Operationen im Krankenhaus unter der Lupe
WiDO: Ambulantisierungspotenzial tendiert gegen 60 Prozent
Die Analyse eines AOK-Instituts kommt zu überraschenden Ergebnissen. Viel mehr Eingriffe als bislang geschätzt sollen ambulant vorgenommen werden können. Wackeln jetzt die Grundlagen der Krankenhausreform?
Veröffentlicht:Berlin. Die Ambulantisierung der Medizin ist möglicherweise potenter, als bislang angenommen. Eine am Dienstag veröffentlichte Analyse des Wissenschaftlichen Instituts der AOK (Wido) kommt zu dem Ergebnis, dass etwa 60 Prozent der heute vollstationär versorgten Fälle einem Ambulantisierungspotenzial zugeordnet werden könnten. Mehr als acht Millionen stationäre Krankenhausfälle könnten somit rechnerisch vermieden werden.
Gerade in den Leistungsgruppen der Grundversorgung werde sich entscheiden, ob die überdurchschnittlich hohen Zahlen stationärer Behandlungen in Deutschland nachhaltig gesenkt werden können“, sagte WiDO-Geschäftsführer Dr. David Scheller-Kreinsen am Dienstag. Im Jahr 2024 gab es insgesamt 17,5 Millionen stationäre Behandlungen in den mehr als 1800 Krankenhäusern im Land.
Wochenkolumne aus Berlin
Die Glaskuppel: Das Ambulante im Stationären
Vor allem in der Grundversorgung zeige sich das Ambulantisierungspotenzial, heißt es in dem WiDO-Bericht. In 15 der 21 Leistungsgruppen mit den höchsten Fallzahlen wurden demnach mehr als die Hälfte der Fälle als „ambulantisierbar“ eingeschätzt. In den fallzahlstärksten Leistungsgruppen „Allgemeine Innere Medizin“ und „Allgemeine Chirurgie“ kamen rund 60 Prozent zusammen.
Die Pole lagen laut WiDO in der Leistungsgruppe für Herzkatheterbehandlungen und elektrophysiologische Untersuchungen mit einem Ambulantisierungspotenzial von mehr als 80 Prozent und in der für Schlaganfall-Behandlungen mit einem Potenzial von nahe null.
Heruntergebrochen auf die Belegungstage fiel das Ambulantisierungspotenzial allerdings niedriger aus und landete bei rund 40 Prozent. Gleichwohl wird im WDO von einer „relevanten Größenordnung“ ausgegangen.
Sektorübergreifende Versorgung
„Einfach mal die KVen außen vor lassen!“
„Die erstmals durchgeführte Berechnung der Potenziale auf Ebene der Leistungsgruppen kann den Verantwortlichen für die Krankenhausplanung in den Ländern wichtige Hinweise liefern, welche Leistungsbereiche im Rahmen einer zukunftsfähigen Versorgungsstruktur zielgerichteter in anderen Bereichen versorgt werden könnten“, sagte WiDO-Geschäftsführer Dr. David Scheller-Kreinsen dazu am Dienstag.
Er riet dazu, weiterreichende Ambulantisierungspotenziale in die Planung stationärer Strukturen mit einzubeziehen und nicht die aktuellen Leistungsmengen zur Planungsgrundlage zu machen. Gleiches gelte für die Weiterentwicklung der Vorhaltevergütung.
Ambulantisierung liegt im Trend. Rund 2,2 Millionen ambulante Operationen gab es 2021 in Krankenhäusern in Deutschland. Auch die niedergelassenen Ärzte mischen kräftig mit. Zahlreiche Praxen bieten ambulante Operationen im praxiseigenen OP-Zentrum an. Nicht zuletzt die zunehmende Zahl von Hybrid-DRG und der aufwachsende AOP-Katalog spielen dabei eine Rolle. Eine Untersuchung der TU Berlin und des Zentralinstituts für die Kassenärztliche Versorgung (ZI) war erst 2023 zum Schluss gekommen, das das Potenzial zur Ambulantisierung bei rund 20 Prozent der Krankenhausfälle liege.
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Aus 22 mach‘ 69: Hybrid-DRG werden im kommenden Jahr deutlich ausgeweitet
Mit der laufenden Krankenhausreform soll die Vergütung nach Fallpauschalen reformiert werden. Die festen Kosten von Leistungsgruppen wie die für Personal und technische Ausstattung sollen demnach zu 60 Prozent aus Vorhaltepauschalen finanziert werden, die Behandlung aus Fallpauschalen.
Basis der WiDO-Berechnungen seien die Abrechnungsdaten sämtlicher vollstationärer Krankenhausfälle von AOK-Versicherten aus dem Jahr 2024, heißt es beim AOK-Institut. (af)





