Der Trick mit der Mitleidsmasche

5,3 Milliarden Euro spenden die Deutschen jedes Jahr für karitative Einrichtungen - doch nicht immer fließt das Geld guten Zwecken zu. Um sich vor schwarzen Schafen zu schützen, sollten sich Spender genau informieren.

Von Richard Haimann Veröffentlicht:
Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Spender sollten jedoch genau hinschauen, an wen sie ihr Geld geben.

Weihnachtszeit ist Spendenzeit. Spender sollten jedoch genau hinschauen, an wen sie ihr Geld geben.

© Graça Victoria / fotolia.com

NEU-ISENBURG. Alle Jahre wieder werben karitative Organisationen von Ende Oktober an in Briefen um Spenden. Sie wissen, dass die Menschen in der Zeit vor Weihnachten besonders freigiebig sind. Doch Experten warnen davor, voreilig auf die häufig sehr emotional um Mitleid heischenden Schreiben zu reagieren.

"Seriöse Hilfsorganisationen drücken nicht auf die Tränendrüse, sondern informieren mit nüchternen Fakten über ihr Anliegen", rät Burkhard Wilke, Geschäftsführer des Deutschen Zentralinstituts für soziale Fragen (DZI), zur Vorsicht, wenn Charityeinrichtungen mit herzzerreisenden Geschichten um Geld bitten.

Die von der Bundesregierung und dem Land Berlin jährlich mit 505.000 Euro geförderte Institution prüft als "Spenden-TÜV" überregional tätige karitative Einrichtungen auf die Verwendung der ihnen zufließenden Gelder.

Dabei geht es um immense Beträge: Rund 5,3 Milliarden Euro wurden 2010 nach Berechnungen des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Deutschland für karitative Zwecke gestiftet. Besonders umworben sind gut verdienende Akademiker wie Ärzte.

57,6 Prozent aller Uni-Absolventen spenden der DIW-Studie zufolge regelmäßig für einen guten Zweck. "Bei den Abiturienten beträgt die Quote hingegen nur 42,4 Prozent", sagt DIW-Forscher Markus M. Grabka. Von den Real- und Hauptschulabgängern spenden weit weniger als 40 Prozent.

Doch nicht immer kommt das Geld guten Zwecken zugute. Vom Landgericht Berlin wurde jüngst der Vorsitzende des Frauennothilfevereins Hatun & Can, Udo D., zu einer fast fünfjährigen Haftstrafe verurteilt. Der 42-Jährige soll mehr als 700.000 Euro an Spendengeldern für sich selbst abgezweigt haben.

Kein Einzelfall: In den vergangenen Jahren sind zahlreiche Urteile wegen Spendenbetrugs verhängt worden. "Hunderte Millionen gespendeter Euro werden jedes Jahr veruntreut", sagt Stefan Loipfinger, Betreiber des Internetportals Charitywatch.de und Autor des Sachbuchs "Die Spendenmafia", in dem die Machenschaften unseriöser Organisationen aufgedeckt werden.

Insgesamt 600.000 Vereine und 18.000 Stiftungen in Deutschland können Spenden sammeln. Doch nur 262 dieser Einrichtungen dürfen das "Spendensiegel" des DZI führen. Sie haben bei einer Prüfung des Instituts nachgewiesen, dass sie die ihnen zukommenden Gelder überwiegend sachgerecht verwenden.

"Das bedeutet nicht, dass alle andere Organisationen unseriös arbeiten", sagt Institutschef Wilke. Manche Einrichtungen scheuten die Prüfgebühr von 35 Euro pro 100.000 Euro eingenommener Spendengelder. Viele beantragen jedoch kein Siegel, weil sie wissen, dass sie die Kontrolle nicht bestehen würden.

Um sich vor schwarzen Schafen zu schützen, sollten sich Spender über für sie infrage kommende Organisationen genau informieren und Rechenschaftsberichte anfordern, rät Loipfinger. Vorsicht sei immer dann angesagt, wenn mehr als 20 Prozent der Spenden für Verwaltungs- und Werbekosten aufgewendet werden.

Keineswegs sollten sich Geber darauf verlassen, dass ihr Geld bei einer Einrichtung gut aufgehoben ist, nur weil diese als gemeinnützig anerkannt ist und Spenden steuerlich geltend gemacht werden können. "Die Gemeinnützigkeit wird bereits erteilt, wenn nur 50 Prozent der Spenden satzungsgemäß verwendet werden", sagt der Experte.

Eine Gesetzeslücke, die Betrüger gerne nutzen, warnt Loipfinger. "Steht in der Satzung, dass der Zweck des Vereins darin besteht, über eine bestimmte Krankheit aufzuklären, können die Vereinsmitglieder die Hälfte der Spenden für ihre Gehälter abzweigen und mit der anderen Hälfte Bettelbriefe finanzieren, in denen auch über die Malaise informiert wird."

www.dzi.de www.charitywatch.de

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