Kommentar zur Corona-Lage

Tyrannei des Sittenverfalls

In der momentanen Corona-Lage nimmt die Aufgeregtheit zu, auch ob der vielen Ungeimpften. Verbalinjurien aber sind fehl am Platze.

Denis NößlerVon Denis Nößler Veröffentlicht:

Was macht diese Pandemie nur aus uns? Drohen wir, den Verstand zu verlieren, die Fassung? Die momentane Corona-Lage sorgt für Anspannung und Nervosität. Das ist angesichts des exponentiellen Fallzahlwachstums nur zu verständlich. Aus Sicht von Medizin und Pflege sind Frustration, Erschöpfung, Verzweiflung nachvollziehbar ob der wieder volllaufenden Intensivstationen. Selbst Ärger, ja Wut über die offenkundig zu geringe COVID-Impfquote wären berechtigt.

Das Gebot der Stunde ist das rasche Schließen von Impflücken. Wenn aber, wie die jüngste Auswertung der COSMO-Studie zeigt, unter den Nicht-Geimpften ein harter Kern sich selbst als „Impfverweigerer“ einstuft, nutzt dann das Prinzip Keule? Werden wir diese Menschen für die Impfung motivieren, wenn wir ihnen vorwerfen, wir Geimpfte seien ihrer „Tyrannei“ ausgesetzt, so wie es der frühere BÄK-Präsident Professor Frank Ulrich Montgomery am Sonntag getan hat?

Wohl nicht. Eher werden wir diese Menschen, Millionen immerhin, mit einer solchen Kommunikation erst recht verlieren. Sie werden sich bestärkt fühlen in ihrer Entscheidung. Schlimmer noch: Eine solche Wir-gegen-die-Logik treibt die Spaltung der Gesellschaft weiter voran. Wir dürfen, nein, wir müssen gesellschaftlich eine größere Resilienz gegenseitig erwarten dürfen.

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Mehr Demut täte uns gut

Dazu zählen pro Impfung gute Argumente und geduldiges Aufklären, Aufklären und nochmals Aufklären. Freilich: Wir könnten als Gesellschaft auch verhandeln, eine Impfpflicht einzuführen. Aber auch das ginge mit dem ruhigen, sachlichen Wort besser als mit Verbalinjurien gegen bisher Ungeimpfte.

Gerade an Vertreter der Ärztinnen und Ärzte darf man diese Erwartung stellen, steht gerade ihr Beruf doch für Menschlichkeit. „Errare humanum est“, irren ist menschlich , sagten die Römer. Und: „sed in errare perseverare diabolicum“, auf seinen Irrtümern zu bestehen ist teuflisch. Das kann für uns alle gelten, ob geimpft oder nicht geimpft, ob Verweigerer oder lauter Kritiker selbiger. Mehr Demut täte uns gut, das anzuerkennen.

„Wir werden in ein paar Monaten wahrscheinlich viel einander verzeihen müssen“, sagte Gesundheitsminister Jens Spahn einst. Das war vor eineinhalb Jahren, die Pandemie hatte gerade erst begonnen. Die Frage ist nur, wie lange wir noch warten wollen, um mit dem Verzeihen zu beginnen.

Schreiben Sie dem Autor: denis.noessler@springer.com

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