Interview

"Die Privatisierungswelle wird bald wieder höher schlagen"

Weiter wachsen heißt die Devise beim privaten Klinikbetreiber Helios. Noch plätschere die Privatisierungswelle vor sich hin, erklärt der Vorsitzende der Helios-Geschäftsführung, Dr. Francesco de Meo, im Gespräch mit der "Ärzte Zeitung". Ende des Jahres, nach den Wahlen, werde sich das ändern.

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"Privatisierung ist intelligent, wenn sie dem Patienten nutzt." Dr. Francesco de Meo Vorsitzender der Geschäftsführung Helios Kliniken Gruppe

Ärzte Zeitung: Herr Dr. de Meo, woran erkennt man eigentlich ein gutes und ein schlechtes Krankenhaus?

Francesco de Meo: An seinen Leistungen in der Medizin, in der Betreuung und im Service. Auch wenn einige es noch nicht wahrhaben wollen: Beste Qualität in allen drei Feldern setzt sich durch - bei Patienten, Zuweisern und Mitarbeitern. Am Ende dann auch bei den gesetzlichen Krankenkassen.

Ärzte Zeitung: Wie misst Helios die Qualität seiner Medizin?

de Meo: Wir messen Ergebnisqualität anhand der inzwischen weit über Helios hinaus bekannten und von anderen Trägern im In- und Ausland ebenfalls angewandten Qualitätsindikatoren: Sie messen anhand valider, nicht beeinflussbarer und risikoadjustierter Routinedaten die Qualität der Medizin und Betreuung in unseren Kliniken. Zugleich ermöglichen die Qualitätsindikatoren wichtige Erkenntnisse und geben neue Impulse zur Veränderung von Behandlungsprozessen oder bestehenden Strukturen in einer Klinik. Ein transparenter Umgang mit dem Thema Qualität ist - zusammen mit einer offenen Fehlerkultur und dem Peer-Review-Verfahren - die Grundlage für ein erfolgreiches Qualitätsmanagement.

Ärzte Zeitung: Was halten Sie von Pay for Performance, der qualitätsorientierten Vergütung? Wie setzt man hier die richtigen Anreize?

de Meo: Wir finden qualitätsorientierte Vergütung gut, wenn sie ehrlich, transparent und fair umgesetzt wird. Finanzielle Anreize machen dann Sinn, wenn sie echte Qualität für die Patienten fördern. Kaum überzeugend wäre es hingegen, wenn - wie die Deutsche Krankenhausgesellschaft befürchtet - bessere Qualität am Ende sogar schlechter vergütet würde.

Erfahrungen im Ausland zeigen, dass man qualitätsorientierte Vergütung sinnvoll einsetzen kann, um etwa Komplikationen zu vermeiden und damit bessere Qualität für die Patienten zu erreichen. Wenig helfen die zum Teil von Kostenträgern und Krankenkassen favorisierten Konzepte über dann eher inhaltsleere Zertifizierungen. Ein solches Konzept regelhaft umzusetzen, das wäre für die Patienten kein guter Weg. Das würde keine echte Qualität abbilden, sondern wäre die Grundlage für das eigentliche Ziel: Rabattierung von Leistungen. Bessere Qualität hat gerade bei qualitätsorientierter Vergütung indes ihren Preis.

Ärzte Zeitung: Die aktuelle Finanz- und Wirtschaftskrise wird den öffentlichen Haushalten in Deutschland kräftig zusetzen. Rollt demnach eine neuerliche Privatisierungswelle auf die deutsche Krankenhauslandschaft zu?

de Meo: Eine Welle hat es an sich, dass sie mal höher, mal weniger hoch Wasser schlägt. So ist es auch bei der seit Jahren zitierten Privatisierungswelle. Bis die Wahlen dieses Jahr vorbei sind, wird die Welle auch in Sachen Krankenhausprivatisierungen eher vor sich hinplätschern. Danach wird das Thema - schon wegen der wirtschaftlichen Fakten - in der Tat wieder höhere Wellen schlagen. Wir finden uns in allen Phasen dieser "Welle" gut zurecht.

Ärzte Zeitung: Wie privatisiert man im Klinikbereich intelligent?

de Meo: Aus Sicht des abgebenden Trägers sollte man sich einen verlässlichen Partner mit Erfahrung und nachweislichen Erfolgen bei vergleichbaren Privatisierungen suchen. Aus Sicht des Erwerbers muss man zunächst sehr genau überlegen und analysieren, ob das betreffende Krankenhaus - eventuell mit den notwendigen Investitionen - auf Dauer das Potenzial hat, beste Qualität in Medizin und Betreuung für eine ausreichende Anzahl an gesetzlich versicherten Patienten anzubieten.

Ferner muss ein echter Trägerwechsel - in der Regel also durch Einräumung einer Mehrheitsbeteiligung - erfolgen, der auch dem neuen Träger die Umsetzung von notwendigen Veränderungen erlaubt und die Unabhängigkeit von politischen Einflussnahmen ermöglicht. Das Ganze muss sich schließlich wirtschaftlich rechnen, das ist auch unabdingbar zur dauerhaften Sicherung von Arbeitsplätzen. Wenn wir so partnerschaftlich zusammenkommen, dann beginnt die Arbeit, das Potenzial im täglichen Geschäft tatsächlich zu heben. Falls wir dabei - und das geschieht immer noch oft - auf Mauern in den Köpfen treffen, gilt es, diese durch intelligentes Management, respektvollen Umgang, verlässliche Strukturen und Wissenstransfer im gemeinsamen Dialog zu überwinden.

Ärzte Zeitung: Das heißt, intelligent ist eine Privatisierung im Kliniksektor, wenn ...

de Meo: ... sie zum Nutzen der Patienten und ohne Schaden für das Krankenhaus auf den Weg gebracht und mit motivierten und leistungsstarken Mitarbeitern umgesetzt wird!

Das Gespräch führte Thomas Hommel.

Dr. Francesco de Meo

Dr. Francesco de Meo (45) wurde in Albstadt (Baden-Württemberg) geboren. Er ist verheiratet und hat vier Kinder. Seit 2000 ist er für Helios tätig, seit 2008 als Vorsitzender der Geschäftsführung und Mitglied des Vorstandes der Fresenius SE. Der promovierte Jurist lebt und arbeitet abwechselnd in Fulda und Berlin. Joggen und Musik sind seine bevorzugten Hobbys. In der Klinikszene gilt de Meo als eloquenter und zielstrebiger Manager, unter dem Helios kontinuierlich wächst. (hom)

Helios Kliniken

Branche: Etwa 14 Prozent des deutschen Krankenhausmarktes sind derzeit in privater Hand. Nach Asklepios und Rhön-Klinikum ist Helios derzeit der drittgrößte private Klinikbetreiber. Zu Helios gehören 62 eigene Kliniken, darunter 43 Akutkrankenhäuser und 19 Reha-Kliniken. Helios betreibt auch 23 Medizinische Versorgungszentren und sechs Seniorenresidenzen.

Umsatz: 2008 erwirtschaftete Helios 2,1 Milliarden Euro Umsatz. Das Unternehmen gehört zum Fresenius-Konzern.

Mitarbeiter: Helios beschäftigt derzeit rund 32 000 Mitarbeiter. In den Kliniken des Konzerns werden jährlich etwa zwei Millionen Patienten versorgt - davon rund 600 000 stationär. Die Konzernzentrale der Helios Kliniken hat ihren Sitz in Berlin-Mitte. (hom)

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