, ist angesichts chronisch klammer Kassen fraglich. Köhler sieht sich in einer gesamtgesellschaftlichen Verpflichtung. Das ehrt ihn, wird ihm aber bei seinen Kollegen kaum Zustimmung bringen.

Lesen Sie dazu auch: Interview: "Rösler setzt mit Sparplänen die falschen Signale" Regierung will 82 Milliarden Euro bis 2014 sparen KBV-Chef zeigt Verständnis für neue Budgetierung Köhler: "Die neue Budgetierung muss befristet bleiben"

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 05.09.201012:17 Uhr

Sparen im Gesundheitswesen? Aber mit Verstand, auf Augenhöhe und mit Augenmaß!

Ihr Kommentar, Herr van den Bergh, verschweigt, dass ein für dieses Jahr prognostiziertes Defizit der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) von 11 Milliarden Euro eine reine Luftbuchung ist (Experten gehen konjunkturabhängig von 4-5 Mrd. Euro aus, mit Besserung für 2011). Und wenn dann im Kommentar zum GKV-Finanzierungsgesetz – GKV-FinG - nicht eine einzige Einsparzahl, geschweige denn ein Ziel vom Bundesgesund-heitsministerium (BGM) genannt werden, ist das ministerielle Stümperei!

Herr Kollege Dr. med. Andreas Köhler als Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) vertritt nur noch Facharzt-, Labor-, Medizintechnik- und Großpraxisinteressen. Sein Wehklagen über 7000 fehlende Hausarztstellen ist wirklich scheinheilig, da er der flächendeckenden allgemeinärztlichen Versorgung und dem Hausärzteverband (HÄV) ständig das Wasser abgräbt. Offene Briefe beantwortet Köhler nicht, Gesprächsangebote des HÄV schlägt er aus, Hausärztinnen und -ärzte scheint es für ihn nicht mehr zu geben. Der Sicherstellungsauftrag ist aber löcherig wie ein Schweizer Käse. Auf dem Land herrschen akute, katastrophale Lücken in der hausärztlichen und z. T. auch schon in der fachärztlichen Versorgung.

Und dann wird uns eingeredet, die Hausarztzentrierte Versorgung (HzV), in Bayern und Baden-Württemberg erfolgreich und finanzierbar, könne so im Rest der Republik nicht laufen.

Die Apotheken mit ihrem "Schubladenentgelt" von 8,10 Euro + 3 % vom Umsatz für zigtausende von Billig-Generika, die ohne diesen "Service"-Zuschlag maximal 10 Euro Apothekenumsatz kosten würden, bleiben ungeschoren. Wir Hausärzte sind für die essentielle Grund- und Primärversorgung zuständig und lösen damit bis zu 80 % aller Fälle in der allgemeinmedizinisch-internistischen Praxis, oft auch mit Zusatzqualifikationen. Wir haben nicht zuletzt deshalb nach § 73b SGB V die gesetzliche Lizenz zum Abschluss bundesweiter HzV-Verträge durch den HÄV mit allen GKV-Kassen. Dabei sind wir Alle bereit, mit den dann gewährten Mitteln sparsam, effizient, abwägend und am Patientenwohl orientiert zu agieren.

Medizinische Basisversorgung flächendeckend in Stadt und Land gibt es eben nicht zum Nulltarif! Wie sie ganz richtig schreiben, "den vermeintlich Schwächeren wird offenbar mehr zugemutet als den Stärkeren". Genau das wird mit der Torpedierung der Hausarztzentrierten Versorgung in Deutschland versucht.

Mit kollegialen Grüßen Dr. med. Thomas Georg Schätzler, FAfAM Dortmund

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