Westerwelle geht - Rösler neuer Hoffnungsträger der FDP

FDP-Chef Guido Westerwelle hat entschieden: Nach den dramatischen Wahlverlusten kündigte er am Sonntag seinen Rückzug von er Parteispitze an. Nun sollen die "jungen Wilden" das ramponierte Partei-Schiff auf Kurs bringen. Für den neuen Kurs steht auch Gesundheitsminister Philipp Rösler.

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Gesundheitsminister Rösler: Wird er die Bürde auf sich nehmen und neuer Chef der FDP?

Gesundheitsminister Rösler: Wird er die Bürde auf sich nehmen und neuer Chef der FDP?

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BERLIN (nös/vdb). Wer am Freitag noch dachte, die Gerüchte um die personelle Neuausrichtung in der FDP seien nur böse gemeinte Aprilscherze, der wurde spätestens am Sonntagabend eines Besseren belehrt.

FDP-Chef Guido Westerwelle gab bekannt, was Stunden und Tage zuvor nur spekuliert wurde. In knappen Worten sagte er: "Ich werde auf dem kommenden Bundesparteitag im Mai nach zehn Jahren als Parteivorsitzender nicht erneut mich für das Amt bewerben."

Er zog damit die Konsequenzen aus dem Wahldebakel vor einer Woche in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Und er beugte sich letztlich auch dem Druck, der in den vergangenen Tagen zunehmend anstieg.

Am Samstag spitzte sich die Diskussion um seiner Person zu. Generalsekretär Christian Linder, der im stets zur Seite sprang, und Gesundheitsminister Rösler wagten sich vor und sprachen von einer „personellen und inhaltlichen Neuaufstellung“.

Laut Lindner gehe es nicht nur um den Bundesvorsitzenden. Es sei „essenziell erforderlich, mit neuen Gesichtern für Glaubwürdigkeit, Kompetenz, Respekt und Sympathie zu werben“, sagte er am Samstag auf einem FDP-Bezirksparteitag in Köln.

Am Montag tagt das FDP-Parteipräsidium. Gesucht wird der Neuanfang für die Liberalen, und dafür braucht es nach Meinung vieler vor allem neue Köpfe. Und immer häufiger wird dabei ein Name genannt, der für diesen Neuanfang stehen könnte: Philipp Rösler.

Die „Welt“ berichtete, Rösler stünde für eine Kandidatur des FDP-Vorsitzenden zur Verfügung. Rösler sagte dem Blatt: "Neue Glaubwürdigkeit bekommen wir vor allem über eine andere inhaltliche Ausrichtung."

Das kann als Wink in Richtung Guido Westerwelle verstanden werden und klingt anders als ein Dementi, er stehe für die Nachfolge von Guido Westerwelle nicht zur Verfügung, wie es noch am Freitag verlautete.

Zuvor war der 32-jährige Generalsekretär Lindner, dem ebenfalls gute Chancen eingeräumt wurden, vorgeprescht, in dem er eine Kandidatur von Rösler unterstützen und sie sogar gewünscht haben soll. Lindner und Rösler sind gut miteinander befreundet.

Am Sonntagmorgen kehrte Westerwelle von seiner Fernost-Reise zurück. Führende FDP-Politiker wollten im Laufe des Tages ihr Vorgehen beraten, wie es mit oder ohne einen Parteichef Westerwelle weitergehen könnte.

Bereits in Abwesenheit von Westerwelle hatte die Demontage des Parteichefs begonnen - bis hin zu persönlichen Verunglimpfungen.

So sprach etwa FDP-Bundesvorstandsmitglied Jorgo Chatzimarkakis im Deutschlandradio Kultur von einem "Igitt-Faktor", bedauerte die Formulierung aber später bei "Handelsblatt Online".

Und die hessischen Liberalen legten am Sonntag nach, in dem sie dem amtierenden Parteichef offen mit einer Vorverlegung des Bundesparteitag drohten. Ursprünglich soll er Mitte Mai stattfinden.

Rösler gilt als aussichtsreichster Kandidat für den FDP-Chefposten. Sollte er beim Bundesparteitag im Mai tatsächlich gewählt werden, stünde er vor einer seiner größten politischen Herausforderungen. Mit Rösler an der Spitze träte ein Generationenwechsel in der Partei ein.

