Späte Freiberuflichkeit

Ärztin setzt auf Umsicht

Marion Burmann-Urbanek hat den Sprung in die eigene Praxis erst mit 52 Jahren gemacht. Dabei musste sie einige Unwägbarkeiten überwinden. Um nicht ins Stolpern zu geraten, machte die Ärztin kleine Schritte.

Anne-Christin GrögerVon Anne-Christin Gröger Veröffentlicht:
Die Internistin, Nephrologin und Schlafmedizinerin Dr. Marion Burmann-Urbanek ist zufrieden mit der späten Niederlassung.

Die Internistin, Nephrologin und Schlafmedizinerin Dr. Marion Burmann-Urbanek ist zufrieden mit der späten Niederlassung.

© Anne-Christin Gröger

HERNE. Vor einem Jahr war es für Dr. Marion Burmann-Urbanek soweit. Die angestellte Internistin, Nephrologin und Schlafmedizinerin aus Bochum wollte sich beruflich verändern, einen Neuanfang wagen und sich mit einer eigenen Praxis niederlassen.

Sie erkundigte sich bei der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe (KVWL) nach einer geeigneten Möglichkeit. Parallel dazu trat sie mit Georg Kirschner von der Wirtschaftsberatung A.S.I. in Kontakt, die Ärzte bei der Praxisabgabe und -übernahme berät.

Mit Kirschner fand Burmann-Urbanek dann ihr Wunschobjekt - eine hausärztlich-internistische Praxis in Herne, nördlich von Bochum.

"Der Inhaber war unerwartet verstorben, und die Erben suchten jemanden, der die Praxis weiterführt", berichtet sie. Innerhalb weniger Tage war sie sich mit den Hinterbliebenen einig.

"Es war auch Glück dabei, denn für die Praxis hätte es weitere Interessenten gegeben", sagt die 53-Jährige. Außerdem war lange nicht klar, ob die KVWL die Praxis neu besetzt, Herne ist überversorgtes Gebiet.

Doch die Praxis lief vor dem Tod ihres Vorgängers gut, rund 1400 Patienten kamen pro Quartal, davon zwischen 150 und 200 Privatpatienten.

Auch deswegen bekam Burmann-Urbanek, die vor ihrer Niederlassung auch als privatärztliche Schlafmedizinerin arbeitete, den Sitz.

125.000 Euro Kaufpreis

Beim Kaufpreis für die Praxis einigte sie sich mit der Witwe des verstorbenen Kollegen auf 125.000 Euro. "Damit sind wir der Witwe und den Angehörigen entgegengekommen und ihrer Notsituation gerecht geworden", sagt A.S.I-Berater Kirschner.

"Gleichzeitig ist der Kaufpreis für Dr. Burmann-Urbanek wirtschaftlich tragfähig und nicht überzogen." Das Kapital dafür erhielt die Medizinerin aus Fördertöpfen der Kreditanstalt für Wiederaufbau.

"In der Regel werden solche Praxisübergaben komplett ohne Eigenkapital finanziert", sagt er. "Das Eigenkapital soll unter anderem aus steuerlichen Gründen für private Ausgaben des Arztes genutzt werden, zum Beispiel zur Tilgung der selbst genutzten Immobilie."

Eine verborgene Falle

Kirschners Ansicht nach verbirgt sich hier eine Falle. "Viele haben überhaupt kein Gespür für die privaten Ausgaben, die sie haben. Diese Position muss unbedingt in die Kalkulation einfließen, wenn das Finanzmanagement erfolgreich laufen soll."

Auch Burmann-Urbanek musste genau rechnen, sie hat zwei Kinder im Alter von 17 und 20 Jahren, bei denen eine Ausbildung ansteht. Es kommt dazu, dass die Laufzeit des Kredits angesichts ihres Alters nur zehn Jahre beträgt.

"Je später sich ein Arzt niederlässt, desto genauer guckt die Bank hin", sagt sie.

Aber auch die voraussichtliche Steuerlast unterschätzen viele Niederlassungswillige. "Aus dem Bauch heraus einen bestimmten Betrag für Steuern zurückzulegen ist sehr gefährlich", warnt Kirschner. Besonders riskant wird es nach ein paar Jahren, wenn die Steuererleichterungen für abzuschreibendes Praxisinventar wegfallen.

"Hier lauert ein böser Fallstrick, viele Ärzte wundern sich dann, warum sie auf einmal viel mehr Steuern aufgrund der gestiegenen Gewinne bezahlen sollen."

Neben der Tilgung des Kredits muss die Praxis natürlich auch genug für betriebliche Ausgaben wie Miete und Personalkosten und den privaten Unterhalt abwerfen.

Deswegen hat Burmann-Urbanek ihren Businessplan sehr vorsichtig aufgestellt. "Wir haben mit einer Fallzahl von 1200 pro Quartal gerechnet und den Fallwert pro GKV-Patient von 54 Euro auf 50 Euro, pro Privatpatient von 250 Euro auf 200 Euro abgesenkt", sagt sie.

Im dritten Quartal 2015 ist sie damit gut gefahren, berichtet die Allgemeinmedizinerin. "Das war betriebswirtschaftlich eine Punktlandung."

Sprung in die Arbeitgeberrolle

Die vier Mitarbeiterinnen der Praxis hat sie übernommen. Damit kommt sie auf Personalkosten von rund 7500 Euro im Monat.

Den Sprung aus dem Angestelltenverhältnis in die Arbeitgeberrolle dürften Niederlassungswillige nicht unterschätzen, sagt sie.

Die Ärztin will in jedem Fall noch ein Seminar in Personalführung belegen. "Viele Prozesse haben sich über Jahre eingespielt, so dass es schwierig ist, als von außen Kommender Änderungen durchzusetzen."

Vieles wurde einfach "immer schon so gemacht", auch wenn es vielleicht anders viel praktischer wäre. So hat Burmann-Urbanek durchgesetzt, dass Medikamentenpläne künftig von ihren Mitarbeiterinnen elektronisch erstellt und ausgedruckt werden.

Auch die Handkartei will sie abschaffen und die Verwaltung digitalisieren. "Solche Dinge brauchen Zeit, bis sie von den Mitarbeiten akzeptiert werden."

Beim Thema Personal empfiehlt sie niederlassungswilligen Kollegen, sich von einem Anwalt beraten zu lassen. "Grundsätzlich übernehme ich als Arzt ja erst einmal alle schriftlichen und mündlichen Vereinbarungen, die mit dem Vorgänger getroffen wurden", sagt sie.

"Manchmal sind diese Zusagen aber nicht so, wie man sie selbst haben möchte." Hier sei es sinnvoll, einen Experten zu konsultieren.

Burmann-Urbanek ist trotz der vielen Arbeit und der zahlreichen Herausforderungen glücklich, dass sie den Schritt in die Niederlassung gewagt hat. "Hier kann ich viel mehr selbst gestalten", sagt sie.

Ihrer Spezialisierung als Schlafmedizinerin will sie künftig in der eigenen Praxis mehr Gewicht geben. "Da arbeite ich im Moment noch daran", sagt sie.

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