Das Comeback der Mini-Darlehen?

Die Bundesregierung entdeckt Mikrokredite als Mittel gegen die Finanzkrise - auch Ärzte mit geringem Fremdfinanzierungsbedarf können die Kleindarlehen nutzen.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Mini-Darlehen, einen Kredit von vielleicht nur ein paar tausend Euro, gewährten Banken bislang eher ungern. © unpict / fotolia.com

Mini-Darlehen, einen Kredit von vielleicht nur ein paar tausend Euro, gewährten Banken bislang eher ungern. © unpict / fotolia.com

© unpict / fotolia.com

BERLIN. In der dritten Welt haben Mikrokredite Millionen von Existenzgründern unternehmerische Unabhängigkeit beschert. Jetzt gibt es ähnliche Kleindarlehen auch in Deutschland - mit staatlicher Förderung.

"In der aktuellen Krise", weiß Bundesarbeitsministerin Dr. Ursula von der Leyen, "halten sich Banken auch mit niedrigen Krediten für Selbstständige und Kleinunternehmen zurück." Deshalb hat die CDU-Politikerin jetzt zusammen mit der genossenschaftlichen GLS Bank einen "Schutzschirm" für Existenzgründer und bereits bestehende Kleinbetriebe gespannt: Über den neuen Mikrokreditfonds garantiert die Bundesregierung Kleindarlehen mit einem Volumen von insgesamt 100 Millionen Euro, die in den nächsten fünf Jahren von der GLS Bank ausgereicht werden sollen.

Die Minidarlehen von bis zu 20 000 Euro können theoretisch auch junge Ärzte nutzen, die eine Praxis in medizinisch unterversorgten ländlichen Regionen eröffnen wollen und über wenig Eigenkapital verfügen. "Wenn für die Praxisausstattung keine teuren Geräte nötig sind, kann über einen solchen Mikrokredit die Anschaffung von Mobiliar und Computern finanziert werden", sagt Falk Zientz, Leiter Mikrofinanz bei der GLS Bank.

Kurze Laufzeit, dafür aber auch höhere Zinsen

Die Mikrokredite müssen binnen drei Jahren getilgt werden. Der Zinssatz beträgt aktuell 7,5 Prozent. Damit sind die Finanzierungskosten höher und die Tilgungszeiträume kürzer als bei Förderdarlehen der staatlichen KfW-Bankengruppe und den Förderbanken der Länder. Sie vergeben Kredite zu Zinssätzen von rund vier bis fünf Prozent mit Laufzeiten von mehr als fünf Jahren.

"Allerdings ist es für Selbstständige und Existenzgründer schwierig an solche Darlehen zu gelangen, wenn sie nur kleinere Beträge benötigen", sagt Zientz. Die Kredite müssten in der Regel bei der Hausbank beantragt werden. Bei geringen Darlehenssummen würden viele Institute jedoch den hohen Aufwand scheuen. Zientz: "Diese Lücke schließen wir mit Hilfe des Mikrokreditfonds der Bundesregierung."

Auch für Mini-Darlehen gibt es eine Prüfung

Die Minidarlehen können bei den insgesamt 15 Regionalpartnern des Deutschen Mikrofinanz Instituts (DMI) beantragt werden, die bislang eine Zulassung für die Abwicklung der Kredite erhalten haben. "Ihre Mitarbeiter prüfen für uns in einem persönlichen Gespräch Motivation und Erfahrung der Darlehensnehmer und damit die etwaigen Kreditausfallrisiken", erläutert der GLS-Bank-Experte.

Die Vertriebspartner erhalten von der genossenschaftlichen Bank eine Marge von zehn Prozent des durch die Darlehensvergabe generierten Gewinns. "Bei etwaigen Kreditausfällen werden die entstehenden Verluste jedoch den Vertrieben von der Marge abgezogen", sagt Zientz. So soll sichergestellt werden, dass die Partner vor Ort Darlehensanträge gewissenhaft prüfen.

2009 haben GLS Bank und DMI rund 360 Mikrokredite vergeben. "In diesem Jahr wollen wir auf 1000 Minidarlehen kommen", sagt Zientz. Mittelfristig könnten bis zu 40 000 Mikrokredite pro Jahr vergeben werden. Zientz: "So viele sind es derzeit bereits in Frankreich." Weil der Mikrokreditfonds der Bundesregierung nur zur Absicherung etwaiger Kreditausfälle dient, refinanziert die GLS Bank die Darlehen bislang aus den Spareinlagen ihrer Kunden. Das wäre nicht mehr möglich, wenn das Kreditvolumen in den nächsten Jahren wie erwartet ansteigen wird. Zientz: "Wir bereiten deshalb einen geschlossenen Fonds für Privatanleger vor, aus dessen Topf ein Teil der Darlehen dann finanziert werden kann."

www.gls.de www.mikrofinanz.net www.mikrokreditfonds.de

Mikrokredite - eine deutsche Erfindung

Erfinder der Mikrokredite war der Sozialreformer Friedrich Wilhelm Raiffeisen, der 1864 mit dem Heddesdorfer Darlehenskassenverein den Grundstein für die heutigen Volks- und Raiffeisenbanken legte. Handwerker und Landwirte stellten über den Verein einander zinsgünstige Kleinkredite zur Verfügung.

1976 griff der Wirtschaftswissenschaftler Muhammad Yunus in Bangladesh diese Idee auf und stellte als Projektmanager der Grameen Bank Kleinhandwerkern in dem asiatischen Entwicklungsland Mikrokredite zur Verfügung, um die Armutsrate zu senken. 2006 wurde Yunus dafür mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichnet. In Europa wurden in den 1990er Jahren in Frankreich und den Niederlanden die ersten Mikrokredite nach dem Vorbild der Grameen Bank vergeben, um Arbeitslosen zur Existenzgründung zu verhelfen. In Deutschland wird seit 2004 an Konzepten zu Mikrokrediten gearbeitet.

Die GLS Bank wurde 1974 von Anthroposophen gegründet und war das erste Geldinstitut hierzulande, das nach ethisch-ökologischen Grundsätzen arbeitet. Die als Genossenschaftsbank konzipierte GLS ist Mitglied im Bundesverband Deutscher Volks- und Raiffeisenbanken und dessen Einlagensicherungseinrichtung. (hai)

Mehr zum Thema

Praxis-IT

KBV: Neuer Anforderungskatalog an PVS

Kommentare
Vorteile des Logins

Über unser kostenloses Login erhalten Ärzte und Ärztinnen sowie andere Mitarbeiter der Gesundheitsbranche Zugriff auf mehr Hintergründe, Interviews und Praxis-Tipps.

Haben Sie schon unsere Newsletter abonniert?

Von Diabetologie bis E-Health: Unsere praxisrelevanten Themen-Newsletter.

Das war der Tag: Der tägliche Nachrichtenüberblick mit den neuesten Infos aus Gesundheitspolitik, Medizin, Beruf und Praxis-/Klinikalltag.

Eil-Meldungen: Erhalten Sie die wichtigsten Nachrichten direkt zugestellt!

Newsletter bestellen »

Top-Meldungen
Lesetipps
Führen den BVKJ: Tilo Radau (l.), Hauptgeschäftsführer, und Präsident Michael Hubmann im Berliner Büro des Verbands.

© Marco Urban für die Ärzte Zeitung

Doppel-Interview

BVKJ-Spitze Hubmann und Radau: „Erst einmal die Kinder-AU abschaffen!“

Diakonie-Präsident Rüdiger Schuch.

© Rolf Schulten

Interview

Diakonie-Präsident Schuch: Ohne Pflege zu Hause kollabiert das System