Bundesgerichtshof

Altenheim darf Flüchtlingsheim werden

Der Bundesgerichtshof hat einen Kardiologen aus Bayern abgewiesen, der eine Flüchtlingsunterkunft in seinem Praxis-Gebäude verhindern wollte.

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Im konkreten Fall ließ sich nach Ansicht des Gerichts der Teilungserklärung nicht entnehmen, dass die Räume dauerhaft als Altenheim genutzt werden sollen. Daher sei auch eine Flüchtlingsunterkunft grundsätzlich zulässig.

Im konkreten Fall ließ sich nach Ansicht des Gerichts der Teilungserklärung nicht entnehmen, dass die Räume dauerhaft als Altenheim genutzt werden sollen. Daher sei auch eine Flüchtlingsunterkunft grundsätzlich zulässig.

© [M] Gina Sanders / Fotolia

LEIPZIG. Ärzte, die für ihre Praxis Teileigentum an einem größeren Haus halten, müssen es grundsätzlich hinnehmen, wenn andere Teil-Eigentümer ihre Räume für ein Heim oder auch eine Flüchtlingsunterkunft nutzen. Das hat der Bundesgerichtshof am Freitag gegen einen Kardiologen im Raum München entschieden.

Dessen Praxis befindet sich in einem Haus, das in den 1970er Jahren in zwei "Teileigentumseinheiten" aufgeteilt wurde. Im kleineren Teil befand sich von Beginn an eine Arztpraxis, in dem anderen, deutlich größeren Gebäudeteil zunächst ein Altenpflegeheim.

Die Räume des Altenheims stehen seit 2003 leer. Der heutige Eigentümer kündigte zunächst an, dort ein Arbeiterwohnheim einzurichten. Er überlegte es sich dann aber anders und will sein Teileigentum nun als Unterkunft für Asylbewerber oder Flüchtlinge nutzen. Damit war der Arzt nicht einverstanden. Nach der Teilungserklärung handele es sich um "nicht zu Wohnzwecken dienende Räume". Vor dem Amtsgericht Starnberg und dem Landgericht München hatte diese Argumentation auch noch Erfolg.

"Gesamtschau der Kriterien nötig"

Der BGH hob diese Entscheidungen nun jedoch auf und wies die Klage ab. Zur Begründung befandn die Karlsruher Richter jedoch, für Gebäude mit geteiltem Gemeinschaftseigentum kenne das Gesetz nur das Wohnungseigentum und für andere Nutzungen das "Teileigentum". Jede grundsätzlich zulässige Nutzungsart müsse daher einer dieser beiden "Grundtypen" zugeordnet werden. Das gelte auch für Grenzfälle wie Wohnheime. Hier sei "eine Gesamtschau verschiedener Kriterien" nötig.

 Ebenso wie ein Alters- oder auch ein Arbeiterwohnheim unterscheide sich auch eine Gemeinschaftsunterkunft für Flüchtlinge deutlich von normalen Wohnungen und Wohngemeinschaften. Der Bestand der Heime oder Gemeinschaftsunterkünfte sei von den einzelnen Bewohnern unabhängig. In einer solchen "Unterkunft für eine Vielzahl von Menschen" trete "eine heimtypische Organisationsstruktur an die Stelle der Eigengestaltung der Haushaltsführung und des häuslichen Wirkungskreises". Durch diese "von der Einrichtung vorgegebene Organisationsstruktur" würden "die Grenzen einer Wohnnutzung überschritten".

Hinzu träten meist bestimmte Dienstleistungen oder auch Kontrolle und Überwachung. Flüchtlingsunterkünfte seien deutlich größer als normale Wohnungen, auch als Wohngemeinschaften. Auch baulich seien sie anders gestaltet. Zimmer und Betten würden zugewiesen. Zudem gebe es feste Verhaltensregeln sowie gemeinschaftliche Küchen und Sanitäreinrichtungen. Insgesamt wiesen die Gemeinschaftsunterkünfte "eine heimtypische Beschaffenheit auf" und seien daher wie diese dem nicht zu Wohnzwecken dienenden Gemeinschaftseigentum zuzuordnen.

Im konkreten Fall lasse sich der Teilungserklärung auch nicht entnehmen, dass die Räume dauerhaft als Altenheim genutzt werden sollen. Daher sei auch eine Flüchtlingsunterkunft grundsätzlich zulässig. Nicht zu entscheiden hatte der BGH über die konkret geplante Organisation der Gemeinschaftsunterkunft und die Zahl ihrer Bewohner. (mwo)

Bundesgerichtshof Az.: V ZR 193/16

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