Pflegereform

"Wir brauchen junge Menschen mit Herzenswärme"

Schulnoten und wissenschaftliches Verständnis sind nicht die entscheidenden Kriterien für gute Pfleger: Arbeitgeber-Präsident Kramer warnt davor, überzogene Anforderungen an zukünftige Pflegekräfte zu stellen.

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Empathie statt Noten: BDA-Chef Kramer will potenzielle Nachwuchspflegekräfte nicht durch überzogene Forderungen abschrecken.

Empathie statt Noten: BDA-Chef Kramer will potenzielle Nachwuchspflegekräfte nicht durch überzogene Forderungen abschrecken.

© Africa Studio / stock.adobe.com

BERLIN. Arbeitgeber-Präsident Ingo Kramer hat vor einer Verschärfung des Pflegenotstandes durch überzogene Ausbildungsanforderungen für Pflegekräfte gewarnt. "Wir brauchen junge Menschen mit normalen Schulnoten aber viel Herzenswärme und Geduld gerade in der Altenpflege", hat der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA) der "Bild"-Zeitung am Montag gesagt.

"Wenn wir sie mit Anforderungen eines Studiums "Medizin light" abschrecken und überfordern, verschärfen wir den Pflegenotstand", so Kramer.

Kramer verwies auf die nun vorgelegte Ausbildungsverordnung für den künftigen Beruf einer Pflegefachfrau beziehungsweise eines Pflegefachmannes. Er soll ab 2020 die bisher eigenständigen Berufe des Altenpflegers, des Krankenpflegers und des Kinderkrankenpflegers ablösen. Pflegekräfte sollen dem Bericht zufolge danach künftig unter anderem über "ein breites Verständnis von spezifischen Theorien und Modellen zur Pflegeprozessplanung" verfügen. Außerdem sollen sie "pflegebezogene Daten anhand von pflegewissenschaftlichen Erkenntnissen erheben und interpretieren".

Diese Anforderungen seien völlig überzogen, warnen die Arbeitgeberverbände. Mehr als die Hälfte der Auszubildenden in Pflegeberufen habe nur den Hauptschulabschluss. (dpa)

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Kommentare
Anne C. Leber 22.05.201814:48 Uhr

Leserzuschrift von Prof. Dr. Renate Stemmer


Der Arbeitgeber-Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgebervereinigung wurde mit dem Statement zitiert, dass Schulnoten und wissenschaftliches Verständnis nicht die entscheidenden Kriterien für gute Pflege seien, sondern Herzenswärme und Geduld.
Dieser vom Arbeitgeber-Präsidenten formulierte Aussage führt nicht nur in die 1950er Jahre zurück, sondern widerspricht internationalen und europäischen Erkenntnissen zur Wirkung der Qualifikation von professionellen Pflegefachpersonen in der Patientenversorgung.
Es gibt einen wissenschaftlich belegbaren Mehrwert hochqualifizierter und auch akademisch qualifizierter Pflegefachpersonen zugunsten der Patientensicherheit und der Qualität in der gesundheitlichen und pflegerischen Versorgung. Diverse Studien lassen die Erkenntnis zu, dass mehr akademisch qualifizierte Pflegerinnen und Pfleger zu weniger Komplikationen, zu geringeren Morbiditäts- und Mortalitätsraten, zu besseren Ergebnissen in der Notfallversorgung und zu kürzeren Krankenhausverweildauern führen. Pflegende mit einem akademischen Abschluss sind besser in der Lage, Lösungen der Patientenversorgung auf evidenzbasierter Basis zu entwickeln, die klinische Praxis im Sinne einer qualitativ hochwertigen Versorgung zu verändern, mit anderen Berufsgruppen wie Ärzten zu kommunizieren und zusammenzuarbeiten sowie Forschungsergebnisse besser auswerten und anwenden zu können. Sie verfügen eher über ein flexibles und reflektiertes Wissen, das zu alternativen und angemessenen sowie individuenorientierten Ergebnissen führt, um auf diese Weise die klinische Praxis im Sinne einer qualitativ hochwertigen Versorgung zu verändern.
Im europäischen Vergleich hat Deutschland einen der niedrigsten Patienten-Pflegepersonalschlüssel („Nurse-to-Patient-Ratios“) in den Krankenhäusern sowie die wenigsten akademisch qualifizierten professionellen Pflegefachpersonen in der direkten Patientenversorgung. Parallel dazu denken in Deutschland vergleichsweise mehr Pflegende darüber nach, den Beruf zu verlassen und setzen dieses Vorhaben häufiger um.
Statt pauschaler Abwertung des Pflegeberufes sollte der Blick auf die benötigten Kompetenzen gerichtet werden. Benötigt wird eine differenzierte Diskussion über Skillmix in der pflegerischen Versorgung! Es sind sicherlich nicht für alle Aufgaben in Pflege und Gesundheit akademische Abschlüsse notwendig. Aber eine pauschale Verunglimpfung differenzierter Bildungswege in den Pflegeberufen werden weder den zu Versorgenden, noch den Kostenträgern, den Arbeitgebern und den Angehörigen der Pflegeberufe nutzen.
Darüber hinaus zeugen die Aussagen des Arbeitgeberpräsidenten von großer Unwissenheit bezüglich der erforderlichen Inhalte und Kompetenzen von qualifizierten Fachpersonen und der Ausbildung in den Pflegeberufen. Mit dem Pflegeberufegesetz wird keineswegs ein Medizinstudium „light“ abverlangt, sondern sowohl die Auszubildenden in den Pflegeberufen als auch die Studierenden in den entsprechenden Studiengängen werden auf einem qualitativ hochwertigen Niveau auf die Aufgaben und Verantwortlichkeiten pflegerischer Versorgung vorbereitet und qualifiziert. In fast allen europäischen Ländern ist im Übrigen die akademische Qualifizierung von Pflegefachpersonen ein „Muss“. Da stellt sich die Frage, warum dies ausgerechnet in Deutschland nicht erforderlich sein soll.
Es entspricht auch nicht der Wahrheit, dass über die Hälfte der Auszubildenden der Pflegeberufe über einen Hauptschulabschluss verfügen, zumindest nicht, wenn alle Pflegeberufe (derzeit: Gesundheits- und Krankenpflege, Gesundheits- und Kinderkrankenpflege sowie Altenpflege) zusammen betrachtet werden. Das Pflegeberufegesetz schreibt den mittleren Bildungsabschluss als regulären Zugang zur Ausbildung vor.
Festzuhalten bleibt: Professionelle Pflegefachpersonen mit einer hochwertigen Qualifikation in angemessener Anzahl und Arbeitsumgebung leisten einen signifikanten Beitrag für eine qualitativ hoch

