Psychotherapie

Verstopfen leichte Fälle die Wartezimmer?

Die Psychotherapeuten klagen über Versorgungsengpässe und lange Wartezeiten. Der vdek will den Grund dafür gefunden haben: Vor allem leichte Fälle verstopften die Praxen. Die Psychotherapeuten sind empört.

Veröffentlicht:
Hier ist nichts verstopft. Bloß bei den Psychotherapeuten sieht es meist anders aus.

Hier ist nichts verstopft. Bloß bei den Psychotherapeuten sieht es meist anders aus.

© fischer-cg.de / fotolia.com

BERLIN. Die Diskussion um lange Wartezeiten auf ein Erstgespräch beim Psychotherapeuten reißt nicht ab. Der Verband der Ersatzkassen (vdek) wirft den Psychotherapeuten jetzt vor, "bevorzugt leichte Fälle" zu therapieren.

Das habe jedenfalls eine Auswertung der Abrechnungsdaten ergeben, heißt es in einem fünfseitigen Papier des vdek.

Zudem dauerten Psychotherapien häufig sehr lange: Das gelte vor allem für tiefenpsychologisch fundierte und psychoanalytische Therapien. Darüber hinaus liege der Anteil der Gruppentherapien bei niedergelassenen Psychotherapeuten bei lediglich ein bis zwei Prozent.

"Diese drei Faktoren tragen maßgeblich zur unbefriedigenden Wartezeitsituation bei", heißt es in dem Papier.

Um das Wartezeitenproblem zu lösen, müssten also Gruppentherapien stärker gefördert werden. Darüber hinaus will der vdek das Gutachterverfahren abschaffen.

Erst kürzlich hatte sich die Techniker Krankenkasse - die ein Mitglied des vdek ist - in einem Thesenpapier ähnlich geäußert. 25 Prozent der Patienten hätten eine "eher leichte psychische Erkrankung", heißt es darin.

Als Beispiel nennt die TK unter anderem leichte depressive Episoden und Anpassungsstörungen. Professor Rainer Richter, Präsident der Bundespsychotherapeutenkammer, betonte, dies sei nur ein geringer Anteil.

Zudem sei es grundsätzlich fachlich richtig, leichte Erkrankungen zu therapieren, bevor sie sich zu schweren und chronischen Erkrankungen entwickelten. "Dahinter verbergen sich häufig Patienten, die infolge von äußeren Belastungen mit sich chronifizierenden seelischen Problemen zu kämpfen haben", so Richter.

Sie bräuchten in jedem eine psychotherapeutische Behandlung. "Leicht" sei diese Erkrankung für die Patienten jedenfalls nicht, so Richter. (sun)

Jetzt abonnieren
Ihr Newsletter zum Thema
Mehr zum Thema

Frühgeburt

Frühgeborene: Was bringen Probiotika?

Kommentare
Almut Rosebrock 10.05.201308:35 Uhr

Menschliches Miteinander schwierig

Schwerer psychisch Erkrankte werden es wahrscheinlich gar nicht schaffen, sich zu einem Therapeuten "durchzukämpfen". Wenn sie keine Unterstützung haben.
Unsere Gesellschaft hat die Ellenbogenmentalität. Keiner hat Zeit, überall geht es um Geld. Wer in diesem System nicht "funktioniert", wird hoffnungslos abgehängt. Trennungen sind "Alltag" durch den Werteverfall - und den (für mich zu) leichtfertigen Umgang mit der Sexualität. Vor allem Mütter mit Kindern und Hartz 4 hängen häufig allein, hilf- und perspektivlos in der Luft. Wenn dann noch das Jugendamt "zuschlägt", ist das Chaos schnell perfekt.
In den Medien werden 500 Zwangsadoptionen in Argentinien bzw. der DDR beklagt. In Deutschland nehmen Jugendämter im Jahr über 30 000 Kinder aus ihren Familien - im Namen des "Kindeswohls". Alleine ich kenne zwei davon betroffene Mütter - die ihre Füße NIE wieder auf den Boden bekommen werden. Es ist das schlimmste Trauma, wenn einer Mutter ihr Kind (in einem Fall war es ein Baby mit 2 Tagen!) weggenommen wird!
Das Kind der anderen Mutter, das seit 7 Jahren im Heim leben MUSS (durch das miese Schnellgutachten eines Psychiaters über die Mutter), ist mit seinen 26 Jahren gerade zum 2. Mal in der Psychiatrie, weil es mit der zerrissenen Situation nicht klar kommt. Seit Jahren ist der Kontakt zur Mutter sogar telefonisch verboten! Wie soll es Menschen so gut gehen?
Aber es gibt eine "Industrie" an Gutachtern, Heimen, Pflegefamilien, Jugendamtmitarbeitern, Soz-Päds. Dipl.-Psychs usw., die damit ihren Lebensunterhalt bestreiten. Insofern wird sich so bald wohl nichts an diesen menschenunwürdigen Zuständen ändern.

<< < 1 2 > >>
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Top-Thema: Erhalten Sie besonders wichtige und praxisrelevante Beiträge und News direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen

Kongress-Motto „Resilienz“

DGIM-Präsident Galle: Wie Kollegen den Kopf frei bekommen

Lesetipps
Auch einem CT-Bild ist ein Prostata-Karzinom markiert.

© samunella / stock.adobe.com

Aktualisierung der S3-Leitlinie

Früherkennung von Prostatakrebs: Tastuntersuchung vor dem Aus