Finanzwissenschaftler Raffelhüschen
Stiftung Marktwirtschaft fordert GKV-Finanzstabilisierung auch mittels Eigenanteil
Selbstbehalte und Leistungseinschränkungen in der Kranken- und Pflegeversicherung hält die Stiftung Marktwirtschaft für den richtigen Weg, um die junge Generation vor weiteren Beitragsanstiegen zu bewahren. Dafür müsse die Politik den Rasenmäher auspacken.
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Würde „seine Generation“ belasten: Wirtschaftswissenschaftler Bernd Raffelhüschen (hier bei einer Pressekonferenz 2019).
© Gregor Fischer / dpa / picture alliance
Berlin. Dass die Lücke zwischen Beitragszahlern und Leistungsempfängern in der Sozialversicherung immer weiter auseinanderklafft, ist bekannt. Für die Bewältigung der damit wachsenden Finanzierungsprobleme hat die Stiftung Marktwirtschaft in Person ihres Vorstandsmitglieds, des Finanzwissenschaftlers Professor Bernd Raffelhüschen aus Freiburg, am Dienstag Lösungsvorschläge für die Gesetzliche Kranken- und Soziale Pflegeversicherung vorgelegt.
Unwirtlich wird es danach für die jetzt nach und nach sich in den Ruhestand verabschiedende Baby-Boomer-Generation, die – aus Sicht der Sozialversicherung – laut Raffelhüschen nicht nur das „Problem“, sondern angesichts zu niedriger Geburtenraten auch „die Verursacherin des Problems“ ist. Ihnen, also „meiner Generation“, die Last der Stabilisierung der Sozialversicherung aufzubürden, sei gerechter als der jungen Generation mit weiter steigenden Beitragssätzen ins Portemonnaie zu greifen.
Selbstbehalt für ambulante Leistungen
Deshalb, so Raffelhüschen, käme nur die „Stärkung der Eigenverantwortung“ in Betracht. Nach dem Konzept des Gesundheitsökonomen bedeutet dies, dass alle zahnärztlichen und -technischen Leistungen aus dem GKV-Leistungskatalog herausgenommen, für nicht-stationäre Leistungen und Arzneimittel ein Selbstbehalt eingeführt und im Krankenhausbereich zum Zwecke der Kostensenkung und Preistransparenz „wettbewerbliche und ordnungspolitische Regeln“ eingeführt werden. „Wir müssen aus Krankenhäusern wieder Unternehmen machen“, sagte Raffelhüschen.
Der Selbstbehalt könne gestaffelt werden, bei 300 Euro beginnen und bei 1.800 bis 2.000 Euro pro Jahr gedeckelt werden. „Gesundheit kostet halt etwas“, so Raffelhüschen. Ein positiver Effekt des Selbstbehalts sei sicher, dass er auch Steuerungswirkung hätte. Die Leute würden „nicht für alle Kleinigkeiten zur Notfallmedizin gehen“. Im Falle einer Reform der GKV-Finanzierung müsse die Politik „mit dem Rasenmäher vorgehen“, Einzelfallgerechtigkeit sei bei so vielen alten Menschen nicht zu erzielen.
Karenzzeit in der Pflege
Für die Pflegeversicherung schlägt die Stiftung Marktwirtschaft die Einführung eines Nachhaltigkeitsfaktors vor. Mit seiner Hilfe würde die „Dynamisierung der Leistungen“ gesteuert, indem das Verhältnis zwischen Beitragszahlern und Pflegebedürftigen berücksichtigt wird. Alternativ könnte auch darüber nachgedacht werden, eine Karenzzeit einzuführen. Mit einer solchen Regelung müssten im ersten Jahr der Pflegebedürftigkeit die Pflegeleistungen aus eigener Tasche bezahlt werden.
80 Prozent der deutschen Bürger sind laut Raffelhüschen „ohne Weiteres“ in der Lage, einen solchen Selbstbehalt in der Pflege selbst zu bezahlen. Diejenigen, die die Kosten nicht aus eigenem Vermögen stemmen könnten, müsse das System „mitschultern“.
Dass das Konzept der Stiftung Marktwirtschaft in der aktuellen Politik auf großes Interesse stoßen wird, glaubt Bernd Raffelhüschen nicht. „Kollege Lauterbach“ werde wohl weitermachen wie bisher. Denkbar sei, dass im kommenden Jahr die GKV-Beitragssätze richtig erhöht werden, „damit man im Wahljahr nichts machen muss“. Mit seinen Vorschlägen sei es möglich, die Krankenversicherungsbeiträge langfristig bei etwa 15 Prozent zu halten. (juk)