Überversorgung

Wird Aufkauf von Praxen für KVen zur Pflicht?

Ein verpflichtender Aufkauf von Arztpraxen in als stark versorgt geltenden Gebieten rückt in den Fokus der Koalition. Das sei vorstellbar, sagt CDU-Politiker Jens Spahn. Die KBV hält solche Pläne für rechtlich problematisch.

Anno FrickeVon Anno Fricke Veröffentlicht:
Ärztin im Patientengespräch. Über- und Unterversorgung sind wieder im Fokus der Politik.

Ärztin im Patientengespräch. Über- und Unterversorgung sind wieder im Fokus der Politik.

© Sanders / fotolia.com

BERLIN. Den Abbau von Überversorgung haben Vertreter des Verbands der Ersatzkassen (vdek) gefordert. Dazu solle der Gesetzgeber die Bedarfsplanung reformieren.

Notwendig sei es, den Aufkauf von Arztpraxen zu einem Muss zu erklären, sagte vdek-Chefin Ulrike Elsner am Dienstag in Berlin. "Die ärztliche Versorgung ist deutlich teurer geworden, aber nach wie vor bestehen große Verteilungsprobleme", sagte Elsner.

Deshalb müsse das Letztentscheidungsrecht der Kassenärztlichen Vereinigungen über die Wiedervergabe freiwerdender Arztsitze abgeschafft werden.

In der Koalition werden solche Verschärfungen mit Blick auf das Gesetz zur Verbesserung von Qualität und Versorgung im Gesundheitswesen (VST 2) ernsthaft diskutiert.

"Unser Ziel ist es schon auch, ungerechtfertigte Überversorgung abzubauen. Daher kann ich mir vorstellen, dass man den Aufkauf von Praxen in sehr stark versorgten Gebieten sogar zur Pflicht macht", sagte der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion Jens Spahn (CDU) am Mittwoch der "Ärzte Zeitung".

Im Koalitionsvertrag von Union und SPD ist bislang nur von einer Soll- statt der bisherigen Kann-Regelung die Rede.

Für die Ärzte wäre eine derart scharfe gesetzliche Regelung ein fragwürdiger Eingriff in Eigentumsrechte. "Einmal von den rechtlichen Implikationen abgesehen, lässt sich damit keine bessere Verteilung von Ärzten erreichen", sagte KBV-Sprecher Dr. Roland Stahl am Mittwoch der "Ärzte Zeitung".

Insbesondere in Städten übernähmen die Praxen zusätzlich die wichtige Rolle als Mitversorger des ländlichen Umlandes. Deshalb müsse die Bedeutung jeder einzelnen Praxis für die Versorgung gesondert betrachtet werden.

Bislang ist nur eine Praxis aufgekauft worden

Der Sachverständigenrat für die Begutachtung der Entwicklung im Gesundheitswesen hat in einem Gutachten 1739 Arztsitze (Stichtag 30. September 2013) identifiziert, die in Planungsbereichen mit einem Versorgungsgrad von mehr als 200 Prozent liegen. Nur für diese Praxen empfehlen die Gesundheitsweisen eine verpflichtende Regelung zum Aufkauf durch die KVen.

Insgesamt ist seit Inkrafttreten des Versorgungsstrukturgesetzes vor drei Jahren nur eine Praxis im Gebiet der KV Nordrhein aufgekauft worden.

Der Sachverständigenrat hat bundesweit 8000 Sitze von grundversorgenden Fachärzten, 6000 Sitze von spezialisierten Fachärzten und 2000 Hausarztsitze oberhalb eines Versorgungsgrades von 110 Prozent gezählt.

Der vdek rechnet zur Überversorgung mit größeren Zahlen. Gemessen an einem Versorgungsgrad von 100 Prozent fehlten in den Planungsbereichen 1303 Ärzte, davon 749 Hausärzte.

Diesem Defizit stehe in anderen Planungsbereichen ein Ärzteüberschuss von 32.375, davon 5514 Hausärzte, gegenüber. Diese Größenordnungen will der vdek aber nicht als das tatsächliche Rationalisierungspotenzial verstanden wissen.

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Kommentare
Dr. Matthias Schreiber 04.09.201413:26 Uhr

Enteignung

In der DDR gab es sowas mit den Hausbesitzern auch. Erst hat man sie finanziell so unter Druck gesetzt, dass der Wert des Hauses sank, dann hat man sie gekauft. Sowas nennt man schlichtweg Enteignung.
Wie sich die Zeiten ähneln.

Dr. Thomas Georg Schätzler 04.09.201410:57 Uhr

Jens Spahn, nein Danke!

Wir kennen diese Vorschläge bereits vom Schweizer PROGNOS-Institut. Wir, das sind a l l e GKV-Vertragsärzte in Deutschland, sollen nach Ihren Vorstellungen neben einem aktuell lausigen Honorarumsatz-Abschluss und 25-30 Prozent u n b e z a h l t e r Arbeit für unsere Patientinnen und Patienten, allein im hausärztlichen Versorgungsbereich, jetzt auch noch über die Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) Kosten und Prämien für stillgelegte Vertragsarztsitze der Gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) in angeblich überversorgten Gebieten bezahlen?

Allein in der Dortmunder Innenstadt mit den eng bebauten Wohnvierteln, die ich mit einigen Kollegen/-innen seit 22 Jahren hausärztlich betreue, sind in den letzten 15 Jahren drei Versorger-Praxen ersatzlos aufgegeben worden. Ein Hausarztsitz musste vor wenigen Monaten krankheitsbedingt aufgelöst werden. Die damit verbundene Mehrarbeit verteilt sich auf mehrere Schultern, wird aber wegen Fallzahlbegrenzung und Budgetierung von der KV-Westfalen-Lippe (KVWL) n i c h t bezahlt, geschweige denn von Politik, Medien oder Öffentlichkeit gewürdigt.

Sie können doch nicht einerseits überlange Wartezeiten, Ausdünnung der Versorgung in Stadt und Land mit ebenso blumigen wie medizin-bildungsfernen Worten beschreiben und gleichzeitig vehement die eiskalte Stilllegung eines Teils der Krankenversorgung einfordern. Und dann sollen die Vertragsärzte zu allem Überfluss Ihre „Sparpläne am falschen Ende“ schlussendlich auch noch selbst bezahlen.

„Nur die dümmsten Kälber wählen ihre Schlächter selber“, sagt schon der Volksmund. Und der ist manchmal schlauer als die hohe Politik.

Mf+kG, Dr. med. Thomas G. Schätzler, FAfAM Dortmund

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