Verzicht auf die Praxisgebühr? Dann muss eine Alternative her

BERLIN (fst). Praxisgebühr und andere Zuzahlungen beibehalten oder abschaffen: Ein Antrag der Linksfraktion im Bundestag, der sich für die Abschaffung ausspricht, stößt überwiegend auf Widerstand oder Skepsis. Vorbehaltlos begrüßen nur Sozialverbände den Vorstoß.

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Dies ergibt sich aus Stellungnahmen der Verbände für eine Anhörung im Bundestags-Gesundheitsausschuss, die für den 13. April geplant ist. Die KBV spricht Zuzahlungen im SGB V jede Steuerungswirkung ab.

So sei die Zahl der Behandlungsfälle bei Vertragsärzten von 474 Millionen (2004) auf rund 564 Millionen (2009) gestiegen. Im gleichen Zeitraum sank die Zahl der Behandlungen, bei denen Versicherte Zuzahlungen leisten mussten, von 173 Millionen (2004) auf 159 Millionen (2009) Fälle.

Eine Abschaffung sei zudem mit "enormer Bürokratievereinfachung" verbunden, schreibt die KBV. Nötig sei jedoch eine für alle Versicherten geltende prozentuale Eigenbeteiligung.

Der GKV-Spitzenverband verweist darauf, dass das gesamte Zuzahlungsvolumen seit dem Jahr 2005 von 5,4 Milliarden auf rund fünf Milliarden Euro (2010) gesunken sei. Zudem nähmen rund sieben Millionen Versicherte die ein- oder zweiprozentige Belastungsgrenze in Anspruch und müssen keine weitergehenden Zuzahlungen leisten.

Die Antwort darauf, ob dieses System angemessen ist, sei "ureigene Sache des Gesetzgebers", so der GKV-Spitzenverband. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft votiert dafür, an den geltenden Zuzahlungsregeln festzuhalten.

Zwar werde ihre Steuerungswirkung zu Recht bezweifelt. Doch sei es im Interesse der Versichertengemeinschaft, die übermäßige Nachfrage von Leistungen in der GKV zu vermeiden, erklärt die DKG.

Die Bundesvereinigung der Arbeitgeberverbände dagegen spricht sich dafür aus, die Belastungsgrenze von zwei auf drei Prozent der jährlichen Bruttoeinnahmen eines Versicherten anzuheben. Zudem solle bei jedem Arztbesuch eine Praxisgebühr von fünf Euro erhoben werden.

Im Gegensatz dazu hält es der Sozialverband VdK für "nicht akzeptabel", an der Praxisgebühr festzuhalten, nur weil die Bundesregierung nicht auf die Einnahmen verzichten möchte. GKV-Versicherte müssten bereits für 75 Prozent aller Leistungen Zuzahlungen leisten.

Die Deckelung der Zuzahlungen bei ein oder zwei Prozent des Haushaltseinkommens biete "keine ausreichende Kompensation" der tatsächlichen Belastungen, so der VdK.

Die Vielfalt der Zuzahlungen verbunden mit dem kassenindividuellen Zusatzbeitrag trage außerdem nicht zur Kosten- und Beitragstransparenz in der GKV bei, argumentiert der VdK. Besser sei es daher, einen GKV-Beitragssatz festzulegen, "der dann zur vollen Inanspruchnahme aller Leistungen ohne weitere zusätzlich zu leistende Zuzahlungen berechtigt".

Zudem sieht der Verband "zahlreiche Ansatzpunkte für eine wirtschaftlichere Mittelverwendung in der GKV". Welche das sind, sagt der VdK nicht.

Der GKV-Spitzenverband rechnet vor, dass die gesamten Zuzahlungen der Versicherten von etwa fünf Milliarden Euro etwa 0,5 Beitragssatzpunkten entsprechen. Dies sei das Äquivalent eines monatlichen Zusatzbeitrags von acht Euro.

Von den fünf Milliarden Euro entfallen allein 1,54 Milliarden auf Zuzahlungen für die ärztliche Behandlung (rund 31 Prozent) und 1,68 Milliarden Euro für Zuzahlungen für Arznei-, Verband- und Hilfsmittel (33,6 Prozent).

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Kommentare
Dr. Klaus Günterberg 08.04.201113:05 Uhr

Ja, es gibt eine Alternative

Gesundheit wird immer wertvoller und teurer. Und es muss die Krankenversicherung auch finanziert werden. So könnte man auf die Mittel der Zuzahlung (sog. Praxisgebühr), auch wenn jede Steuerungswirkung fehlt, eigentlich nicht mehr verzichten.

Aber es gibt eine Alternative: eine Gesundheitskosten-Abgabe (keine Steuer!) auf gesundheitsgefährdende Produkte. Dies hätte dann tatsächlich eine Steuerungs-Funktion, wäre sozial, gerecht und dem Missbrauch durch den Staat oder durch die Krankenkassen entzogen.

Einzelheiten habe ich vor Jahren publiziert, Sie finden sie auf meiner Homepage www.dr-guenterberg.de/Publikationen, dort unter "Die Gesundheitskosten. Der Rote Punkt". Was der GRÜNE PUNKT für die Umwelt, wäre der ROTE PUNKT für die Gesundheit.

Dr. Klaus Günterberg
Gynäkologe. Berlin

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