Praxismanagement

Abenteuer Notdienst: Der Zeitgeist holt alle ein

Der Notdienst für Landärzte hat sich in den vergangenen Jahren gewandelt. Im zweiten Teil des Rückblicks auf 30 Jahre Notdienste geht es um die Veränderungen für Ärzte und Patienten durch eine zentrale Einrichtung.

Von Bernd W. Alles Veröffentlicht:
Im Notdienst auf Hausbesuch? Das erledigt in Osthessen jetzt ein fahrender Kollege.

Im Notdienst auf Hausbesuch? Das erledigt in Osthessen jetzt ein fahrender Kollege.

© imagebroker / imago

Ganz ohne waren sie nicht, die letzten gut 29 Jahre als Allgemeinarzt auf dem Land. Und was im Notdienst als Landarzt in früheren Jahren zu leisten war, damit befasste sich der erste Teil dieses Rückblicks. Sagen wir Ade der Vergangenheit und wenden uns der Gegenwart zu. Euro statt D-Mark, Gelb-Schwarz statt Rot-Grün - vieles hat sich geändert. Auch das Landarzt-Dasein.

Groß war die Aufregung vor wenigen Jahren. Als die erste "Notdienstreform" in Osthessen griff. Unglaublich: Aus der tiefen Rhön und aus dem Hünfelder Raum sollten sie anreisen müssen, die Kranken, die es mit ihrer Krankheit zur "Unzeit" erwischt hatte. Nach 19 Uhr am Montag, Dienstag und Donnerstag. Mittwochs bereits ab 14 Uhr. Und Freitag ab 18 Uhr bis Montag 7 Uhr.

Die Luxusversorgung der Vergangenheit ist passé

Die örtliche Presse war voll von bissigen Kommentaren. Kommunalpolitiker bemerkten plötzlich, welche Luxusversorgung ihre Wähler in der Vergangenheit mit dem ärztlichen Notdienst genossen hatten. Und wie beschwerlich es nun sein würde.

Umstritten die Regelung auch im ärztlichen Kollegenkreis. Musste doch damals weiterhin eine Hausbesuchsbereitschaft während der "Unzeiten" durch die niedergelassenen Ärzte in ihrem Notdienstbezirk geleistet werden.

Eine halbherzige Lösung, so befanden damals einige Kolleginnen und Kollegen und schlossen sich der Ärztlichen Bereitschaftsdienstzentrale (noch) nicht an. Zumal ja auch ein pekunärer Hintergrund - im Notdienst wird ja auch Honorar generiert, und zwar ungedeckelt - beachtenswert erschien.

Fahrdienst erledigt Hausbesuche zur "Unzeit"

Doch der Zeitgeist holte alle ein. Die Gemeinschaft der Notdienste, organisiert in der "Ärztlichen Bereitschaftsdienstzentrale (ÄBZ)", beschloss dann, auch die Hausbesuche zur "Unzeit" von einem Fahrdienst der Zentrale erledigen zu lassen.

Das überzeugte die bislang skeptischen Kolleginnen und Kollegen, denen jetzt das gewichtigste Verweigerungsargument wegfiel. Und die Patienten, Kommunalpolitiker und Medien, die alle - Stichwort Ärztemangel - heute empfänglicher sind für das Thema der Nachfolge ausscheidender Kolleginnen und Kollegen.

Und das Argument "Der Nachwuchs will nicht den häufigen Notdienststress" wurde zwar mit Bedauern, aber letztlich doch akzeptiert. Damit die Betreuung durch Hausärzte, die aufgrund dieser neuen Notdienstregelung eher einen Nachfolger finden, in der Fläche weiterhin funktioniert.

Es war dann so weit. 28 Seiten Dienstplan für den Zeitraum 1. Oktober 2011 bis 30. September 2012 trafen ein. Nebenbei: Meine Hochachtung an die Organisatoren. Für ca. 265 Ärzte einen Notdienstplan für ein ganzes Jahr zu stricken, ist schon eine logistische Meisterleistung.

Umsatzgarantie von 40 Euro Sollumsatz pro Stunde

Persönlich muss/darf ich fünfmal ran. Mal als Fahrdienst (ein Fahrer ist separat mit einem Fahrzeug der ÄBZ dabei), mal als Diensthabender in der funktionell eingerichteten Zentrale. Und wem das noch zu häufiger Notdienststress ist, der kann Dienste an interessierte Kolleginnen und Kollegen abtreten.

Allerdings mit einer Umsatzgarantie von 40 Euro (Sollumsatz) pro geleistete Stunde Bereitschaftszeit. Wird dieser Mindestumsatz nicht erreicht, hat der vertretene Arzt die Differenz des Ist-Umsatzes zum Soll-Umsatz an seinen Vertreter zu erstatten. Was mich kürzlich 200 Euro für eine Vertretung im Fahrdienst gekostet hat.

Unweigerlich kam dann mein erster Einsatz. An einem Freitag, 18 Uhr, in der Zentrale. Donnerwetter, reger Betrieb! Bis Schichtende am Samstag, 7 Uhr, hatte ich 28 Patienten behandelt. Und in der Summe eine gute Stunde "Schlaf" gefunden.

Was mir mit rund 750 Euro Umsatz versüßt wurde. Dem gleichzeitig anwesenden Kollegen "Fahrdienst" samt Fahrer waren weniger Einsätze beschieden. Dreimal Leichenschau - das war alles.

Die neue Notdienstzentrale schreibt rote Zahlen

Ob es am ausgeklügelten System der Telefonistin lag, die quasi eine Checkliste, ob ein Hausbesuch wirklich erforderlich ist, bei Hilfesuchenden abfragt? Als auch kaufmännisch denkender Mensch meine ich: Wenn schon eine Nacht um die Ohren hauen, dann soll es sich auch lohnen. Vielleicht muss da in der Zentrale noch ein Umdenken stattfinden.

Zumal die ÄBZ 2010 Verluste von knapp 170.000 Euro gemacht hat, die durch die angeschlossenen Ärzte zu finanzieren sind. Ganz umsonst ist der "Luxus" der verminderten Notdienste also nicht. Zumal die höheren Einnahmen aus der bisherigen Notdiensttätigkeit wegfallen.

Doch "Wasch mich, aber mach mir den Pelz nicht nass" funktioniert halt nicht. Allen Einzelkämpfern, die noch nicht in einer Zentrale vereinigt sind, rufe ich trotz dieser Bedenken munter zu: Es lohnt sich, organisieren Sie Ihre Lebensqualität neu.

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