Ulrike Messerschmied 27.04.201823:20 Uhr

Wenn man keine Ahnung hat ...

Herrn Kramers Aussagen erinnern doch schwer an die von Norbert Blüm, der einst vor mehr als 22 Jahren als Bundesminister für Arbeit u. Soziales mit seiner Aussage: ,,Um einen 70-jährigen zu füttern, brauche ich keine 6 Semester Psychologie. Dazu brauche ich ein gutes Herz und eine ruhige Hand." in ähnlicher Weise für einigermaßen Empörung unter denen sorgte, die von Pflege etwas verstehen. So möchte man den ewig Gestrigen in diesen Tagen eigentlich nur zurufen: Wenn man keine Ahnung hat, einfach mal ganz ruhig bleiben!

Kurt-Michael Walter 25.04.201812:34 Uhr

Pflegereform: Chance für die Implementierung einer professionellen Personalentwicklung


Damit Pflegefachleute interdisziplinär mit einem Team aus verschiedenen Berufen unterstützend Menschen dabei helfen gesund zu werden oder mit ihrer Krankheit so gut als möglich zu leben benötigen sie je nach Pflegeanforderung/-Aufgabe z.B. in der Akutklinik, in der Kinderklinik, in der ambulanten Krankenpflege, in der Langzeitpflege und in der Betagten Pflege (Altenpflege) eine umfangreiche theoretische und praxisorientierte Berufsausbildung. Daraus leiten sich für die rekrutierten Auszubildenden die Soll-Kompetenz wie z. B. die Handlungs- und Soziale Kompetenz ab.

So zum Beispiel ist die Team- und Kommunikationsfähigkeit eine der Sollvoraussetzungen um in einem Pflegeberuf zu arbeiten, denn z. B. sollen die geprüften Pflegefachfrauen und -männer die gesamte Pflege vom Eintrittsgespräch über die Pflegeplanung und die Umsetzung der Maßnahmen bis hin zur Austrittsvorbereitung übernehmen können.

Ist/Soll-Situation
Pflegefachleute beobachten und dokumentieren Krankheitsverlauf und Heilungsprozess, verabreichen Medikamente in Form von Tabletten, Infusionen oder Spritzen. Pflegefachpersonen versorgen Wunden, führen Gespräche mit den Patienten und prüfen ihre korrekte Lagerung. Sie sind für die Pflegequalität verantwortlich, übernehmen Aufgaben in der Prävention, begleiten in Krisensituationen, verabreichen Sauerstoff oder künstliche Ernährung. Wo nötig unterstützen sie die Patienten im Alltag – beispielsweise beim Waschen oder Essen. In Zusammenarbeit mit anderen Berufen übernehmen die Pflegefachleute Fach- und Führungsverantwortung.

