Transplantationsskandal: War es fahrlässige Tötung?

Neuer Wirbel im Skandal um Leberspenden: Die Uniklinik Göttingen hat jetzt einen Arzt suspendiert - damit stolpert ein zweiter Mediziner über die Affäre. Die Staatsanwaltschaft ermittelt wegen fahrlässiger Tötung.

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Unruhige Zeiten in Göttingen. Zwei Ärzte stehen im Verdacht, sich im Zusammenhang mit Transplantationen nicht korrekt verhalten zu haben.

Unruhige Zeiten in Göttingen. Zwei Ärzte stehen im Verdacht, sich im Zusammenhang mit Transplantationen nicht korrekt verhalten zu haben.

© Julian Stratenschulte / dpa

GÖTTINGEN (pid/iss/eb). Der Transplantationsskandal am Göttinger Uniklinikum weitet sich aus. Nach den Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Braunschweig besteht der Verdacht, dass neben dem früheren Leiter der Transplantationschirurgie auch ein weiterer leitender Mediziner in die Manipulation von Patientendaten verwickelt war.

Bei dem zweiten Beschuldigten handelt es sich um den Leiter der Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie.

Die neuen Erkenntnisse der Braunschweiger Spezialermittler für Korruptionsstrafsachen haben jetzt auch die Staatsanwaltschaft Göttingen auf den Plan gerufen: Diese hat gegen beide Mediziner ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der fahrlässigen Tötung eingeleitet.

Die Göttinger Universitätsmedizin (UMG) hat aufgrund der neuen Vorwürfe den leitenden Mediziner am Donnerstag suspendiert.

Einfluss auf den Meld-Score genommen

Man habe einvernehmlich vereinbart, dass seine Dienstgeschäfte bis zur Aufklärung der Vorwürfe ruhen, sagte UMG-Sprecher Stefan Weller.

Der 60-jährige Medizinprofessor ist seit 20 Jahren am Göttinger Uni-Klinikum tätig. Seit Oktober 1992 leitet er die Abteilung Gastroenterologie und Endokrinologie.

In dieser Funktion sei er mit Voruntersuchungen der Patienten zur Organtransplantation befasst gewesen, sagte am Donnerstag der Sprecher der Staatsanwaltschaft Göttingen, Andreas Buick.

Damit habe er Einfluss auf den so genannten "Meld-Score" von Eurotransplant gehabt. Diese verteilt nach einem festgelegten Kriterienkatalog Spenderorgane an Patienten in ihren acht Mitgliedsländern.

Die Göttinger Ermittler prüfen, ob die beschuldigten Ärzte durch die Manipulation von Patientendaten für einen unberechtigten hohen Meld-Score verantwortlich sind und dadurch andere Patienten starben, weil sie nicht rechtzeitig eine Spenderleber erhielten.

Ermittlungen auch wegen Bestechlichkeit

Anlass für die neuen Ermittlungen ist der Prüfbericht der Untersuchungskommission der Bundesärztekammer. Diese hatte alle Göttinger Lebertransplantationen in den Jahren 2010 und 2011 untersucht.

Dabei ergab sich in 23 Fällen der Verdacht, dass medizinische Daten manipuliert wurden, so dass Patienten bevorzugt zu einer Spenderleber kamen.

Die Göttinger Unimedizin hatte den Bericht am Montag der Staatsanwaltschaft übergeben. Diese ließ daraufhin am Mittwoch die Dienst- und Privaträume des Abteilungsleiters durchsuchen.

Dabei seien zahlreiche Unterlagen sichergestellt worden, sagte Staatsanwaltschaftssprecherin Serena Stamer. Ebenso wie im Fall des Chirurgen gehe es auch hier um den Verdacht der Bestechlichkeit.

Über den ehemaligen Chef der Göttinger Transplantationsmedizin wurden derweil neue Details bekannt.

Vermittlungsagentur entdeckt

Während seiner Zeit am Regensburger Klinikum seien jordanische Patienten verbotenerweise auf die Eurotransplant-Warteliste gesetzt worden, sagte die Sprecherin des Regensburger Klinikums, Cordula Heinrich, am Donnerstag.

Außerdem sei eine Leber in Jordanien transplantiert worden. "Das hätte so nicht sein sollen", sagte sie. Die Missstände in Regensburg waren bei einer Untersuchung der Bundesärztekammerkommission im Jahr 2006 aufgedeckt worden.

Auch die Staatsanwaltschaft hatte damals ermittelt, ihre Untersuchungen aber eingestellt. "Die Klinik hat Konsequenzen aus den Vorfällen gezogen und seitdem ausführliche Richtlinien zur Transplantationen mit Ausländern aufgestellt", erläuterte Heinrich.

Der WDR hat unterdessen berichtet, dass die Vermittlungsagentur, die in den Transplantationsskandal an der Universitätsklinik Göttingen verwickelt ist, im westfälischen Lüdenscheid sitzt.

Dort ermittelt demnach die Staatsanwaltschaft gegen ein Unternehmen, das spezialisiert ist auf die Vermittlung von Behandlungen in deutschen und schweizerischen Krankenhäusern vor allem an russische Patienten.

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