Uni-Abschluss für Altenpfleger

Nach dem Pflege-Abi nun der Pflege-Akademiker: Wieder ein Vorschlag, wie Krankenpfleger und Co. künftig ausgebildet werden sollen. Der Wissenschaftsrat empfiehlt: Ab an die Uni statt nur in die Pflegeschule. Die Bundesärztekammer reagiert verhalten.

Von Sunna Gieseke Veröffentlicht:
Nicht jeder, der mit Patienten arbeitet, soll künftig einen Bachelor-Abschluss aufweisen müssen, so der Wissenschaftsrat.

Nicht jeder, der mit Patienten arbeitet, soll künftig einen Bachelor-Abschluss aufweisen müssen, so der Wissenschaftsrat.

© Rainer Weisflog / imago

BERLIN. Der Wissenschaftsrat will die Gesundheitsfachberufe akademisieren. Jedoch nicht alle Ergo- und Physiotherapeuten sowie Kranken- und Altenpfleger sollen künftig einen Bachelor-Abschluss vorweisen.

Zehn bis 20 Prozent eines Jahrganges in den Pflege- und Therapieberufen und im Hebammenwesen sollen die Möglichkeit erhalten, ihre Ausbildung an einer Universität abzuschließen.

Dafür müssten jedoch allein für die Pflegeberufe 2700 bis 5400 neue Studienplätze geschaffen werden, betonte Professor Hans-Jochen Heinze, Neurologe und Vorsitzender des Medizinausschusses im Wissenschaftsrat, am Montag in Berlin.

Für die Therapieberufe brauche es bis zu 1100 neue Studienplätze, bei Hebammen seien bis zu 50 notwendig. Die Kosten für die neuen Studienplätze habe der Wissenschaftsrat nicht kalkuliert, so Heinze. Es werde jedoch mit Sicherheit teuer.

Medizinischer Fortschritt und demografische Entwicklung

Neue Studienplätze zu schaffen ist Aufgabe der Länder. Die Kultusministerkonferenz betonte auf Anfrage, dass die Empfehlung des Wissenschaftsrates ernst genommen werde. Die Länder beraten sie noch in diesem Jahr.

Der Wissenschaftsrat hält die weitere Akademisierung der Gesundheitsfachberufe jedoch für absolut notwendig. Grund dafür seien der medizinische Fortschritt sowie die demografische Entwicklung.

"Die Menschen werden immer älter und sind somit immer häufiger chronisch krank", so Heinze.

Das führe zu neuen, komplexeren Aufgaben des Fachpersonals. Dabei sei es erforderlich, die eigene Arbeit evidenzbasiert überprüfen zu können - und dafür sei ein akademischer Abschluss notwendig.

Es gehe also nicht darum, das Fachpersonal "vom Pflegebett weg zu qualifizieren", betonte Heinze. Vielmehr sollten eigenständig arbeitende Praktiker in multiprofessionellen Teams ausgebildet werden. Ärzte könnten auf die Weise entlastet werden, betonte Heinze.

Verhaltene BÄK

Die Bundesärztekammer (BÄK) reagierte verhalten auf den Vorschlag des Wissenschaftsrates. BÄK-Vize Dr. Max Kaplan hatte bereits kürzlich vor einer weiteren Zersplitterung der Versorgungslandschaft gewarnt.

Eine neue Versorgungsebene durch nichtärztliche Gesundheitsberufe kann seiner Ansicht nach genau das herbeiführen.

Es sei wesentlich erfolgversprechender, multiprofessionelle Kooperationen auf der Basis existierender Kompetenzen zu fördern, so Kaplan.

Länder widersprechen Bundesagentur für Arbeit

Die Gesundheitsministerkonferenz der Länder (GMK) hat Darstellungen der Bundesagentur für Arbeit widersprochen, die Länder stemmten sich nicht energisch genug dem Pflege-Fachkräftemangel entgegen. Die nötigen Maßnahmen und die Qualifizierungsoffensive für Umschüler seien bereits eingeleitet worden, heißt es im saarländischen Ministerium.

Der GMK-Vorsitzende und saarländische Ressortchef Andreas Storm (CDU) habe Bundesfamilienministerin Kristina Schröder (CDU) ein Schreiben mit den erforderlichen Gesetzesänderungen zugeleitet. Demnach sollen die Umschulungen von der Bundesagentur für drei Jahre gefördert werden.

Raimund Becker, Vorstandsmitglied der Bundesagentur, hatte in der "FAZ" gesagt:"Es ist nicht zu verstehen, dass die Länder, die doch ein vitales Interesse an genügend qualifizierten Altenpflegekräften haben müssten, sich seit Jahren nicht bewegen." Die Länder finanzierten vor allem das dritte Förderjahr für erwerbslose Umschüler nicht und kümmerten sich nicht um die Öffnung der Pflegeschulen für diese Gruppe, so Beckers Vorwurf.

Vorbildlich sei Hessen: Hier wird laut Ministerium die Zahl der Pflegeschulplätze von 3500 auf 4000 erhöht. Das Land fördert die Ausbildung pro Platz und Monat im Schnitt mit 320 Euro. Insgesamt werden 16 Millionen Euro für die Förderung zur Verfügung gestellt.

Zahlen der Bundesagentur, die der "Ärzte Zeitung" vorliegen, belegen ein grundsätzliches Interesse von Erwerbslosen am Altenpflege-Beruf. Mit dem Konjunkturpaket der Bundesregierungkonnte die Bundesagentur 2009 und 2010 das dritte Ausbildungsjahr fördern. In dem Zeitraum stieg die Zahl der Umschüler um das Doppelte. Nach Ende des Programms 2011 sank die Zahl von 9000 auf 3500 Umschüler. (bee)

Lesen Sie dazu auch den Kommentar: Braucht gute Pflege einen Bachelor?

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