Gutachten vorgelegt

Verbändebündnis träumt von Einführung einer Pflege-Bürgerversicherung

Hohe Eigenanteile, hohe Defizite: Die soziale Pflegeversicherung steht doppelt unter Druck. Ein neues Gutachten zeigt auf, wie sich die Probleme lösen ließen – politische Mehrheiten für den Vorschlag sind nicht absehbar.

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Hohe Eigenanteile, hohe Defizite: Die Pflegeversicherung ist in Nöten.

Hohe Eigenanteile, hohe Defizite: Die Pflegeversicherung ist in Nöten.

© marcus_hofmann / stock.adobe.com

Berlin. Wohlfahrtsverbände und Gewerkschaften haben einen neuen Vorstoß zur Einführung einer Bürgerversicherung in der Pflege gestartet. Sie verwiesen dazu am Mittwoch auf ein von ihnen beauftragtes Gutachten des Bremer Gesundheitsökonomen Professor Heinz Rothgang.

Das Gutachten zeige Lösungen auf, wie sich die Leistungsfähigkeit und die Finanzierung der gesetzlichen Pflegeversicherung nachhaltig gewährleisten lasse, erklärte das Verbändebündnis, dem etwa die Dienstleistungsgewerkschaft ver.di, der Paritätische Gesamtverband, die Arbeiterwohlfahrt und der Pflegeverband DBfK angehören.

In der Studie werden die finanziellen Folgen eines Umbaus der Pflegeversicherung hin zu einer Vollversicherung in Form einer Bürgerversicherung dargelegt. Mehrausgaben einer „umfassenden Absicherung von Pflegebedürftigen“ ließen sich mit dem Schritt nahezu ausgleichen.

Privatversicherte einbeziehen

Kostensenkend wirkt sich laut Studie aus, dass Privatversicherte und weitere Einkommen in die Bürgerversicherung einbezogen und die Beitragsbemessungsgrenze angehoben würde.

Konkret bedeute das für Versicherte mit einem Einkommen bis zur derzeitigen Beitragsbemessungsgrenze monatliche Mehrkosten von weniger als fünf Euro. Dem stünde die vollständige Übernahme der pflegebedingten Kosten gegenüber.

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Derzeit müssen Pflegebedürftige im ersten Jahr ihres Aufenthalts im Pflegeheim durchschnittlich rund 2970 Euro pro Monat aus der eigenen Tasche aufbringen. Davon entfallen allein auf die pflegerische Betreuung rund 1490 Euro – der Rest setzt sich zusammen aus Kosten für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten.

Die Politik hatte zuletzt je nach Aufenthaltsdauer im Heim gestaffelte Zuschüsse der Pflegekassen eingeführt. Diese sollen die Wucht der Zuzahlungen dämpfen.

Mehr als ein Drittel aller Pflegebedürftigen in Heimen ist aktuell auf Hilfe zur Pflege – sprich Sozialhilfe – angewiesen. Pflegebedürftige seien besonders stark von Armut bedroht, denn sie könnten mit ihren durchschnittlichen Alterseinkünften die finanzielle Belastung nicht schultern, warnte das Verbändebündnis.

PKV-Verband übt scharfe Kritik

Rothgang betonte, das Gutachten zeige, dass eine Vollversicherung im Rahmen der Sozialversicherung langfristig finanzierbar sei, ohne den Beitragssatz wesentlich anheben zu müssen. Dazu sei die Pflegeversicherung zur Bürgerversicherung weiterzuentwickeln – in diese müssten „alle einzahlen“, auch seien alle Einkommensarten zu verbeitragen.

Das provozierte unmittelbar Widerspruch der Privatversicherer. „Die Verfechter einer sogenannten Pflege-Bürgerversicherung versprechen vermeintliche Wohltaten einer Pflegevollkasko und ignorieren die explodierenden Kosten der demografischen Alterung“, sagte der Chef des PKV-Verbands, Dr. Florian Reuther.

Kernproblem der gesetzlichen Pflegeversicherung sei das Umlageverfahren, in dem immer weniger Jüngere für immer mehr ältere Pflegebedürftige zahlen müssten. „Da wäre es absurd, ausgerechnet das System abschaffen zu wollen, das auf die Demografie finanziell vorbereitet ist.“ Es brauche mehr finanzielle Vorsorge, so Reuther.

Defizit von 1,55 Milliarden Euro

Der GKV-Spitzenverband hatte Anfang der Woche vorgerechnet, dass die Pflegeversicherung vergangenes Jahr in die roten Zahlen gerutscht sei. Für 2024 drohe ein Defizit von 1,55 Milliarden Euro. Mit der Beitragsanhebung zum 1. Januar 2025 um 0,2 Prozentpunkte sei das Finanzierungsproblem nicht gelöst, sondern nur aufgeschoben worden, so Verbandschefin, Dr. Doris Pfeiffer.

Die Beitragsanhebung werde bestenfalls ausreichen, um die Ausgabensteigerungen im laufenden Jahr auszugleichen. Bereits im Februar könnten erstmals einzelne Pflegekassen Liquiditätshilfe aus dem Ausgleichsfonds benötigen. (hom/dpa)

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