Kassen

Wettbewerb als Konzept braucht qualitative Leitplanken

Mehr als 20 Jahre nach dem Start des Kassenwettbewerbs ziehen Experten das Fazit: Die Nebenwirkungen dieses Instruments seien gravierend.

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NEU-ISENBURG. Wettbewerb hat als Steuerungsinstrument die in ihn gesetzten Erwartungen im Gesundheitswesen überwiegend bisher nicht erfüllt. Das ist der Tenor der neuen Publikation des "Frankfurter Forums für gesellschafts- und gesundheitspolitische Grundsatzfragen".

Das im Springer Medizin Verlag erscheinende Heft in der Reihe Diskurse mit dem Titel "Preis- und Qualitätsorientierung im Gesundheitswesen" beleuchtet in fünf Beiträgen Vor- und Nachteile einer wettbewerblichen Ausrichtung der Akteure.

Die Rolle der Vertragsärzte in einem Kassenwettbewerb um Versicherte thematisiert der frühere KBV-Vorsitzende Dr. Manfred Richter-Reichhelm. Er wertet die Indienstnahme von Vertragsärzten durch Kassen kritisch - in der Regel stehe beispielsweise bei Selektivverträgen nicht die Suche nach besseren Versorgungskonzepten im Mittelpunkt.

Die Patientenbeteiligung, so wie sie strukturell etwa im Gemeinsamen Bundesausschuss organisiert ist, kann nur sehr begrenzt als Korrekturmechanismus wirken, schreibt Dr. Ilona Köster-Steinebach von der Verbraucherzentrale Bundesverband. Der Patientenbank im Bundesausschuss fehlten wichtige Informations- und Handlungsmöglichkeiten, um Einfluss auf die Ausgestaltung des Wettbewerbs zu nehmen.

Soll sinnvoller Wettbewerb installiert werden -  beispielsweise um strukturierte Versorgung über Sektorengrenzen hinweg zu etablieren - so scheitert dieses Vorhaben oft an einer Kombination aus Politik- und Systemversagen. Das erläutert der ehemalige Ministerialdirektor und Rechtsanwalt Gerhard Schulte am Beispiel der Praxiskliniken.

Die stellvertretende Vorsitzende des Frankfurter Forums e.V. und ehemalige BMG-Staatssekretärin Gudrun Schaich-Walch betont, die Grenzen des Wettbewerbs in einem solidarischen Gesundheitswesen müssten immer wieder neu abgesteckt werden. Wettbewerb müsse "durch flankierende Maßnahmen wie Information, Qualitätssicherung und die Bewertung des Patientennutzens ergänzt werden", fordert sie.

Der vor mehr als 20 Jahren installierte Kassenwettbewerb funktioniere nicht deshalb zufriedenstellend, weil es zu wenig Wettbewerb gibt, sondern "weil die Preise letztlich zu einem Hauptkriterium geworden sind", hält Schaich-Walch fest. Gewiss lässt sich "das Rad der Geschichte durch die politisch gewollte Weichenstellung zur freien Kassenwahl der Versicherten nicht mehr zurückdrehen", zeigt sich der Vorsitzende des Frankfurter Forums und ehemalige KV-Chef Dr. Jürgen Bausch überzeugt.

Allerdings werde aktuell angesichts der finanziellen Ungleichgewichte zwischen einzelnen Kassenarten deutlich, dass es trotz morbiditätsorientiertem Risikostrukturausgleich "Gewinner" und "Verlierer" des Wettbewerbs gebe, betont Bausch.

Das Frankfurter Forum als "offene Diskussionsplattform über wichtige Zukunftsfragen des Gesundheitswesens" hat in dieses Spannungsfeld mit dem neuen Diskurs-Heft hineingeleuchtet, sagt Bausch. (fst)

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