Rösler hat sich schon einmal in die Pflicht nehmen lassen, als es darum ging, den eher ruhigeren Job des Wirtschaftsministers in seinem Stammland Niedersachsen gegen das Amt des Bundesgesundheitsministers einzutauschen.

Er hat er nie einen Hehl daraus gemacht, dass er die Dinge zu Beginn seiner Amtszeit anders gesehen hat, als er sie später erfahren musste.

Doch auch in solchen Situationen versteht es Rösler, sich schnell den veränderten Bedingungen anzupassen, auch wenn es hier und da hakt.

Jüngstes Beispiel ist die GOÄ-Reform: Hier steht er zwischen zwei Lagern, die traditionell zu den FDP-Wählern gehören: die Versicherungswirtschaft, nämlich die PKV, und die Ärzteschaft.

Entscheidend für Rösler ist sein Umfeld. Hier braucht er verlässliche Partner, den er etwa mit seinem Staatssekertär an seiner Seite hat.

Daniel Bahr, ausgewiesener Gesundheitsexperte, gehört ebenfalls zu dieser neuen Generation der "jungen Wilden" in der FDP, die das Steuer herumreißen können. Zudem hat Daniel Bahr den mächtigen Landesverband der nordrhein-westfälischen FDP hinter sich.

Und welche Auswirkungen ein möglicher Wechsel an der Parteispitze für das Gesundheitsressort haben könnte, ist noch unklar. Auch dafür gibt es Spekulationen.

Guido Westerwelle sagte am Sonntagabend, er wolle seine "Arbeit auf das Amt des Außenministers konzentrieren". Seinen Job als Vize-Kanzler erwähnte er nicht.

Und somit käme eine nicht unwesentliche Komponente ins Spiel, nämlich die der Augenhöhe des neuen FDP-Parteichefs gegenüber der Kanzlerin. Sollte Rösler Parteivorsitzender werden, müsste er auch die Parteiinteressen innerhalb der Koalition vertreten können.

Am ehesten ginge das als Vizekanzler – ein in der Verfassung nicht vorgesehener Posten, der lediglich durch die Vertretungsregelung der Minister untereinander zum Vorschein kommt. In der schwarz-gelben Koalition würde dann nicht mehr der Außenminister die Kanzlerin vertreten, sondern der Gesundheitsminister.

Doch ob das Gesundheitsressort für die Personalunion aus Parteichef, Vizekanzler und womöglich Spitzenkandidat für die kommende Bundestagswahl, geeignet ist, darf bezweifelt werden. Bislang hat noch jeder Gesundheitsminister beklagt, dass der Job auf vermintem Gelände stattfindet.

Für die Reputation eines neuen Parteichefs, durch sein Amt auch Spitzenkandidat in spe, ist das wenig förderlich. So kursiert in Berlin auch schon eine mögliche Option: Rösler wechselt das Ressort. Am naheliegendsten ist das Wirtschaftsressort, aus gleich zweierlei Gründen.

Der erste Grund ist 65 Jahre alt und heißt Rainer Brüderle. Nach der Wahlschlappe für die rheinland-pfälzische FDP vor einer Woche war er zwar vom Landesvorsitz zurückgetreten. Doch manchem in der Partei, vor allem im Landesverband, könnte das zu wenig sein.

Brüderle ist vor allem ins Visier der Kritiker geraten, da er gut eine Woche vor den Landtagswahlen mit Äußerungen Schlagzeilen machte, der jetzige Atomkurs der Bundesregierung sei auch wahltaktisch motiviert.

Als zweites spräche für einen Wirtschaftsminister Rösler, dass dieser Job für ihn kein neuer wäre. Bereits vor seiner Zeit in der Berliner Koalition war der Arzt aus Hannover Wirtschaftsminister in seinem Stammland Niedersachsen. Er brächte also auch die entsprechende Expertise mit.

Käme es nun tatsächlich zum Wechsel von Rösler ins Wirtschaftsministerium, müsste die FDP die Spitze im Gesundheitsressort neu besetzen.

Es bliebe beim Vorschlagsrecht der FDP. Erste Wahl wäre dann Daniel Bahr. Schon vor seiner Zeit als parlamentarischer Staatssekretär im Bundesgesundheitsministerium hat sich der Volkswirt seine Sporen in der Gesundheitspolitik verdient.

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