Impfpflicht-Debatte im Bundestag

Staatsrechtler: Corona-Impfpflicht keine Frage des Gewissens

Es braucht gesicherte Fakten für eine Abstimmung zur allgemeinen Corona-Impfpflicht, mahnt der Osnabrücker Staatsrechtler Hans Michael Heinig. Noch könnte die Regierung nachliefern, am Mittwoch startet zunächst eine Orientierungsdebatte im Bundestag.

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Eine Person wird im Impfzentrum Berlin-Tegel gegen das Coronavirus geimpft. Der Bundestag debattiert am Mittwoch erstmals ausführlich über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland.

Eine Person wird im Impfzentrum Berlin-Tegel gegen das Coronavirus geimpft. Der Bundestag debattiert am Mittwoch erstmals ausführlich über die Einführung einer allgemeinen Impfpflicht in Deutschland.

© Fabian Sommer/dpa

Osnabrück/Berlin. Vor der Bundestagsdebatte über die Einführung einer Impfpflicht kritisiert der Staatsrechtler Hans Michael Heinig die Informationsbasis für eine entsprechende Abstimmung als unzureichend.

Eine so gravierende Rechtspflicht wie die Impfung gegen das Coronavirus „darf nicht alleine auf Hoffnungen und Wunschvorstellungen beruhen“, schreibt Heinig in einem Gastbeitrag für die „Neue Osnabrücker Zeitung“ (Mittwoch).

Dem Gesetzgeber stehe ein gewisser Prognosespielraum zu, so der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Göttingen. „Aber willkürlich darf er nicht handeln.“

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Ganze Reihe von Fragen vorab zu klären

Heinig forderte die Bundesregierung auf, gesicherte Fakten als Grundlage einer Abstimmung bereitzustellen. Zu klären seien Fragen wie: „Reicht für einen Überlastungsschutz des Gesundheitssystems nicht eine risikoorientierte Impfpflicht, die die schon vorhandene einrichtungsbezogenen Impfpflicht ausweitet und zudem bei einem bestimmten Alter und gewissen Vorerkrankungen greift? Wie stark senkt eine Impfung die Infektiösität? Reicht dieser Impfeffekt aus, um allen eine Pflicht zur Impfung zum Schutz Dritter zuzumuten? Steht der Nutzen für Dritte noch in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs?“

Dies alles seien keine Gewissensfragen, sondern Fragen des Wissens, erklärte der Jurist. „Das vorhandene Fachwissen aufzubereiten und dem Bundestag zur Verfügung zu stellen, ist Aufgabe der Bundesregierung“, schreibt er. Daran ändere auch die Aufhebung der Fraktionsdisziplin nichts.

„Zumindest der Öffentlichkeit ist die Regierung belastbare Antworten auf zentrale Fragen für die Einführung einer weitergehenden Impfpflicht bislang schuldig geblieben“, so Heinig.

Scholz und Lauterbach plädieren für Impfpflicht ab 18

Die Orientierungsdebatte des Bundestags zur Impfpflicht beginnt heute um 15 Uhr. Sie ist für knapp vier Stunden angesetzt. Es sollen Gruppenanträge eingebracht werden, über die dann abgestimmt werden kann.

Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesgesundheitsminister Professor Karl Lauterbach (beide SPD) hatten sich zuletzt für eine Impfpflicht ab 18 Jahren ausgesprochen – allerdings in ihrer Funktion als Abgeordnete. Einen eigenen Gesetzesvorschlag wolle die Regierung nicht vorlegen, so Scholz. Bei der Union war dies auf scharfe Kritik gestoßen. (KNA)

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Kommentare
Dr. Thomas Georg Schätzler 26.01.202220:27 Uhr

Der Staatsrechtler Prof. Dr. jur. Hans Michael Heinig kritisiert zu Recht, dass eine derart gravierende Rechtspflicht wie die auch immer geartete Impfpflicht gegen das Coronavirus „nicht alleine auf Hoffnungen und Wunschvorstellungen beruhen“ darf. Der Inhaber des Lehrstuhls für Öffentliches Recht an der Universität Göttingen warnt, dass der Gesetzgeber nicht willkürlich handeln dürfe.

Offenkundig hat die Bundesregierung ihre Hausaufgaben mit Faktenchecks bisher nicht gemacht. Fragen wie: „Reicht für einen Überlastungsschutz des Gesundheitssystems nicht eine risikoorientierte Impfpflicht, die die schon vorhandene einrichtungsbezogenen Impfpflicht ausweitet und zudem bei einem bestimmten Alter und gewissen Vorerkrankungen greift? Wie stark senkt eine Impfung die Infektiösität? Reicht dieser Impfeffekt aus, um allen eine Pflicht zur Impfung zum Schutz Dritter zuzumuten? Steht der Nutzen für Dritte noch in einem angemessenen Verhältnis zur Schwere des Grundrechtseingriffs?“ bleiben weitgehend unbeantwortet.

„Zumindest der Öffentlichkeit ist die Regierung belastbare Antworten auf zentrale Fragen für die Einführung einer weitergehenden Impfpflicht bislang schuldig geblieben“, beinhaltet den Vowurf des Dilettantismus bei unprofessioneller Unwissenheit der Bundesregierung.

Eine substanzielle Berechnung von Kosten, Nutzen, Risiken, Vor- und Nachteilen bzw. bio-psycho-sozial-kulturellen Auswirkungen, auch im Sinne einer Umweltverträglichkeitsprüfung steht aus. Bund und Länder haben es sträflich versäumt, speziell in den Neuen Medien (TicToc, Instagram, Twitter, Facebook, Telegram, iTunes, Spotify, Deezer, Google Podcast usw.) Vorteile/Sicherheit/Verfügbarkeit der freiwilligen Anti-Corona-Impfungen aktiv zu kommunizieren.


Mf+kG, Ihr Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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