Künstliche Intelligenz in der Versorgung

Algorithmen und Ärzte – Freunde oder Feinde?

Algorithmen sind auf dem Vormarsch. Welche Rolle spielen sie künftig in der Versorgung und werden sie den Arzt ersetzen? Das waren Fragen, die Experten beim MSD-Gesundheitsforum diskutierten und Anforderungen an die KI formulierten.

Anke ThomasVon Anke Thomas Veröffentlicht:
Können Algorithmen und KI den Arzt ersetzen?

Können Algorithmen und KI den Arzt ersetzen?

© Konstantin Hermann - stock.adobe

HAAR. In der Medizin wird der Einsatz von Algorithmen und Künstlicher Intelligenz (KI) kritisch betrachtet. Dennoch sehen viele große Potenziale im Gesundheitswesen, an ihnen führe in Zukunft kein Weg vorbei. Dafür spricht zum Beispiel die im Juli von der Bundesregierung gegründete Datenethikkommission oder deren Digitalrat. Entsprechend intensiv diskutierten Experten im Rahmen des MSD-Workshops: "Wer versorgt in Zukunft den Patienten? Arzt und/oder Algorithmus" in Haar.

Gehirn toppt jeden Chip

Der Patient von morgen wird seine Gesundheitsdaten selbst erheben, von einem Supercomputer auswerten lassen und Behandlungsempfehlungen erhalten, zeigte sich Christian Baudis, Digital-Unternehmer und ehemaliger Chef von Google Deutschland, überzeugt.

Allerdings glaubt Baudis auch, dass Ärzte niemals ersetzt werden können. "Ein Chip würde verbrennen, wenn er so viele Daten wie ein menschliches Gehirn verarbeiten müsste", unterstrich Baudis und forderte: Nicht so viel quatschen, einfach machen!

Gerade die Diabetologie sei prädestiniert dafür, die Chancen der Digitalisierung auszuloten, umzusetzen und die Behandlung von Patienten zu verbessern, so Barbara Bitzer, Geschäftsführerin der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). In den USA sei bereits eine Insulinpumpe zugelassen , die mit einem Glucosesensor zur automatischen Insulingabe kommuniziere.

Die DDG hoffe einerseits, dass dieses Closed-Loop-System auch schnell den Weg nach Deutschland finde. Andererseits müssten besondere Prüfungsverfahren her, damit sich Arzt und Patient wirklich auf die moderne Technik verlassen könnten, so Bitzer.

Schutz vor falschen Versprechen

Fazit der DDG: Auf Algorithmen basierende Therapieempfehlungen bieten große Chancen. Allerdings müssten Verbraucher vor falschen Heilversprechen geschützt werden. Die ärztliche Verantwortung für die Behandlung eines Patienten sei nicht durch digitale Technik ersetzbar, so Bitzer.

Über seinen Typ-1-Diabetes spricht Bastian Hauck, Gründer von #dedoc© und Moderator einer Diabetes Community, mit einer Diabetesberaterin. Eigentlich, kritisierte Hauck, würde er sehr gerne seine mit einer Apple Watch alle fünf Minuten erhobenen Blutzuckermesswerte bzw. auch die Therapie mit seiner Ärztin besprechen. Die hätte ihn aber wegen rechtlicher Bedenken bislang abgewiesen.

Zu 99 Prozent sei er mit seiner Erkrankung alleine und treffe auch selbst die Entscheidungen. Die mit Leidensgenossen entwickelten Konzepte seien wesentlich besser als die derzeit angebotenen. Der Praxisbesuch beim Diabetologen sei lediglich nötig, um ein Rezept abzuholen. Hauck ist überzeugt davon, dass digitale Lösungen für verschiedene Krankheitsbilder entwickelt werden. Ob Ärzte hierbei eine Rolle spielen - fraglich.

Viele Patienten irren durchs System, bis sie endlich den helfenden Arzt gefunden haben, kritisierte Gregor Drogies, Referatsleiter DAK-Gesundheit, der anmahnte, sich künftig mehr an den Bedürfnissen der Patienten zu orientieren

Problemfeld Haftungsfragen

Bezüglich der Algorithmen machte Drogies auf offene Haftungsfragen aufmerksam: Was passiert eigentlich, wenn der Patient nachweisen kann, dass der Arzt seine Daten nicht angeschaut hat und deshalb zum Beispiel ein Behandlungsfehler unterläuft? Wer verantwortet die Entscheidung, die aufgrund von Algorithmen getroffen wurde?

"Wenn Algorithmen nachweislich die Versorgung der Patienten verbessern, ist ihr Einsatz nicht nur ethisch vertretbar, sondern ethisch geboten, sagte Professor Georg Marckmann, Vorstandsmitglied des Kompetenzzentrums Ethik an der Ludwig-Maximilians-Universität München.

Ein großes Problem sieht Marckmann in der möglichen Dequalifizierung der Ärzte durch den Einsatz von KI. Schon heute könnten einige junge Ärzte kein EKG mehr interpretieren. Wie kann verhindert werden, dass Ärzte nur noch datengesteuert handeln und Diagnosen oder Therapieempfehlungen nicht mehr selbst stellen, weil schlichtweg das ärztliche Know-how fehlt?

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Kommentare
Dr. Ursula Günther 14.09.201812:05 Uhr

Kernlose Trauben!?

Da nutzt weder blinde Freundschaft noch blinde Feindschaft. Das muß bedacht sein. Ich denke: Ärzte und Therapeuten überflüssig werden zu lassen heißt: ich baue nur noch Trauben ohne Kerne an, und ziemlich schnell wundere ich mich dann, daß es keine Trauben mehr gibt.

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