Pflegefachleute, die an der Hochschule ausgebildet worden sind, haben oft zusätzliche Funktionen. Das kann zum Beispiel bedeuten, dass sie auf eine bestimmte Krankheit spezialisiert sind. Oder sie werden bei besonders herausfordernden Situationen hinzugezogen, wenn sich Krankheiten überlagern. Sie entwickeln Pflegekonzepte weiter oder sind für die Qualitätssicherung zuständig.

Mit der Ausbildung als Pflegefachmann oder Pflegefachfrau stehen den Pflegefachleuten zahlreiche Weiterbildungen offen. Die Weiterbildungen sind meist berufsbegleitend angelegt, was bedeutet, dass ein entsprechendes Arbeitsfeld in der Praxis vorhanden sein muss. Grundsätzlich können wir heute in die folgenden Laufbahnrichtungen unterscheiden:

Fachliche Vertiefung
Pflegefachleute die sich für eine fachliche Vertiefung oder Spezialisierung interessieren, wollen Kenntnisse und Kompetenzen in einem Fachgebiet erweitern und sich darauf konzentrieren. Je nach Organisation kann im Anschluss eine Fachverantwortung übernommen werden.

Führung
Pflegefachleute die sich für Führung interessieren, koordinieren, planen und organisieren gerne. Je nach Führungsfunktion gilt es, Arbeitspläne zu erstellen, Teamsitzungen zu leiten, Qualifikationsgespräche zu führen und Anlaufstelle für andere Fachbereiche zu sein. Die Auswahl an Weiterbildungen reicht vom eintägigen Kurs bis zum Bachelor und Master Studies.

Bildung
Pflegefachleute die sich für Bildung interessieren, geben gerne Wissen weiter und überlegen, wie dieses Lernenden oder Studierenden am besten vermittelt werden kann. Je nach Ausbildungsfunktion gilt es, auf das Erreichen der geforderten Lernziele hinzuarbeiten und die Auszubildenden entsprechend zu fördern und zu beurteilen. Ausbildungsaufgaben können in der Praxis, Schule oder am dritten Lernort (überbetriebliche Kurse / Lernbereich Trainings und Transfers) übernommen werden. Die Auswahl an Weiterbildungen reicht vom eintägigen Kurs bis zum Bachelor und Master Studies.

Weiterführende Studiengänge
Je nach bisherigen Qualifikationen, ist ein weiterführendes Studium an einer Fachhochschule oder an der Universität möglich.

Zitat von einer Journalistin: „Cool bleiben, alles wird gut“.

Gisela Görisch 24.04.201814:11 Uhr

Arroganz

Ich bin entsetzt wie hier über die Pflegeberufe geurteilt wird. Das zeigt mir als jahrelang professionell Pflegende, dass der Verfasser keine,aber auch gar keine Ahnung von dieser Profession hat!Es zeigt sich hier auch eine extreme Missachtung der zu pflegenden Menschen.Es steht doch wohl außer Frage, dass man mit Herzenswärme den veränderten Anforderungen das Gesundheitswesens nicht gerecht werden kann.Bei jedem Beruf wird Aus,Fort und Weiterbildung zum non plus ultra-erklärt aus gutem Grund und bei der Pflege reicht Herzenswärme ??? Ich empfehle mal einen Blick in das Krankenpflegegesetz.Information über die Studiengänge, über Fachweiterbildungen usw. und über den Tellerrand in andere Länder da bedarf es eines Studiums wobei, das soll nicht unterschlagen werden, Empathie schadet eigentlich in keinem Beruf,oder?

Dr. Barbara Strohbücker 24.04.201811:24 Uhr

Die Fremdbestimmung muss endlich aufhören!

Immer und immer wieder maßen sich fachfremde Personen an, sie könnten über den Pflegeberuf bestimmen. Genau das ist einer der Gründe, warum so viele Kolleg*innen aus dem Beruf herausgegangen sind. Deutschland hinkt im europäischen Vergleich weit hinterher. In vielen anderen Ländern ist der Bachelor die MINDESTQUALIFIKATION in der Krankenpflege. Wir brauchen Kolleg*innen, die den immer größer werdenden Herausforderung gewachsen sind - und die sowohl empathisch als auch fachlich kompetent sind.
Ich muss leider hinter solchen Statements wie von Herrn Kramer vermuten, dass der Pflegeberuf klein gehalten werden soll - und nicht in seiner Handlungsautonomie und Kompetenz weiterentwickelt und gefördert werden soll. Qualifikation in der Krankenpflege kann lebensrettend sein. Hoch entwickelte Medizin benötigt hoch entwickelt Pflege.

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