Vernetzung

Warnung vor Denkverboten

Bei der Debatte über Vernetzungsoptionen zwischen dem ambulanten und dem stationären Versorgungsbereich sind übertriebene Ängste fehl am Platz, so Experten bei einem Netzwerker-Kongress in Berlin.

Von Jonas Tauber Veröffentlicht:

BERLIN. Gegen Denkverbote bei der Ausgestaltung einer sektorenübergreifenden Versorgung haben sich Experten bei einer Diskussion in Berlin ausgesprochen.

"Die Idee, eine Kooperation zwischen dem stationären und dem ambulanten Bereich aufzubauen, ist an sich richtig", sagte Barmer GEK-Chef Dr. Christoph Straub auf das umstrittene Projekt des Rhön-Klinikums in Marburg angesprochen.

Straub - vor Jahren Vorstand ambulant-stationäre Grund- und Regelversorgung der Rhön-Klinikum AG - äußerte sich allerdings ausdrücklich zur Idee einer klinikzentrierten Versorgung und nicht zum konkreten Fall Rhön.

Die Diskussion fand im Rahmen des zweitägigen Kongresses für Gesundheitsnetzwerker, der von der Berlin-Chemie AG veranstaltet wurde.

Auch Professor Volker Amelung von der Hochschule Hannover warnte vor übertriebenen Ängsten. Er erinnerte an vergleichbare Befürchtungen vor zehn Jahren, die Zulassung von MVZ könnte dazu führen, dass Arztpraxen verschwinden.

"Jetzt zeigt sich, das war unbegründet", sagte er. Er warb dafür, individuelle Versorgungsmodelle entsprechend den Realitäten in einer Region zu entwickeln.

Für Helmut Hildebrandt von der OptiMedis AG hat sich die Übernahme von Patientenbeständen durch Kliniken längst als Irrweg herausgestellt. "Der Aufkauf von Praxen entspricht veraltetem Denken", glaubt er.

Das zeige ein Blick in die USA, wo Hildebrandt als Berater tätig war.

Eine Klinik im Bundesstaat Illinois kaufte demnach Praxen auf, um eine Satelliten-Klinik aufzubauen - laut Hildebrandt mit durchweg negativen Erfahrungen.

"Die haben im Nachhinein gesagt: Was war das eigentlich für eine verrückte Idee, Patientenströme aufzukaufen", berichtet er. "Wenn wir es schaffen, eine gute Versorgung aufzubauen, kommen die Patienten von selber", skizzierte er das Fazit der Klinik.

Kooperation auf Augenhöhe

Zeitgemäß seien statt eines Aufkaufs Kooperationen auf Augenhöhe, glaubt er. "Wenn man es versteht, eine laterale Kooperation aufzubauen, ist das eine superschöne Arbeit, die funktioniert", berichtete Hildebrandt über seine Erfahrung mit dem Projekt "Gesundes Kinzigtal".

Verschiedene unbeantwortete Fragen sahen die Diskussionsteilnehmer in Bezug auf den im Versorgungsstärkungsgesetz vorgesehenen Innovationsfonds.

Dieser sieht nach derzeitiger Planung insgesamt 300 Millionen Euro jährlich für innovative Versorgungskonzepte vor.

Es gibt keinen Kriterienkatalog

So lässt sich laut Amelung derzeit nicht sagen, welche Kriterien erfolgsversprechende Projekte erfüllen müssen. "Einen Kriterienkatalog können wir nicht liefern", sagte er.

Zuerst einmal müssten der Gesetzgebungsprozess abgeschlossen und der Innovationsausschuss gegründet werden. "Nach den Kriterien im Detail können Sie im August fragen", so Amelung.

Ob sich dieser Zeitplan einhalten lässt, bezweifelte Barmer GEK-Chef Straub. Bei aller Unsicherheit über die genauen Voraussetzungen für eine erfolgreiche Bewerbung um Förderung aus dem Innovationstopf sei schon heute klar: Die Teilnahme der Kassen sei ein Muss.

 "Wenn die Krankenkassen nicht im Boot sind, wird die Überführung in die Regelversorgung sehr schwierig", lautete seine Begründung.

Hildebrandt äußerte Kritik am Innovationsfonds, wie er derzeit geplant ist. So sei vorgesehen, dass die Initiatoren erfolgreicher Projekte keinerlei Rechte an ihnen haben.

"Die Projekte sind open source-Projekte, die der Allgemeinheit zur Verfügung stehen sollen", so Hildebrandt. Damit falle ein wichtiger Anreiz weg, zukunftsweisende Innovationen zu schaffen.

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